UNTERNEHMENSPORTRÄT 08. Sep 2016 Wolfgang Heumer Lesezeit: ca. 4 Minuten

Im Emsland sind die Molche los

Die Ingenieur-Gruppe Rosen aus Lingen paart Mechanik mit Hightechsensorik. Im Pipelinegeschäft der Öl- und Gasbranche ist sie eine gesetzte Größe.

Der bisher längste Einsatz für einen Molch der Firma Rosen war die zehntägige Inspektion der Ostsee-Gas-pipeline Nord Stream im Sommer 2013.
Foto: Nord Stream

Zwischen 25 kg und 4000 kg schwer und bisweilen einige Meter lang sind sie. Sie schlängeln sich durch Pipelines rund um den Globus. Molche nennt man die Hightechmessgeräte, die die Rosen-Gruppe aus Lingen herstellt und als Inspektionsunternehmen auch selbst einsetzt. Rund 300 000 km des weltweit 4 Mio. km langen Leitungsnetzes werden jährlich geprüft. Wie hoch der Anteil des Familienunternehmens ist, mag das für die strategische Entwicklung zuständige Familienmitglied Patrik Rosen nicht beziffern: „Aber man kann davon ausgehen, dass wir in vielen Bereichen Marktführer sind“, sagt der 52-Jährige.

Rosen-Gruppe

Technologien: Sensorik, Datenverarbeitung, Mechatronik sowie Energieversorgung und -management.
Märkte: technische Dienstleistung, vor allem für das weltweite Pipelinegeschäft.
Umsatz: 430 Mio. € (Dienstleistungen).
Jahresüberschuss: keine Angaben.
Mitarbeiter: über 2300, davon 15 % in Forschung & Entwicklung.

Auch wenn die Öl- und Gasvorräte unter dem Emsland nur noch schwer zu erschließen sind, bezeichnet sich die Heimatstadt der Rosen-Gruppe selbstbewusst als „Lingen Energy Valley“. Das liegt an dem Viereck aus zwei Gaskraftwerken und einem Kernkraftwerk sowie der Erdölraffinerie Emsland, in dessen Schatten der Unternehmensgründer Hermann Rosen aufgewachsen ist. „Ein Vergleich zum Silicon Valley wäre in unserem Fall vielleicht besser“, meint sein Cousin Patrik Rosen.

„Unsere Fertigungstiefe liegt bei ungefähr 85 %.“ Patrik Rosen, Rosen-Gruppe. Foto: Rosen

Das Unternehmen mit mehr als 2800 Beschäftigten an gut 25 Standorten weltweit entstand Anfang der 1970er-Jahre über einer Garage in einem der Lingener Wohngebiete. Der Unternehmensgründer hat Mess- und Regeltechnik studiert. Nach der Ausbildung beginnt er im „Ingenieurbüro Hermann Rosen“ zu experimentieren; zunächst plant das Büro die Elektroinstallationen großer Immobilien in der Region, dann entwickelt Rosen mit einem wachsenden Team Messgeräte für die Öl- und Gasindustrie. Schließlich erkennt er „schnell die wachsende Nachfrage und die technologische Herausforderung von Dienstleistungen für die Öl- und Gasindustrie“, heißt es in der Rosen-Selbstdarstellung.

Ende der 1980er-Jahre entstand das heutige Unternehmensgelände – damals waren es ein paar Holzhütten, heute ist es ein rund 20 ha großes Areal. „Wir expandieren, wir brauchen Platz“, sagt Patrik Rosen, dessen Karriere 1978 mit einem Praktikum im Ingenieurbüro seines Cousins Hermann begann und über Stationen bei anderen Großunternehmen wieder zurück und in die Verantwortung für „Global Strategy“ führte.

Im Fokus der Rosen-Gruppe am Standort Lingen stehen Mess- und Kontrollinstrumente für die Inspektion von Öl- oder Gaspipelines, von Rohrsystemen beispielsweise in der Chemieindustrie sowie Tankanlagen. Mithilfe von konventionellem und elektromagnetisch induziertem Ultraschall, Wirbelstrom oder magnetischen Streuflussverfahren suchen die Instrumente nach Kratzern, Verformungen, Rost, beschädigten Schweißnähten, Rissen oder nach sich ablösenden Beschichtungen sowie nach Beschädigungen, die von außen verursacht wurden.

Selbst Risse, die mit dem bloßen Auge nicht erkennbar sind, werden von den Molchen aufgespürt. Abrieb an den Rohrwandungen registrieren die Sensoren bei Abweichungen von 2 % der Wandstärke, Beulen werden erfasst, wenn sie in Relation zur Wandstärke mindestens 10 % hervorstehen oder eingedrückt sind.

Die Messtechnik muss einiges aushalten. Die Sensoren werden mit sogenannten Inline-Inspection-Tools – den Molchen – durch die Pipeline geleitet. Sie werden an eigens eingerichteten Schleusen in die Leitungen eingesetzt, schwimmen dann im Öl- oder Gasstrom zum Ausschleusepunkt und sammeln auf dem Weg dahin die notwendigen Daten. Dabei müssen sie Druck, Schläge und Vibration ebenso ertragen wie hohe Temperaturen – und einen langen Atem haben.

„Unser längster Einsatz – der Weltrekord der längsten jemals inspizierten Rohrleitung – war die Inspektion der Nord-Stream-Pipeline von Russland nach Deutschland“, berichtet Patrik Rosen (s. VDI nachrichten 27/2014). 1224 km und zehn Tage lang war der Molch unterwegs; die Herausforderung steckte auch in den unterschiedlichen Druckverhältnissen im Verlauf der Strecke: „Beim Einspeisen in Russland herrschten 220 bar, am deutschen Ende der Pipeline in Lubmin waren es nur noch 110 bar“, so Rosen.

Rosen entwickelt und produziert die Sensoren, die Datenspeicher, die Batterien, alle mechanischen Bauteile aus Metall und Kunststoff im eigenen Haus. „Unsere Fertigungstiefe liegt bei ungefähr 85 %“, betont Patrik Rosen. Das soll nicht nur die Qualität sichern, sondern schützt das Unternehmen vor Nachahmern. Auch den Einsatz der Geräte nehmen zumeist Rosen-Techniker vor. Bei der Auswertung der gesammelten Daten kann der Kunde wählen, ob er komplette Ergebnisse haben oder die Auswertung selbst vornehmen möchte.

Die eigentliche Kompetenz des Unternehmens scheint im Gespür für neue und zusätzliche Anwendungsmöglichkeiten zu liegen. Rosen rechnet damit, dass die Förderung von Öl und Gas begrenzt ist und sucht deswegen neue Nutzungen des Know-how. „Anfang der 2000er-Jahre mussten wir eine Grundsatzentscheidung fällen“, erinnert sich Rosen. „Bleiben wir eine Inspektionsfirma oder bewegen wir uns mit unserem Wissen auf neue Felder?“

Die Antwort ist eine Reihe neuer Firmen und Anwendungen innerhalb der Rosen-Gruppe, die das Kernwissen für neue Produkte und Dienstleistungen nutzen. Die Bandbreite reicht dabei von Rohrbeschichtungen aus Kunststoff bis zu Multiphasen-Durchflussmessgeräten für die chemische Industrie und in Kraftwerken.

Ein weiteres Zukunftsfeld sind Softwarelösungen und Datendienstleistungen sowie Forschungs- und Entwicklungsarbeiten für die Industrie. „Wir schauen uns das an, was wir wirklich gut können, und fragen uns dann, was wir damit noch unternehmen können“, so Patrik Rosen.

Auch wenn Hermann Rosen mit der Unternehmenszentrale mittlerweile in die Schweiz gezogen ist, schlägt das Herz der Gruppe im Emsland. Dort arbeiten Fachkräfte aus mehr als über 25 Nationen; viele kommen aus den Niederlassungen in aller Welt. Damit sie ihre Familien mitbringen können, schuf das Unternehmen einen bilingualen Kindergarten und eine bilinguale Grundschule. Die regionale Politik beobachtete das zunächst skeptisch; sie fürchtete, in der eigenen Kindergarten- und Schulentwicklung unter Druck zu geraten. Offenbar blieben solche Effekte aus; beide Einrichtungen stehen auch Kindern aus Lingen offen, deren Eltern nicht in der Gruppe arbeiten. Das Unternehmen denkt da nicht ganz uneigennützig: „Wenn wir hier direkt am Standort Fachkräfte gewinnen wollen, müssen wir rechtzeitig investieren“, sagt Patrik Rosen.

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