Sensorik für die Medizintechnik 05. Mai 2020 Von Jens D. Billerbeck Lesezeit: ca. 2 Minuten

Fraunhofer: Im Reinraum gegen Corona

An der Fraunhofer-Einrichtung für Mikrosysteme und Festkörper-Technologien (EMFT) in München wird auch in Zeiten der Pandemie an neuen Sensoren geforscht. Denn diese sind essenziell für die Bekämpfung von Covid-19 und werden zum Beispiel in Beatmungsgeräten eingesetzt.


Foto: Fraunhofer EMFT / Bernd Müller

Arbeitsplätze in Forschungslaboren oder Reinräumen lassen sich nicht einfach ins Homeoffice verlegen. Das erleben derzeit die Forscherinnen und Forscher an der Fraunhofer-Einrichtung für Mikrosysteme und Festkörper-Technologien (EMFT) mit Standorten in München, Oberpfaffenhofen und Regensburg. Sie forschen unter Einhaltung der gebotenen Abstands- und Hygieneregeln an sogenannten Thermopile-Sensoren. Diese kleinen Messfühler stecken nämlich auch in medizinischen Geräten, die derzeit dringend benötigt werden, wie Beatmungsgeräte oder berührungslose Fieberthermometer.

Thermopile (zu Deutsch: Thermosäule) bezeichnet eine Aneinanderreihung von Thermoelementen – elektrischen Messfühlern für Wärme bzw. Infrarotstrahlung –, die thermisch parallel und elektrisch in Reihe geschaltet sind. Dadurch ergibt sich z. B. eine hohe Empfindlichkeit. Realisiert werden diese an der EMFT als Mikro-Elektro-Mechanische-Systeme, kurz Mems, mit Fertigungstechniken aus der Mikroelektronik.

Fieber messen aus 2 m Entfernung

Deshalb ist auch der Reinraum der EMFT in diesen Corona-Zeiten keinesfalls verwaist – auch wenn die ohnehin hohen Hygiene- und Sicherheitsstandards nochmals verschärft wurden. Lars Nebrich unterstützt dort mit seinem Team die Heimann Sensor GmbH, eine langjährige Kundin, bei der Entwicklung und Optimierung von Thermopile-Infrarot-Detektoren. „Diese Hightechsensoren kommen etwa als berührungslose Infrarot-Fieberthermometer zum Einsatz: Selbst auf einen Abstand von 0,5 m bis 2 m (je nach Sensortyp) können sie die Körpertemperatur von Personen zuverlässig bestimmen“, erläutert der Fraunhofer-Forscher. Diese kontaktlose Temperaturmessung lasse sich beispielsweise beim Zugang zu Gebäuden nutzen: Detektiert der Sensor bei einer Person eine erhöhte Körpertemperatur, reagiert das System mit einem optischen und akustischen Signal. Nebrich: „In manuellen Fieberthermometern ermöglichen die Sensoren eine zuverlässige Fieberkontrolle, ohne dass das medizinische Personal mit Patienten in Berührung kommt.“

CO2 optisch detektieren

„Fast noch relevanter ist aber in der aktuellen Situation, dass man die Einzelsensoren auch für Beatmungsgeräte benötigt“, erklärt der Forscher. In Beatmungsgeräten werden die Thermopile-Sensoren in optischen CO2-Sensoren zur Kontrolle der Ausatemluft eingesetzt. Heimann ist ein weltweit führender Hersteller dieser Thermopile-Infrarot-Detektoren, entsprechend hoch ist derzeit die Nachfrage. „Würde der Nachschub der Detektoren ins Stocken geraten, würde in den derzeitigen Krisengebieten noch mehr dringend benötigte medizinische Ausrüstung fehlen“, so Nebrich. Die Kooperationspartner haben deshalb übereinstimmend entschieden, die Arbeit im Reinraum weiterlaufen zu lassen.

Wie „business as usual“ fühlt es sich für das Team derzeit trotzdem nicht an. „Der Gesundheitsschutz unserer Kolleginnen und Kollegen hat oberste Priorität, das steht außer Frage“, betont Nebrich. Basierend auf den Anweisungen der bayerischen Staatsregierung und dem Fraunhofer-Krisenmanagement, arbeitet derzeit nur ein stark reduziertes Kernteam im Reinraum, sodass die Abstandsregeln jederzeit eingehalten werden können. Dabei hilft, dass die Arbeit im Reinraum auch in normalen Zeiten von höchsten Sauberkeitsanforderungen geprägt ist: Die Forscherinnen und Forscher dort arbeiten grundsätzlich mit spezieller Reinraumkleidung und die Luft ist dank der spezifischen Luftaufbereitung mit Feinstfiltertechnik üblicherweise schon keimarm – ähnlich wie in einem Operationssaal.

Nächste Generation Infrarotsensoren in Arbeit

Die Entwicklung der Thermopile-Sensoren ist ein aufwendiger Prozess, der laut Nebrich nicht nur spezifische Reinraum-Infrastruktur, sondern auch umfangreiches Know-how und Routine beim Aufbau und der Bearbeitung von Mems erfordert. Um die Herstellungstechnologie zu optimieren, arbeiten die Fraunhofer EMFT-Wissenschaftlerinnen und -Wissenschaftler zudem gemeinsam mit der Heimann Sensor GmbH an der nächsten Generation hochauflösender Infrarotsensoren. Damit soll die räumliche und thermische Auflösung solcher Sensoren bei kostengünstiger Fertigung weiter gesteigert werden.

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