Bau 12. Sep 2024 Von André Weikard Lesezeit: ca. 4 Minuten

„Maßgebende Schäden“ an Carolabrücke seit Jahren bekannt

Die letzte Hauptprüfung der Carolabrücke bemängelte schon vor drei Jahren Schäden am nun eingestürzten Brückenzug C.

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Dresdens Carolabrücke ist auf einer Länge von rund 100 m eingestürzt. Sanierungsarbeiten waren bereits im Gange.
Foto: picture alliance / REUTERS/Matthias Rietschel

Teile der Carolabrücke in Dresden sind in der Nacht vom 11. September 2024 in die Elbe gestürzt. Es kam niemand dabei zu Schaden. Die Carolabrücke gilt jedoch als einer der wichtigsten Elbübergänge in Dresden. Unter anderem verkehrte dort nur wenige Minuten vor dem Unglück noch eine Straßenbahn. Die Brückenteile in der Elbe behindern den Schifffahrtsverkehr. Weil über die Brücke auch Leitungen führen, war zudem die Fernwärmeversorgung in ganz Dresden für mehrere Stunden beeinträchtigt. Weitere Abschnitte der Brücke sind nach Auskunft der Stadt Dresden „akut einsturzgefährdet“. Anzeichen für eine Fremdeinwirkung gibt es nach Auskunft der Polizei nicht.

Ein Video des Verkehrsverbunds Oberelbe (VVO) hat den Einsturz dokumentiert. Gut zu sehen ist, wie kurz vor dem Einsturz noch Passanten den Fußgänger- und Radweg am linken Bildrand überqueren:

Feuerwehr Dresden: „Akute Lebens- und Einsturzgefahr“

Die Meldung über den Brückeneinsturz ging gegen 3 Uhr am frühen Morgen des 11. Septembers bei der Dresdener Feuerwehr ein. Nach Schilderung der Einsatzkräfte hat sich am Brückenkopf auf Altstädter Seite ein etwa 1 m breiter Spalt gebildet. Zwei Fernwärmeleitungen seien infolge dessen beschädigt worden. Ein etwa 100 m langer Brückenabschnitt stürzte in die Elbe. Gegenüber mdr Sachsen sagte Feuerwehrsprecher Michael Klahre: „Es herrscht akute Lebens- und Einsturzgefahr.“ Die Einsatzkräfte untersuchen den Schaden derzeit noch unter anderem mithilfe von Drohnenaufnahmen. Schiffe, die in der Nähe der Einsturzstelle vor Anker liegen, müssen gesichert werden, weil rund um das Betonteil in der Elbe eine erhebliche Strömung entstanden ist.

Sanierungsarbeiten an der Carolabrücke laufen seit 2019

Seit 2019 wird die Carolabrücke saniert. Ob der Einsturz durch die Arbeiten verursacht wurde, kann zum jetzigen Zeitpunkt aber noch nicht festgestellt werden. Fest steht aber, dass der eingestürzte Brückenabschnitt derjenige war, der bislang noch nicht erneuert wurde. Zwei Autospuren waren bereits ertüchtigt worden. Die Fernwärmeversorgung in Dresden soll auch über die bestehenden Leitungen möglich sein, versichert der örtliche Versorger Sachsenenergie. Kurz nach dem Unglück musste der Druck im System erst erhöht werden. Große Mengen des erwärmten Wassers waren in die Elbe abgeflossen, bevor die Leitungen in der Nacht abgedichtet werden konnten.

Tragwerk der Carolabrücke galt als stabil

Die laufende Sanierung der Carolabrücke umfasste eine Instandsetzung schadhafter Stellen am Spannbetontragwerk, einen Austausch der Fahrbahnübergangskonstruktionen, eine Ertüchtigung der Brückenentwässerung sowie eine Erneuerung des Fahrbahnbelages. Im Pressegespräch mit der Sächsischen Zeitung sprach Simone Prüfer, die Leiterin des Dresdener Straßen- und Tiefbauamtes, vor rund einem Jahr noch davon, dass „sich das Tragwerk der Brücke in einem guten Zustand befindet“. Insbesondere bei der Erneuerung der sogenannten Brückenkappen, also der nicht befahrenen Ränder der Brücke, sollten innovative Verfahren und Materialien zum Einsatz kommen. So setzten die Konstrukteure auf Carbonbeton, der das Korrosionsrisiko verringern und die Brückenkappen zu tragenden Elementen der Konstruktion aufrüsten sollte. Normalerweise erfüllen die Brückenkappen diese Funktion nicht. Da die Sanierungsarbeiten noch nicht abgeschlossen waren und noch kein Carbonbeton zum Einsatz kam, kam dieses stabilisierende Element nicht zum Tragen. Frank Schladitz, Geschäftsführer des Carbonbeton-Netzwerkes C³  ­– Carbon Concrete Composite, erklärt gegenüber VDI nachrichten, die Frage, ob eine Verstärkung aus Carbonbeton den Einsturz der Brücke hätte verhindern können, könne im Augenblick noch nicht beantwortet werden.

Mögliche Ursache für den Brückeneinsturz: Korrosion

Holger Kalbe, Abteilungsleiter Brücken- und Ingenieurbauwerke bei der Stadt Dresden, hält Korrosion für eine mögliche Ursache für den Brückeneinsturz. „Wir haben hier zu DDR-Zeiten massiven Chlorid-Eintrag gehabt“, schildert Kalbe auf einer Pressekonferenz. An der Stelle, wo das Brückenteil schließlich wegbrach, habe ein Mast der Verkehrsbetriebe gestanden. Es sei denkbar, „dass an der Stelle massiv die Chloride eingedrungen sind und dort im Inneren der Brücke zu einer Korrosion der Bewehrung geführt haben“. Dass der Zustand des noch nicht sanierten Brückenabschnitts C so schlimm sei, „war nicht voraussehbar“, so Kalbe. Auch die Dresdener Polizei sieht im Augenblick noch keine Hinweise auf „irgendein strafbares Verhalten“. Sollten sich im Rahmen der Untersuchungen Anzeichen dafür ergeben, dass Fehler gemacht worden seien, würde auch ein Strafverfahren eingeleitet, so Polizeisprecher Geithner gegenüber der dpa.

Hauptprüfung stellte bereits 2021 „maßgebende Schäden“ an der Brücke fest

Nach einem Bericht der Bild-Zeitung erhielt die Carolabrücke bei der letzten Hauptprüfung bereits ein schlechtes Zeugnis der Experten. Auf der Mängelliste tauchen „frei liegende korrodierende Bewehrung an der Hohlkastenunterseite, frei liegende korrodierende Bewehrung an den Gesimsen“ und der „Zustand der Dichtung im Gleisbereich“ von „Brückenzug C“ auf. Die Brücke erhielt entsprechend der „maßgebenden Schäden“ die Note 3 auf der Zustandsskala, die von 1 bis 4 reicht. Das entspricht dem Urteil „nicht ausreichend“.

VDI mahnt regelmäßige Bauwerksprüfung an

Auch wenn im Fall der Carolabrücke noch völlig unklar sei, welche Ursachen der Einsturz der Brücke habe, seien regelmäßige fachkundige Inspektionen von entscheidender Bedeutung, um solche Vorfälle zu verhindern, mahnt der Verein Deutscher Ingenieure (VDI). Frank Jansen, Geschäftsführer der VDI-Gesellschaft Bauen und Gebäudetechnik, verweist in dem Zusammenhang auf die Richtlinien DIN 1076 für Ingenieurbauten und VDI 6200 für andere Bauwerke. Letztere enthält Beurteilungs- und Bewertungskriterien, bewährte Checklisten, Handlungsanleitungen und Empfehlungen zur Beurteilung der Standsicherheit baulicher Anlagen und zu ihrer Instandhaltung sowohl für Bestands- als auch für Neubauten. Die Richtlinie stuft die Bauwerke in eine Schadensfolgeklasse und in eine Robustheitsklasse ein. Abhängig von der Schadensfolgeklasse, statisch-konstruktiven Merkmalen, Baustoffeigenschaften und Einwirkungen gibt sie Überprüfungsmethoden und -verfahren an und empfiehlt Überprüfungsintervalle.

Zum Thema Brückensanierung fand erst im Juli ein Webpanel der VDI-Fachzeitschrift „Bauingenieur“ statt. Wir haben die Diskussion für Sie aufgezeichnet:

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