IBM macht Quantencomputer einfacher nutzbar
Quantencomputer sollen es möglich machen, viele Berechnungen durchzuführen und damit Probleme zu lösen, die bisherige Höchstleistungsrechner an ihre Grenzen führen. Aber bisher ist es eine Sache für Cracks, Quantencomputer zu nutzen. Mit einer Software-Roadmap gibt IBM jetzt einen Zeitplan vor, ab wann Interessierte diese Rechenkraft viel einfacher nutzen können als heute.
IBM hat heute im Quanten-Computing-Blog seines Forschungsbereichs IBM Research eine Software-Roadmap für das Quantencomputing bis 2025 vorgestellt. Ziel ist es, dass Quantencomputer bis dahin für Anwenderinnen und Anwender aus Industrie, Wissenschaft und Wirtschaft so einfach zu nutzen sind wie normale Rechner heute. Bereits im September wurde eine Hardware-Roadmap bis zum Jahr 2023 vorgestellt.
„Wir wollen einen wirklich holistischen Softwarestack aufbauen, der es dem Nutzer erlaubt, seine üblichen Softwaremodule weiter benutzen zu können, aber darunter leistet dann der Quantencomputer seinen Beitrag“, erklärt Heike Riel, Head Science & Technology, Lead IBM Research Quantum, im Gespräch mit VDI nachrichten.
Quantencomputing als Problemlöser
„Wir wollen es möglichst einfach machen, dass Quantencomputer genutzt werden können“, erklärt die Physikerin und IBM Fellow Riel, die im IBM-Lab im schweizerischen Rüschlikon arbeitet. „Angenommen, ein Nutzer nutzt heute ein Optimierungsprogramm, um seine Differenzialgleichung zu lösen. Dann soll er das auch in Zukunft genauso tun, und wir kümmern uns darum, dass die Probleme, die man mit einem Quantencomputer lösen muss, auch damit gelöst werden.“
Im Prinzip möchte die IBM-Quantencomputing-Entwicklerin, dass Anwenderinnen und Anwender in Zukunft ein Problem lösen können, ohne dass sie wissen, welche Hardware das für sie macht. Vielmehr entscheidet das darunterliegende System, bei gegebenen Anforderungen und Randbedingungen die Aufgabe entweder einem Quantencomputer oder einem konventionellen Hochleistungsrechner anzuvertrauen. „Da sind wir aber noch nicht, weil Software und andere Dinge wie bestimmte Compiler zum Beispiel noch entwickelt werden müssen“, sagt Riel.
IBM will 2025 Standardanwendungen für Quantencomputer anbieten
Schon heute stellt IBM 32 eigene Quantencomputer für externe Anwendungen aus Wissenschaft, Industrie und Wirtschaft zur Verfügung. Industrieanwendungen für Materialien, Molekülberechnungen, Quantenchemie, Finanzanwendungen bis hin zu Optimierungsanwendungen – all das läuft heute schon auf Rechnern wie dem „Q System One“. Am deutschen IBM-Standort Ehningen steht seit Jahresbeginn der Fraunhofer-Gesellschaft ein eigener dieser Rechner zur Verfügung.
Aber diese Maschinen lassen sich längst noch nicht so mühelos und einfach bedienen wie konventionelle Computer. „Was wir heute zur Verfügung stellen sind sogenannte Quantenschaltkreise oder Quantum Circuits, die dann in Libraries angeboten werden“, erklärt Riel. Auf dieser Basis müssen die Anwenderinnen und Anwender dann mithilfe der Quantum Circuits die eigenen Algorithmen implementieren.
Quantencomputer nutzen auf Modulbasis
Das soll einfacher werden: „In Zukunft wird man Libraries bauen, die dem Nutzer das vereinfachen und eine optimalere Gestaltung der Berechnung zulassen“, erklärt Riel. Was das für ein großer Schritt ist, kann sie gut beurteilen, ist sie doch von Beginn an mit dem Software-Part des IBM-Quantencomputing-Programms vertraut.
IBM will die Zeit bis 2025 nutzen, um für all die Anwendungen, die heute schon auf den Quantencomputersystemen gefahren werden, verschiedene Module zu bauen – „off the shelf“, quasi. So könnte es laut Riel zum Beispiel ein Modul für Systemoptimierungsberechnungen geben. „Da gibt man dann nur die zu lösende Differenzialgleichung ein und die kann dann mit dem Optimierungsmodul direkt auf dem Quantencomputer gelöst werden.“
Open Source ist Priorität für IBM beim Quantencomputing
All das wollen die Entwicklerinnen und Entwickler bei IBM nicht allein machen. Open Source ist eine wichtige Komponente für IBMs Software-Roadmap. „Wir haben bei IBM von Beginn an eine Softwareplattform entwickelt, die sowohl für ‚Education‘ wie für ‚Outreach‘ gedacht war wie auch dafür, unseren Quantencomputer, der damals wirklich noch in unserem Labor stand, rund um die Uhr der Welt zur Verfügung zu stellen“, so Riel.
Auf diese Zeiten geht die Open-Source-Software Qiskit zurück. Mit ihr lassen sich Quantenprogramme erstellen und bearbeiten und auf Prototypen von Quantengeräten auf IBMs Quantencomputing-Cloud-Plattform Q Experience ausführen. Auf Qiskit wird daher ein Gutteil der Softwareentwicklungen aufbauen, die IBM bis 2025 umsetzen will. Generell setzt IBM auf Red Hats Cloud-Container-Anwendungsplattform OpenShift.
Was bei IBMs Quantencomputing für die Software gilt, gilt auch für die Hardware, bestätigt Riel auf Nachfrage: „Unser gesamtes System ist dabei so aufgebaut, dass wir auch offen dafür sind, andere Quantencomputer-Hardware darunter zu implementieren. Wir müssen dann einen Compiler für diese andere Hardware bauen.“
Software-Roadmap bereitet Einsatz von größeren Quantencomputern ab 2023 vor
Bis 2023 sollen, so die Software-Roadmap, Updates für Software-Interfaces aufgesetzt werden, wie auch für die Schaltkreis-Programmbibliotheken und die Systemsteuerung. Arbeiten, die wichtig sind, damit die Entwickler die Betriebssysteme für die großen Quantencomputer mit über 1000 Qubit finalisieren können.
2023 will Big Blue auch mit dem 1000-Qubit-Rechner Condor fertig sein und ihn zur Verfügung stellen. Entsprechend dauert es dann noch einmal zwei Jahre bis 2025. Bis dahin stehen dann den Anwenderinnen und Anwender für das Arbeiten auf diesen Rechnern entsprechende Module für ihre jeweiligen Anwendungen bereit.