Höhenwindkraftwerke kommen in die Praxis 27. Sep 2024 Von Stephan W. Eder Lesezeit: ca. 4 Minuten

Winddrachen: fliegende Kraftwerke erzeugen Strom effizienter

Strom erzeugen mit Winddrachen – das entwickeln Unternehmen seit Jahren. Auf der Messe Windenergy in Hamburg war zu sehen: Der Sprung in den Markt erfolgt jetzt.

Fliegende Windkraftanlage auf der Windenergy 2024, Hamburg. Aussteller Skysails. Strom erzeugen mit Winddrachen – das entwickeln Unternehmen seit Jahren. Auf der Messe Windenergy in Hamburg war zu sehen: Der Sprung in den Markt erfolgt jetzt.
Foto: Stephan W. Eder

Höhenwindnutzung durch fliegende Windkraftanlagen, das, so Dennis Rendschmidt, Geschäftsführer von VDMA Power Systems, sei aus seiner Sicht „ein Thema, was tatsächlich in der öffentlichen Wahrnehmung weit unterbelichtet ist“. Aber es sei wichtig, auch weil die Höhenwindnutzung „eine komplementäre Lösung sein kann zu den etablierten Technologien“ im Markt, so Rendschmidt. Die Systeme der Unternehmen, die fliegende Windkraftwerke herstellen, unterscheiden sich in den Drachen, die sie nutzen und in den Höhen, in denen sie den Wind ernten können.

Das Prinzip ist aber immer: Die Windkraft lässt den Drachen steigen, der an einem Seil hängt. Der Zug auf dem Seil erzeugt über einen Generator Strom. Ist der Steigvorgang beendet, sinkt der Winddrache wieder schnell ab, die Schnur wird wieder aufgerollt – das verbraucht zwar auch Energie, aber, so Stephan Wrage, Gründer & CEO von Skysails, die dafür aufgewendete Energie betrage nur ein paar Prozent dessen, was beim Aufstieg gewonnen werde. Es gibt auch das prinzipielle Konzept, den Generator onboard, also am Drachen, zu befestigen und den erzeugten Strom dann über das Seil zum Boden zu bringen.

Strom mit Winddrachen: Vielfältige Ansätze bei der Höhenwindnutzung

Während sich die Hamburger Skysails ab 150 m in Höhen bis 600 m traut, avisieren die Konkurrenten von Kitepower (Delft) und Enerkíte (Eberswalde bei Berlin) eher Höhen zwischen 300 m und 400 m an. Dabei wollen all diese Unternehmen von dem enormen Potenzial profitieren, das nachgewiesenermaßen vorhanden ist. Einerseits bei der Windernte, andererseits auf der Kostenseite.

Auf der Produktionsseite würden rund 90 % weniger Material als für eine herkömmliche Windturbine benötigt, so Wrage. Johannes Peschel, Gründer & CEO von Kitepower, merkt an, dass die Winddrachen bei der Lebensdauer von einem Jahr Verbrauchsmaterial seien. Doch die Segel seien einfach transportabel, wie auch Stephan Wrage verdeutlicht. Die Drachen für 120 kW, die derzeit für die Auslieferungen 2025 geplant seien, ließen sich mit zwei Mann tragen. „Wir ersetzen Stahl und Beton durch Software und – stückweise – KI“, so Wrage.

Großes Potenzial für fliegende Windkraftanlagen

In Deutschland gebe es für die traditionelle Windkraft nicht nutzbare Flächen mit einem Leistungspotenzial von bis zu 20 GW insgesamt, die mithilfe fliegender Windkraftanlagen nutzbar seien, hieß es im Rahmen einer Veranstaltung des VDMA auf der Messe Windenergy in Hamburg. Wrage schätzt den möglichen Mehrertrag der fliegenden Windkraftanlagen auf rund 50 % bei jährlich 5000 Volllaststunden. Perspektivisch sieht Wrage daher auch Elektrolyseure zur Wasserstoffgewinnung – z. B. auch im Offshore-Bereich – als mögliches Einsatzgebiet. Skysails Drachen könnten den Wind aus bis zu 600 m noch wesentlich kontinuierlicher ernten als heute offshore ohnehin üblich. „Elektrolyseure brauchen Anlagen, die gleichmäßig Strom liefern“, so Wrage. „Das können wir.“

Wem der Name Skysails bekannt vorkommt – ja, es ist die Technologie, die beim Segelantrieb für Schiffe der Beluga Shipping entwickelt und erfolgreich realisiert wurde. „Wir haben nachweisen können, dass wir wirklich Treibhausgasemissionen haben einsparen können“, so Wrage. Aber damals reichte es nicht – die Wirtschaftskrise infolge des Zusammenbruchs der Lehman Brothers ließ die Ölpreise drastisch sinken, die vorher in der Spitze mal bei über 114 $/bbl gelegen hatten. Ein Wert, der heute noch nicht wieder erreicht worden ist.

Nach dem Crash von Lehman Brothers wurde Öl dauerhaft zu billig, aber es braucht hohe Ölpreise, um den Druck auf die Reeder zu erhalten, sich nach Alternativen zum Schiffsdiesel umzuschauen. Das dauerhaft zu niedrige Preisniveau hat das Beluga-Projekt von Skysails nicht verkraftet, aber auch die Reederei Beluga Shipping nicht. 2016 entscheid man sich mit Skysails als reine Windkrafttechnologie weiterzumachen, wie Wrage erläutert. Inzwischen ist man in der kommerziellen Umsetzung, mit einem 180-m2-Winddrachen, der 120 kW bereitstellen kann. Das Potenzial für diesen Drachen sieht er bei 200 kW, langfristig will man bei Anlagen mit 2,5 MW landen.

Mobile und kostengünstige Energieerzeugung durch fliegende Windkraftanlagen

Johannes Peschel von Kitepower sieht seinen ersten Markt vor allem in mobilen Einsätzen. Das Start-up von der in den Niederlanden renommierten und als Innovationsschmiede bekannten TU Delft sieht den Vorteil darin, dass die Kite-Stationen sehr schnell transportiert und aufgestellt sind. „Das wird dann verbunden mit einer Batterie“, so Peschel. „Das haben wir auch schon erfolgreich getestet mit dem niederländischen Militär und wir sind in Kontakt mit der Nato.“ Gedacht sei hier nicht an Front-, sondern zum Beispiel Versorgungseinheiten. Die würden bisher Dieselaggregate mitführen müssen, die dann über Versorgungskonvois beliefert werden müssen. Ein zusätzlicher Aufwand und ein Risiko. Hier sei eine Windkraftanlage eindeutig im Vorteil, so Peschel. Zudem ist der Strom durch mobile Windkraftanlagen preiswerter. Die Versorgung eines Dieselgenerators liege zwischen 60 Cent/kWh und 100 Cent/kWh, da liege Kitepower schon heute trotz Kleinserie weit drunter. „Unsere Anlagen können überall da eingesetzt werden, wo man Strom braucht, aber wo keiner ist.“

Kitepower arbeitet Peschel zufolge mit mehreren Firmen zusammen, die das System ausprobieren wollen. „Nächstes Jahr machen wir die erste Pilotanlage in verschiedenen Standorten in Europa.“ Die Niederländer starten mit zwei Anlagen, einer kleinen 30-kW-Variante (The Hawk), die bereits verfügbar ist, und perspektivisch („coming soon“) mit der 100-kW-Variante (The Falcon).

Langzeitforschung für die Zukunft der fliegenden Windkraftanlagen

Fliegende Windkraftanlage auf der Windenergy 2024, Hamburg. Aussteller Enerkíte. Foto: Stephan W. Eder

Auch die Brandenburger Firma Enerkíte, die auf der Windenergy ankündigte, demnächst die ersten Anlagen liefern zu können, hat mit der EK100 eine 100-kW-Anlage im Angebot. Der Bestellknopf auf der Website ist aktiviert. Zudem wurde im Sommer weiteres Geld über ein 2,9 Mio. € schweres Forschungsprojekt hereingeholt, in dem eine EK100 einem Langzeittest unterzogen wird. Am Energielabor in Ketzin/Havel will Enerkíte bis 2027 gemeinsam mit e.disnatur, dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), dem Fachgebiet Experimentelle Strömungsmechanik der TU Berlin, dem Institut für Klimaschutz, Energie und Mobilität (IKEM), Bachmann electronic sowie der Invent GmbH die Funktion eines netzgebunden Gesamtsystems im saisonalen Langzeitbetrieb nachweisen.

Auch wenn das Projekt den netzgebundenen Betrieb testet, fokussieren sich alle Anbieter durchaus auf sogenannte Inselanlagen, also Einsatzorte, wo grüner Strom benötigt wird, es einen Netzanschluss aber nicht gibt und ein solcher auch nicht zu erwarten ist. Das globale realistische Potenzial für solche Inselsysteme schätzen Wrage und Peschel auf rund 10.000 Systeme weltweit – genug also, damit die Anbieter dieser Technik erst einmal Erfahrungen mit der Technologie im Feld sammeln könnten. Wobei alle drei Unternehmen keine Start-ups an sich sind. Die Ideen und Konzepte gehen auf Anfang der 1990er und 2000er zurück. Kitepower zum Beispiel hat seinen Ursprung in ersten Forschungen an der TU Delft aus dem Jahr 1993. Enerkíte entwickelte sein Start- und Landesystem 2016, Skysails ist seit 2001 unterwegs.

 

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