Stromnetze 05. Feb 2025 Von Stephan W. Eder Lesezeit: ca. 4 Minuten

Gleichstrom für Ökostrom? HGÜ-Technik zu teuer

Der belgische Übertragungsnetzbetreiber Elia verschiebt vorübergehend die Unterzeichnung von HGÜ-Verträgen für die Princess-Elisabeth-Insel. Die Technik wird zu teuer. Nicht nur dort.

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Der belgische Übertragungsnetzbetreiber Elia verschiebt vorübergehend die Unterzeichnung von HGÜ-Verträgen für die Princess-Elisabeth-Insel. Die Technik wird zu teuer. Das Bild zeigt die Baustelle für die Offshore-Plattform im Dock in Vlissingen, Niederlande.
Foto: picture alliance/dpa/Belga/Jonas Roosens

Mit einer künstlichen Insel, 45 km von der Küste entfernt mitten im Ärmelkanal, will Belgien den ersten Knoten für ein gemeinsames „grünes“ Energienetz mit Dänemark, Deutschland und Großbritannien knüpfen. Doch jetzt zieht der beteiligte belgische Übertragungsnetzbetreiber Elia die Notbremse: Die Verträge für die Princess-Elisabeth-Insel genannte Offshore-Plattform werden vorerst nicht unterschrieben. Die angebotene HGÜ-Technik sei zu teuer und Elia will als belgisches Staatsunternehmen der neuen belgischen Regierung die Möglichkeit geben, falls gewünscht, auch anders zu entscheiden. Technisch gebe es andere Optionen. Das Gesamtprojekt der Princess-Elisabeth-Insel steht Elia zufolge nicht zur Disposition.

„Die Verschiebung der Vertragsunterzeichnung bleibt nicht ohne Folgen, verschafft aber zusätzliche Zeit, um die derzeitige Planung mit alternativen Konzepten unter den veränderten Marktbedingungen abzuwägen“, so Elia laut Mitteilung vom Abend des 4. Februar 2025. Diese Alternativen seien ebenfalls machbar, erforderten aber „einen gemeinsamen Aktionsplan mit allen beteiligten Parteien, da es derzeit zu viele Unwägbarkeiten sowohl in der Politik als auch in der Regulierung gibt“.

Elia will der belgischen Politik Zeit geben, über HGÜ nachzudenken

Hintergrund der Vorsicht seitens Elia ist, dass Belgien bei erneuerbaren Energien bisher sehr offensiv auf Offshore-Windkraft setzt. Elia ist daher auch treibende Kraft hinter einem Konzept, das die Offshore-Windkraft zum energiewirtschaftlichen Powerhouse in Europa machen soll. Ein Großteil der Dekarbonisierungsstrategie des Landes für den Stromsektor beruht darauf. Und alles steht und fällt mit der Princess-Elisabeth-Insel.

„Eine einseitige Entscheidung von Elia Transmission Belgium (ETB) ohne weiteren politischen Dialog wäre in der heutigen sehr angespannten Situation auf dem HGÜ-Markt unangemessen“, resümiert der Netzbetreiber. Die aufgeschobene Unterzeichnung der HGÜ-Kontrakte führe „zu einer Verzögerung des Gesamtprojekts um etwa drei Jahre, gibt der belgischen Regierung aber mehr Zeit für eine Entscheidung“.

Bau von Insel- und Wechselstromverträgen geht unvermindert weiter

Laut Elia laufe der Bau der künstlichen Insel (Fundamente) und die Umsetzung der bereits unterzeichneten Wechselstromverträge weiterhin planmäßig. Damit sei die Realisierung von zwei (700 MW und 1400 MW) der drei künftigen Offshore-Windparks sichergestellt und so 60 % des neuen Windgebiets Princess Elisabeth realisiert.

Für den Anschluss des dritten Windparks mit ebenfalls 1400 MW verhandelt Elia derzeit über zwei HGÜ-Umrichter, der eine liegt auf der Insel, der andere an der belgischen Küste. Diese Umrichter haben gleich eine doppelte Funktion und sind für die europaweite Verbindung hochrelevant: sie binden einerseits den Windpark an, andererseits aber auch über eine hybride Verbindungsleitung das Nautilus-Projekt in Großbritannien.

Warum die HGÜ-Anbindung immer teurer wird

„Die internationale Ausschreibung, die Elia für diese Gleichstromkomponenten durchgeführt hat, zeigt eine überhitzte Lieferkette mit erheblichen Preissteigerungen“, so Elia. Ja, so der Netzbetreiber, die Konditionen des beteiligten Lieferanten seien mit „denen anderer europäischer Netzbetreiber vergleichbar“, sie lägen aber „weit über unseren ursprünglichen Schätzungen“. Dieser HGÜ-spezifische Preisanstieg im Markt sei auf „Knappheit in Verbindung mit dem Anstieg der Materialkosten und der Inflation zurückzuführen“.

Elia steht mit der Verschiebung nicht alleine da, weltweit wurden andere Projekte schon gecancelt. Der Motor der netztechnischen Wunderkiste HGÜ ist irgendwie ins Stottern geraten. Nach einem Bericht des Fachportals RTO Insider wurde das 11-Mrd.-$-Projekt „Clean Path“ Anfang Dezember komplett gekippt – wegen der Kostenexplosion bei Material und Finanzierungskonditionen. Über den 525-kV-HGÜ-Korridor wollte sich New York City ab 2027 unabhängiger von fossiler Energieerzeugung machen und 7,9 TWh an Ökostrom jährlich in die Stadt bringen. Andere Projekte liegen in Europa, so der Harmony Link zwischen Polen und Litauen, der als Offshore-HGÜ-Verbindung geplant war. Im April 2023 sagten die Netzbetreiber PSE und Litgrid die Ausschreibungen ab, da die Marktpreise für Kabel und Konverterstationen erheblich gestiegen waren. 2024 brach der georgische Netzbetreiber die Ausschreibung für eine 500-MW-HGÜ-Kuppelstation (Schätzwert: 150 Mio. €) ab, nachdem die Angebote 40 % über den Budgeterwartungen lagen.

In der EU kommt hinzu, dass die europäische Regulierungsbehörde Acer eine Reform der HGÜ-Netzanschlussregeln (NC HVDC) aufgesetzt hat. Das beeinflusst natürlich Investitionsentscheidungen und sorgt für Unsicherheit. Laut Zertifizierer DNV sei bereits 2023 ein Dreh- und Angelpunkt für die Branche gewesen. DNV spricht von der „schieren Menge an Ausschreibungen und Rahmenverträgen, die im Laufe des Jahres angekündigt und/oder vergeben wurden“. Hinzu komme, dass bestimmte Kerntechniken noch nicht breit verfügbar sind. Bis letztes Jahr zumindest konnte laut DNV „nur Hitachi sowohl Umrichter als auch HGÜ-Leistungsschalter liefern, was die Lieferkette und die Möglichkeiten der Netzplaner zur wettbewerbsfähigen Beschaffung von HGÜ-Leistungsschaltern einschränkt“.

Obwohl also das Preisniveau derzeit marktüblich sein muss, wundert sich der belgische Netzbetreiber, weil er „dies bei anderen laufenden Investitionsprojekten nicht in demselben Ausmaß“ erlebe. Die Notbremse Anfang Februar erfolgte, weil der Lieferant eine Frist bis spätestens Mitte Februar 2025 setzte, um den vorgeschlagenen Vertrag zu vergeben.

Welche Alternativen zur HGÜ-Anbindung gibt es?

„Unsere Analysen zeigen, dass es unter den gegenwärtigen Marktbedingungen auch möglich ist, alternative Konzepte zu entwickeln, die dem Konzept eines Energiezentrums entsprechen und ebenfalls einen positiven Kapitalwert aufweisen“, so Elia laut Mitteilung. Diese Alternativen seien schon in der Vergangenheit in Betracht gezogen worden, der damalige Preispunkt habe aber für HGÜ gesprochen.

Dennoch brächten diese Alternativen, die Elia nicht konkret benennt, Nachteile mit sich. So könnten sich „die ursprünglichen Ziele Belgiens für die Entwicklung seiner eigenen dekarbonisierten Stromerzeugung verzögern. Alternative Szenarien könnten sich auch negativ auf den Abwärtsdruck auf die Strompreise und die Versorgungssicherheit auswirken“, so Elia. Das Unternehmen macht aber auch deutlich: Das gesamte Projekt technisch neu aufzusetzen, würde einen ganzen Rattenschwanz an Konsequenzen nach sich ziehen. Dazu gehören:

Elia schreibt das nicht: aber das kann länger dauern. Die Entscheidung, die Zeichnung der HGÜ-Kontrakte jetzt einfach erst einmal auf bis zu drei Jahre zu verschieben, und dann eventuell doch zu zeichnen, könnte die schnellere Lösung sein.

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