Messe EuroShop 2020 20. Feb 2020 von Martin Ciupek Lesezeit: ca. 4 Minuten

Stationärer Handel wird durch digitale Lösungen belebt

Wer nicht Online einkaufen will, trifft auch in Supermärkten und kleineren Läden immer öfter auf digitale Technologien. Das hat gute Gründe und kann den Komfort für die Kunden erhöhen, wie aktuelle Beispiele von der Messe Euroshop diese Woche in Düsseldorf verdeutlichen.

Hartinge zeigt auf der Euroshop eine innovative Lösungen für den Self-Checkout (SCO) im Lebensmitteleinzelhandel, bei dem der Kunde die Ware selbst scannt.
Foto: Harting

Wenn die Fachleute auf der EuroShop in Düsseldorf über das Trendthema Smart Retail Technologie reden, dann meinen sie technische Lösungen, die das Einkaufen erleichtern sollen und Händlern sowie Kunden mehr Flexibilität bieten. Das können kleine Programme in Form von Apps sein, die Hilfe zum Einkauf auf das Smartphone oder Display im Laden bringen oder Kassensysteme, welche den Bezahlvorgang vereinfachen, bis hin zu komplett unbemannten Geschäften, die rund um die Uhr zur Verfügung stehen.

Online- und stationärer Handel vereint

Ein Beispiel dafür ist ein Shop vom Befestigungs-und Montagetechnikspezialisten Würth, der anlässlich der Messe vom wissenschaftlichen Institut des Handels EHI mit einem der begehrten Reta Awards 2020 in der Kategorie „Best Customer Experience“ ausgezeichnet wurde. Zusammen mit dem Einkaufswagenspezialisten Wanzel hat Würth das neuartige Filialkonzept entwickelt, das Handwerkern einen Einkauf rund um die Uhr ermöglicht – zumindest sofern ihnen wie in Vöhringen ein 24-Self-Service zur Verfügung steht. Dabei steht auch der Projektpartner bereits für den Wandel der Branche. Denn innerhalb der vergangenen 80 Jahre hat sich die Wanzl Metallwarenfabrik GmbH aus Leipheim vom Einkaufswagenanbieter zum Systemanbieter für Ladenausstattung und die Vernetzung von stationärem Handel und E-Commerce entwickelt. Das reicht von der Designkonzeption bis hin zur Ausführung der Läden. Der Würth-Shop in Vöhringen ist z. B. so konzipiert, dass er an Werktagen ganz normal von Mitarbeitern betreut wird. Danach erhalten die Kunden über einen QR-Code in der Würth-App Zugang. Dabei wird die Kundennummer automatisch registriert und das Zugriffskontrollsystem öffnet die Tür. Über Infobildschirme erhält der Kunden weitere Informationen und wird somit geführt. An der Kasse sorgt schließlich ein Scannertunnel dafür, dass die Produkte automatisch erfasst und ein paar Tage später in Rechnung gestellt werden können. Warensicherungssysteme überwachen, ob die mitgenommenen Artikel vorher gescannt wurden und verhindern somit Ladendiebstähle.

Aber auch dort, wo noch Menschen an den Kassen bedienen, gibt es Verbesserungspotenzial. So erhielt Netto Markendiscount einen Reta Award in der Kategorie „Best Instore Solution“ für eine Lösung mit unsichtbaren Barcodes, die die Kassierabläufe deutlich beschleunigen sollen. Weil der sogenannte Digimarc-Barcode über die komplette Verpackung gedruckt werden kann ohne das Design zu stören, ist es nicht mehr nötig nach dem bisher an einer Stelle angebrachten Strichcode zu suchen. Das passiert zusätzlich zum vorhandenen Code (GTIN). Mit entsprechenden Scannern werden die Digimarc-Codes daher deutlich schneller erkannt und erfasst als bisherige Barcodes. Laut dem Handelsinstitut EHI sind bereits über 2000 Netto-Eigenmarkenartikelverpackungen mit der Technologie ausgestattet.

Automation im Kassenbereich

Generell bietet der Kassenbereich einiges Automatisierungspotenzial und dabei auch Synergien zur Fabrikautomation. Das gilt sowohl für das Erfassen von Produkten mittels Funktechnologie an der Kasse als auch die Fernüberwachung von Verkaufsautomaten. Sowohl im Automatenbereich als auch der Industrieautomation ist die Firma Harting aus Espelkamp tätig. Der Vorstandsvorsitzende der Harting Technologiegruppe, Philip Harting, sieht hier deutliche Synergien. Über die Vernetzung der Automaten ließen sich beispielsweise zusätzliche Dienstleistungen nach dem Konzept von Industrie 4.0 entwickeln. „Das heißt, dass man einen Hinweis geben kann, wie die Automaten zu befüllen sind, dass sie optimal ausgenutzt werden“, nennt er ein Beispiel. So könne es beispielsweise sinnvoll sein, Zigarettenautomaten nicht gleichmäßig zu füllen, sondern entsprechend des lokal unterschiedlichen Kaufverhaltens. Einen Trend besteht auch darin, Inhalte von Einkaufswagen zu scannen ohne diese aus dem Einkaufswagen rauszuholen. Ansätze dafür gibt es bereits in der Industriellen Logistik, wo ganze Paletten auf diese Weise automatisch erfasst werden.

Auf der EuroShop in Düsseldorf stellte Harting Systems zusammen mit Murata nun eine entsprechende RFID-basierte Kassenlösung vor. Diese kommt ohne Kassiererin aus. Möglich wird das durch Weiterentwicklungen bei der RFID-Technologie. Das Kassensystem erfasst laut Hersteller den Warenkorb mit einem einzigen Scan und sorgt so für eine reibungslose und schnelle Abwicklung des Einkaufsvorgangs. Damit sollen künftig lange Warteschlangen an den Supermarktkassen reduziert werden. Das sieht dann wie folgt aus: Wird die Einkaufstasche bzw. der Einkaufskorb auf den Tresen gestellt, werden direkt alle Produkte gleichzeitig gescannt. Auf dem Kassenmonitor erscheint schließlich eine vollständige Liste der eingekauften Produkte sowie die endgültige Rechnung. Auch das Bezahlen kann damit einfacher werden. Am RFID-Tresen können Kunden laut Harting mit Kreditkarte, per App und – bei entsprechender Ausrüstung des Shops – auch bar bezahlen. Bei der Bezahlung App müsse lediglich der QR-Code des RFID-Tresens eingescannt und die Zahlung per App bestätigt werden, heißt es. Der ganze Vorgang dauere weniger als 30 Sekunden.

Für den Einzelhandel entstehen noch weitere Vorteile. Das beginnt in der Produktion von Eigenmarken der Einzelhändler und reicht über die Lieferkette, die Ladenlogistik bis hin in die Haushalte der Verbraucher. Hier wird die Bestandsführung verbessert, eine dynamische Preisgestaltung ermöglicht und auch der Diebstahlschutz erhöht.

Wandel beim Zigarettenverkauf

Drüber hinaus hat Harting Systems seine Kassentischfamilie und seine kassennahen Tabakwarenautomaten optisch überarbeitet. Gerade beim Verkauf von Zigaretten werden Automaten immer wichtiger. Der Grund sind die gesetzlichen Vorgaben der Europäischen Union, die Einheitsverpackungen vorschreiben, um das Tabakmarketing einzudämmen. Auf den sogenannten Plain-Packages sind Standardschriften vorgeschrieben sowie Warnhinweise und Schockfotos. Weltweit werden Richtlinien und Gesetze hinsichtlich Tabakwaren zunehmend verschärft. Deshalb müssen sich auch die Automatenhersteller mit den jeweiligen Abgabeverordnungen auskennen. „Der Verkauf ist schwierig, wenn alle Packungen nahezu gleich aussehen. Ein Automat ist dabei eine optimale Lösung“, verdeutlicht dazu Peter Weichert, Geschäftsführer von Harting Systems. Am Automaten könne eine alphabetische Anordnung samt Firmenlogo vorgenommen werden, was Kunden den Kauf einer spezifischen Marke erleichtere. Besonders in Ländern, in denen es verboten, ist Tabakwaren offen zu präsentieren, könnten Automaten den Verkaufsnachteil minimieren.

Generell wird der Kassenbereich zunehmend optimiert. Denn nach Unternehmensangaben macht klassische Kassenzone, die ungefähr 1 % der Ladenfläche einnimmt, gut 6 % bis 7 % des Ladenumsatzes. Grund dafür sind Impuls- und Tabakwaren. Märkten ohne Warenangebot im Kassenbereich gehe dieser Umsatz verloren. Das gelte insbesondere für die Self-Checkout-Lösungen, bei denen Kunden ihre Waren selbst scannen und bezahlen.

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