Fahrzeugsicherheit 25. Sep 2024 Lesezeit: ca. 3 Minuten

Kamera überlebt Crashtest und liefert Bilder aus dem Auto

Hochgeschwindigkeitsaufnahmen sind bei Crashtests von Pkw Standard. Neue Kameras sollen solche Bilder künftig auch aus dem Innenraum liefern.

Innenansicht beim Crashtest: Robuste Technik ist nötig, damit 3D-Hochgeschwindigkeitsaufnahmen im Fahrzeug erfolgen können. Projizierte Linien liefern dem System einen dreidimensionalen Eindruck der Situation.
Foto: Fraunhofer IOF

Fast jeder kennt die spektakulären Hochgeschwindigkeitsaufnahmen von Crashtests. In Zeitlupe lässt sich damit nachvollziehen, wie sich das Pkw-Blech verformt, Glas berstet und menschliche Dummys hinter den Fensteröffnungen durchgeschüttelt werden. Typischerweise sind das alles Außenaufnahmen, bei denen die Kameratechnik an Stativen rund um das Fahrzeug aufgebaut sind. Ein neues Kamerasystem soll das jetzt ändern. Das Fraunhofer-Institut für Angewandte Optik und Feinmechanik IOF hat nun eine Lösung vorgestellt, die auch 3D-Bilder aus dem Fahrzeuginneren liefert und dabei mehrfach genutzt werden kann.

So nehmen Kameras 3D-Bilder vom Crash rasend schnell auf

Die Aufnahmetechnik für solche 3D-Hochgeschwindigkeitsaufnahmen arbeitet immer nach demselben Prinzip. Im Wesentlichen besteht so ein System aus zwei Kameras, einer Beleuchtung und einem Computer. Seit mehr als zehn Jahren beschäftigt sich das Jenaer Fraunhofer IOF damit. „Der Knackpunkt dabei ist eigentlich nicht die Kamera, sondern die Beleuchtung“, erklärt Projektleiter Kevin Srokos. Für ihre Lösung nutzen die Forschenden in Jena schon seit Jahren die Gobo-Projektion aus der Bühnentechnik und haben diese für ihre Zwecke weiterentwickelt.

Während mit der Gobo-Technik in Theatern hitzebeständige Masken genutzt werden, um Objekte in das Bühnenbild zu projizieren, kommt für die 3D-Aufnahmen eine rotierende Scheibe zum Einsatz. Vor einer starken Lichtquelle erzeugt diese ein unregelmäßiges Streifenmuster. Die Wissenschaftler sprechen von einem „nicht periodischen Sinusmuster“, das dadurch auf dem zu messenden Objekt entsteht. Durch diesen Trick lassen sich Punkte in den Bildern der Kameras, die unter verschiedenen Winkeln auf das Objekt schauen, eindeutig zuordnen. Aus der Position der Kameras und dem Versatz der Bildpunkte werden die 3D-Koordinaten für die Punkte der Aufnahmen berechnet.

Die Technik haben die Jenaer längst in der Automobilindustrie getestet. „Damals konnte man mit dem System das Entfalten eines Airbags zeitaufgelöst verfolgen“, erzählt Srokos. Bereits 2017 habe es aber auch die Idee gegeben, das System in das Innere des Fahrzeuges zu verlagern. In einem gemeinsamen Projekt mit einem großen deutschen Automobilhersteller haben die Jenaer dafür einen Demonstrator aufgebaut, der seit 2023 für Tests beim Projektpartner eingesetzt wird.

Crashtest: Aufnahmen aus dem Inneren dank robuster Kameratechnik

Ziel ist es neben der Entfaltung des Airbags beispielsweise auch, Vorgänge besser untersuchen zu können, die vom Airbag bisher verdeckt werden. Außerdem können die Kameras namens „goCrash3D“ Einblicke in den Fußraum liefern.

Das System mit zwei Kameras und der Beleuchtungseinheit ist dazu in einem Rahmen montiert, in dem die Komponenten über Elastomerpuffer gegen die Beschleunigung geschützt sind. Dadurch kann das System Beschleunigungen bis zur 200-fachen Erdbeschleunigung (200 g) und Schocks bis 60 g bei mehrfachem Einsatz standhalten. Der Rahmen wird dafür im Fahrzeug fest montiert.

Auch beim Einsatz der goCrash3D im Fahrzeug spielt die Beleuchtung die Hauptrolle. Srokos erklärt die Herausforderung so: „Je kürzer die Belichtungszeit, desto stärker muss die Beleuchtung sein.“ Im konkreten Fall wird deshalb eine Einzel-LED mit 15.000 Lux Leuchtstärke benutzt. Die beiden Kameras liefern jeweils 12.000 Bilder pro Sekunde mit 512 x 512 Pixeln. Daraus berechnet der Computer etwa 1200 3D-Bilder pro Sekunde. Das Bildfeld in den Versuchen war 70 x 70 cm² in 1 m Abstand. Die Parameter können laut dem Forscherteam an die jeweiligen Versuche angepasst werden.

Anwendungen der Kameras auch außerhalb der Automobilbranche

Aktuell wird die Technik vom Fraunhofer IOF weiterentwickelt und beim Projektpartner genutzt. Beispielsweise wurden am Institut in Jena die Hochgeschwindigkeitsaufnahmen auch schon mit weiteren Kameras gekoppelt. Somit konnten die 3D-Bilder mit zusätzlichen spektralen Informationen verbunden werden.

Obwohl das goCrash3D-Kamerasystem für und mit der Automobilbranche entwickelt wurde, um wachsenden Sicherheitsansprüchen gerecht zu werden, soll es nicht dabei bleiben. „Wir können uns auch andere Anwendungen im Sicherheitsbereich oder auch in der Sportmedizin vorstellen“, sagt Srokos.

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