Bahn 19. Sep 2014 Thomas Rietig Lesezeit: ca. 4 Minuten

In der Halle wird nicht mehr gedieselt

Die Werkeisenbahn von Volkswagen in Wolfsburg betreibt den größten privaten Verladebahnhof in Europa. Sie zeichnet sich auch durch den Einsatz innovativer Technologien aus. Dazu gehören Hybridlokomotiven und ein elektronisches Stellwerk.

Ist die Zukunft der Züge der Hybrid?
Foto: panthermedia.net/valio84sl

Das Rolltor öffnet sich. Der Zug fährt ein. Nicht ganz lautlos, aber immerhin ohne Dieselbrummen und ohne Emissionen schiebt Lok Nummer 9 Güterwagen mit Stahlcoils in die Halle. Sie werden hier im Werk Wolfsburg des Volkswagen-Konzerns zu Karosserieteilen für den Golf geformt. Das Presswerk selbst lärmt dabei deutlich mehr als der Zug.

Das Wolfsburger VW-Werk
Huckepack: VW ist bestrebt das meiste Transportaufkommen per Bahn zu bewältigen. Foto:

Das Volkswagenwerk in Wolfsburg ist die Keimzelle des weltumspannenden Autokonzerns. Nach Unternehmensangaben ist es die größte zusammenhängende Autoproduktionsstätte der Welt.

Rund 4000 Autos verlassen hier täglich die Fließbänder.

Das Werk wurde 1938 als Produktionsstätte des von den Nationalsozialisten geplanten „KdF- Wagens“ von Adolf Hitler eingeweiht, um ein Auto für das Volk nach einem Entwurf von Ferdinand Porsche zu produzieren. Zunächst stellte es Kriegsgeräte her.

Nach Kriegsende standen jedoch bald zivile Modelle im Fokus. Von 1945 bis 1974 wurden hier 11,9 Mio. VW-Käfer gebaut. Seitdem dominiert der Golf die Produktion.

Das hat Gründe. Technische Gründe: Lok Nummer 9 ist eine Hybridlokomotive. Einer von zwei vierachsigen Prototypen, die hier auf der Werkeisenbahn verkehren und auf der kommende Woche in Berlin beginnenden Transporttechnikmesse Innotrans vorgestellt werden. „Draußen“ fahren sie meist mit Diesel, aber wenn es in die Hallen geht, wird auf Batteriebetrieb umgeschaltet. Noch in diesem Jahr sollen drei Serienexemplare der kleineren dreiachsigen „H3“ von Alstom in Wolfsburg eintreffen, berichtet Jörg von Steimker, der im Werk Wolfsburg für die Werkeisenbahn zuständig ist. Auch bei der Deutschen Bahn in Nürnberg sollen sie ab 2015 neue Umweltstandards setzen.

Der Hersteller Alstom bietet die Rangierlok in verschiedenen Varianten an: Die H3 ist mit einem 350 kW-Dieselgenerator und einer Batterie ausgestattet. Beide können die drei elektrischen Fahrmotoren an den Achsen antreiben. Unter Teillast, was gerade im Rangierbetrieb häufig vorkommt, fährt die Lok allein mit der Batterie. Bei Dieselbetrieb kann der Generator die Batterie aufladen. Nach Angaben von Alstom spart die Lokomotive in dieser Variante 30 % bis 50 % Diesel gegenüber herkömmlichen 700-kW-Rangierloks. Als Höchstgeschwindigkeit wird 100 km/h angegeben. Gebaut werden die Lokomotiven im Alstom-Werk Stendal. Alstom bietet auch reine Batterie- und Dieselvarianten an.

Schon bei den jetzigen, vierachsigen Hybridlokprototypen, die für die Aufgaben im VW-Werk eigentlich zu groß sind, spart der Autobauer 60 % Energie im Vergleich zu den vorher benutzten dieselhydraulischen Loks. Mit den H3-Loks soll es noch besser werden. Das Werk kommt damit seinem Ziel näher, bis 2018 den Ausstoß von Emissionen und Abfällen um jeweils 25 % gegenüber den Werten von 2010 zu senken. Transporte vom und zum Autowerk mit der Bahn zu erledigen, gehörte von Anfang an zum Konzept des Volkswagenwerks. Gleichwohl schwankte der Anteil der Bahntransporte. Noch vor einigen Jahren lag der Anteil der per Bahn versendeten Neufahrzeuge bei 51 %. „Jetzt steuern wir auf die 70 % zu“, berichtet Christoph Hartmann, Leiter Logistik Services des Werkes.

Das liegt nicht nur am gestiegenen Umweltbewusstsein, sondern auch an der Globalisierung: Transporte mit Seeschifffahrtsanteil bieten sich für einen Bahntransport wegen der großen Mengen an. Umgekehrt kommen auch Autos per Werkeisenbahn nach Wolfsburg: Neben in Mexiko produzierten Fahrzeugen wie dem New Beetle absolvieren auch Autos aus dem VW-Werk in Portugal (Sharan, Scirocco, Eos) den Weg mit Seeschiff und Bahn. Diese Autos werden dann in der Wolfsburger Autostadt an die Käufer ausgeliefert.

Volkswagen betreibt hier den nach eigenen Angaben größten privaten Verladebahnhof Europas: Rund 60 km lang ist das Netz, 157 Weichen werden gestellt und 19 Be- und Entladestellen bedient. Die Anlage ist zweigleisig an den Bahnhof Fallersleben angebunden. Vier von sieben Lokomotiven sind pro Schicht unterwegs, um Teile und Autos an- und abzutransportieren. Das geht von Felgen, die nach China versandt werden, bis hin zu ausschließlich mit Golf-Modellen beladenen Zügen, die zum Export der Autos nach Emden fahren. Ins Werk hinein transportiert wird z. B. Stahl. „750 kg Stahl sind durchschnittlich in einem Auto verbaut“, sagt Hartmann. Bei bis zu 3800 produzierten Fahrzeugen am Tag kommt da einiges zusammen.

Neben Stahl gelangen auch Fahrzeugteile von Zulieferern per Bahn ins Werk

Die Autos selbst machen etwa 40 % der Bahnladung aus. Die Zeiten, in denen die fertigen Fahrzeuge zur Beladung von raubeinigen Fahrern mit Karacho über den ganzen Zug gefahren wurden, sind allerdings so gut wie vorbei. „Strangverladung“ heißt das im Jargon der Bahnlogistiker. „Sie fahren zwar nicht mit 60 km/h auf die Züge, aber es hört sich so an“, sagt Hartmann. Das Problem dabei: Waren Wagen und Fahrer am vorderen Ende des Zuges angekommen, mussten die Fahrer umständlich wieder an die Verladestelle zurückbefördert werden. Heute verkürzt eine Schiebebühne in Halle 40 den Rückweg: Die Autos werden von der Rampe auf nur einen Waggon gefahren. Diesen bewegt dann eine Schiebebühne zum Richtungsgleis.

Viel Rangierarbeit:Im VW-Stammwerk in Wolfsburg rollen täglich bis zu 3800 Fahrzeuge vom Band. Viele von ihnen werden per Bahn transportiert. Leisen, sauberen und sparsamen Betrieb versprechen dabei die Hybridrangierlokomotiven von Alstom, die testweise im Einsatz sind. Foto: T. Rietig

Neben Stahl und Kohle erreichen auch Fahrzeugteile von Zulieferern das Werk per Bahn. Je nachdem, woher sie kommen, haben sie verschiedene Transportmittel hinter sich: Getriebe aus Spanien werden bis zur französischen Grenze mit dem Lkw gefahren. Dort werden die Auflieger auf die Bahn umgeladen. Von Bettembourg in Luxemburg kommen sie mit einer besonders fortschrittlichen Beförderungsmethode nach Wolfsburg: dem CargoBeamer. Eine Pilotanlage dieses Systems steht im Werk Wolfsburg. Es ermöglicht das schnelle Be- und Entladen nicht kranbarer Sattelauflieger mit Hilfe von Stahlwannen, in die die Auflieger gefahren werden (s. Ausgabe 31/2014) Nicht kranbare Auflieger sind leichter und preisgünstiger als kranbare und sie haben eine größere Ladehöhe, was den im Autobau verwendeten Gefäßgrößen entgegenkommt.

Die Wege der Schienenfahrzeuge schaltet und sichert seit April das vollelektronische Stellwerk West. Dieses Stellwerk, bis vor kurzem mit der Relaistechnik der 1950er Jahre ausgestattet, arbeitet jetzt vollelektronisch. Es stellt mehr als 100 Weichen und ist damit eines der größten in Deutschland. Blau leuchten die eingestellten Fahrstraßen dem Lokführer entgegen. „Sie können sowohl vom Stellwerk als auch per Taster von Hand oder von einem Schaltschrank aus eingestellt werden“, so Steimker.

81 Menschen arbeiten für die Werkeisenbahn in Wolfsburg. Immer zwei bilden eine Rangiereinheit. „Wir bilden sie selbst aus“, sagt Bahnleiterin Kristina Kiess. Wer sich für den Job interessiert, muss etwa neun Monate Ausbildung zum Rangierführer durchlaufen. Weitere zwei Jahre später darf er die Loks fahren. „Dann kann er alles machen“, sagt sie. „Die Jobs sind sehr beliebt. Die Fluktuation ist sehr niedrig.“ Loks steuern und Waggons rangieren verliert also sogar im großen Autowerk nichts von seiner Faszination.

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