Insolvenzrecht 29. Jun 2020 Von André Weikard Lesezeit: ca. 3 Minuten

Was tun, wenn Kunden oder Lieferanten in die Pleite schlittern?

Die Coronakrise hat bereits einigen prominente Unternehmen den Rest gegeben: Die Restaurantketten Maredo und Vapiano mussten Insolvenz anmelden, auch die Einzelhändler Esprit und Galeria Karstadt Kaufhof ringen um ihre Existenz. Industriepleiten werden folgen. Stephan Molls, Partner der Kanzlei Kümmerlein in Essen, erläutert, wie Unternehmen damit umgehen, wenn Geschäftspartner zahlungsunfähig werden und gibt Ratschläge, wie sich der Schaden für den eigenen Betrieb minimieren lässt.


Foto: PantherMedia/Kiwar

VDI nachrichten: Herr Molls, wenn Ihre Mandanten sich bei Ihnen melden, ist das Kind in den häufigsten Fällen schon in den Brunnen gefallen, sprich: Ein Kunde oder Zulieferer ist pleite. Was ist dann zu tun? 

Stephan Molls, Partner der Kanzlei Kümmrelein in Essen. Foto: Kümmerlein Rechtsanwälte & Notare

Molls: Die erste Frage ist natürlich: Bekomme ich das Geld für bereits gelieferte Ware und erbrachte Dienstleistungen noch? Wer keine Sicherheiten vereinbart hat, Bürgschaften etwa, steht meist schlecht da, wenn der Kunde in die Knie geht. Ihm bleibt nur, seine Forderungen beim Insolvenzverwalter anzumelden. Der sammelt die entsprechenden Anträge in der sogenannten Insolvenztabelle und zahlt, wenn die Forderungen und das verbliebene Vermögen vollständig ermittelt sind.

Auf welche Summen darf der Schuldner hoffen? 

Die Quoten sind meist sehr klein. Häufig liegen sie im einstelligen Prozentbereich. Und selbst diese Beträge kommen oft erst nach mehreren Jahren bei den betroffenen Unternehmen an.

Wovon hängst die Dauer des Insolvenzverfahrens ab? 

In erster Linie natürlich von der Komplexität des Unternehmens. Aber auch davon, wie viele Rechtsstreite der Insolvenzverwalter führen muss, welche Anfechtungsklagen er anstrengt, um sich Geld zurückzuholen. Es kommt durchaus einmal vor, dass wir Geldeingänge von Verfahren registrieren, die 2011, 2012 begonnen haben.

Neben dem Fall, dass Zahlungen ausstehen, gibt es noch den umgekehrten, nämlich, dass Zahlungen bereits erfolgt sind, die der Insolvenzverwalter zurückfordert. Wann hat er dazu die Möglichkeit? 

Die sogenannte Insolvenzanfechtung hat den Zweck, zu verhindern, dass einzelne Gläubiger kurz vor der Pleite noch bedient werden, während andere leer ausgehen. Die Gläubiger sollen gleichmäßig befriedigt werden. Der Insolvenzverwalter wird vor allem die Zahlungen ins Visier nehmen, die unmittelbar vor der Pleite vollzogen wurden. Das betrifft vor allem die letzten drei Monate, bevor der Insolvenzantrag gestellt wurde. Wenn in diesem Zeitraum plötzlich einzelne Forderungen beglichen werden, die womöglich schon seit Jahren ausstanden, deuten Gerichte das als Indiz für eine Unregelmäßigkeit.

Drohen hier auch strafrechtliche Konsequenzen? 

Nur in Ausnahmefällen, etwa wenn man dem Schuldner hilft, Vermögen beiseitezuschaffen. Grundsätzlich dürfen Unternehmer Zahlungen, die ihnen zustehen, auch annehmen. Hier macht es aber einen Unterschied, ob der Lieferant davon weiß, dass sein Kunde vor der Pleite steht oder nicht. Wenn für ihn erkennbar ist, dass sein Geschäftspartner eigentlich längst zahlungsunfähig ist, muss er sich darauf einstellen, das Geld zurückzugeben.

Wie können Unternehmer sich vor solchen Ausfällen schützen? 

Letztendlich kann der Zahlungsausfall nur verhindert werden, wenn Warnsignale frühzeitig erkannt werden. Werden Rechnungen regelmäßig verspätet beglichen, sollten Sicherheiten verlangt, auf Vorkasse umgestellt oder die Geschäftsbeziehungen ganz beendet werden. Wichtig ist, dass die Stellung von Sicherheiten oder die Möglichkeit, Vorkasse zu verlangen, vorher vertraglich vereinbart werden. Im Insolvenzfall ist es von Vorteil, wenn man sogenannte Bargeschäfte mit dem betroffenen Unternehmen abgewickelt hat.

Was bedeutet das? 

Bargeschäfte sind Zahlungen, die in engem zeitlichem Zusammenhang zur Gegenleistung stattfinden. Solche Zahlungsvorgänge sind für den Insolvenzverwalter nur sehr schwer anfechtbar. Wer dagegen ein Zahlungsziel von 30 Tagen oder noch länger vereinbart hat, riskiert, das Bargeschäftsprivileg zu verlieren. Gegebenenfalls können sogar schon kürzere Zahlungsziele schädlich sein. Es ist auch nachteilig, wenn die Bezahlung in einer anderen Form erbracht wird, als es vertraglich vorgesehen ist. So könnte das verschuldete Unternehmen etwa eine Forderung abtreten, statt seine Ausstände direkt zu begleichen. Das ist nicht verboten, erhöht aber das Anfechtungsrisiko.

Wie steht es um bestehende Aufträge – werden die automatisch nichtig, wenn der Auftraggeber Insolvenzantrag stellt? 

Nein. Unternehmen sind weiterhin verpflichtet, in Auftrag gegebene Waren zu liefern. Es gibt Verträge, die für diesen Fall ein Kündigungsrecht vorsehen. Ob diese Klauseln tatsächlich greifen, ist aber fraglich. Grundsätzlich soll der Insolvenzverwalter in der Lage sein, die Geschäfte fortzuführen, wenn er das für sinnvoll hält. Entsprechend kann er entscheiden, ob er auf der Erfüllung des Liefervertrages besteht oder nicht.

Das insolvente Unternehmen muss also weiter beliefert werden, selbst wenn es absehbar nicht in der Lage sein wird, die Ware zu bezahlen? 

Dem Lieferanten kann im Einzelfall ein Leistungsverweigerungsrecht zustehen. Meist ist es aber auch im Interesse des Lieferanten, dass die Ware, die möglicherweise schon produziert ist, auch abgenommen wird. Auch in diesem Fall ist es angebracht, eine Vorkasseregelung zu treffen bzw. die unverzügliche Zahlung für weitere Lieferungen zu vereinbaren. Es ist schon vorgekommen, dass Insolvenzverwalter vor der Verfahrenseröffnung eine Lieferung verlangten, sie auch bezahlten und dann später angefochten haben.

Können geschädigte Unternehmen über die Ausstände hinaus auch Schadenersatzansprüche geltend machen – etwa für Verzögerungen in der Produktion? 

Das ist grundsätzlich möglich, da in aller Regel aber nur ein sehr kleiner Teil dieser Forderungen beglichen wird, sollten Geschädigte sich nicht viel Hoffnung machen, dass sie einen Ausgleich für die Scherereien gezahlt bekommen, die mit der Pleite ihres Lieferanten verbunden war.

Können Waren, die bereits geliefert waren, aber nicht bezahlt wurden, zurückgefordert werden? 

Auch das ist nur möglich, wenn der Insolvenzverwalter den Kaufvertrag nicht durchführen möchte. Falls er das Pleite­unternehmen sanieren möchte und die gelieferte Ware für eine Fortführung der Geschäfte erforderlich ist, kann er die Ware behalten, allerdings muss er sie dann auch voll bezahlen. Gibt der Insolvenzverwalter die Ware hingegen zurück, wird er auch die bereits dafür geleisteten Zahlungen, etwa erste Raten, zurückverlangen.

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