100 Jahre VDI nachrichten 18. Jan 2021 Von Stephan W. Eder Lesezeit: ca. 6 Minuten

Fukushima – Tagebuch der Katastrophe im Kernkraftwerk

Berichterstattung im Netz wurde täglich aktualisiert

Bild: VDI nachrichten

Am 11. März 2011, einem Freitag, bebte vor der japanischen Küste die Erde. In der Folge raste ein Tsunami über die Provinz Fukushima und beschädigte das Kernkraftwerk Daiichi schwer. In den folgenden Tagen überschlugen sich die Ereignisse. In der Ausgabe vom 18. März 2011, für die freitags erscheinenden VDI nachrichten die nächste erreichbare Ausgabe, berichteten wir ausführlich über die Naturkatastrophe im fernen Japan. Auf unserer Webseite fassten wir laufend täglich die Berichte zusammen, wie die Verantwortlichen versuchten, die Reaktoren wieder in den Griff zu bekommen. Hier einige Ausschnitte aus der bis zu zweimal pro Tag aktualisierten Online-Berichterstattung.

Fukushima-Störfall hochgestuft

Freitag, 18. März 2011, 20:00 Uhr: Derzeit wird in Japan alles daran gesetzt, einen Super-GAU durch die Kühlung der Reaktoren noch zu verhindern, berichten Nachrichtenagenturen. Die japanische Nuklearbehörde stufte den Störfall der Reaktoren eins, zwei und drei heute morgen auf die Kategorie fünf hoch – die gleiche Kategorie wie der schwere Störfall im KKW Three Mile Island 1979 in den USA bei Harrisburg. In Tschernobyl war die höchste Stufe sieben erreicht worden.

Die Ankündigung, das gesamte Kraftwerk möglicherweise unter einem Sarg aus Sand und Beton zu begraben, könnte ein Hinweis darauf sein, dass die Betreiberfirma Tepco ein Scheitern aller Rettungsversuche in Betracht zieht.

Doch auch ein Sarkophag wäre keine saubere Lösung, sondern könnte einen Teil des Landes für Jahrzehnte als radioaktiv verseuchte Brache zurücklassen, so die Agentur Reuters. Außerdem ist der Reaktor derzeit noch so heiß, dass aus Sand theoretisch Glas werden könnte und auch die Aufschüttung einer stabilen Betonhülle die nächsten Wochen oder gar Monate scheitern würde.

Der Strom zu den Unglücksreaktoren eins und zwei und vielleicht vier könnte bis Samstag wieder fließen, erklärte die Atomaufsicht. Einen Tag später könnte auch der Reaktor drei wieder mit Elektrizität versorgt sein.

Unterdessen meldete die Nachrichtenagentur AP, das die aus Fukushima ausgetretene radioaktive Strahlung die Westküste der USA erreicht hat. Dass teilte ein Diplomat mit Zugang zu Messwerten der Vereinten Nationen am Freitag der Nachrichtenagentur AP mit. Die Werte seien jedoch minimal und stellten keine gesundheitliche Gefahr für den Menschen dar. Die in Kalifornien festgestellte Strahlung liege „etwa um das milliardenfache unterhalb dessen, was als bedrohlich eingestuft werde“, sagte der Diplomat.

Rettungsarbeiten in Fukushima erweisen sich als zäh

Samstag 19. März 2011, 10:30 Uhr: Der Anschluss der von einer Kernschmelze bedrohten Reaktorblöcke im KKW Fukushima Daiichi konfrontiert die Techniker mit großen Problemen, berichtet die Nachrichtenagentur dapd. Das neue Stromkabel hat die Anlage zwar erreicht. Die vielen von Erdbeben und Tsunami verwüsteten elektrischen Installationen müssten aber akribisch auf Risiken wie einer von Funkenflug verursachten Explosion geprüft werden, bevor der Strom fließen könne, teilte ein Sprecher der japanischen Atomaufsichtsbehörde, Hidehiko Nishiyama, am Samstag mit.

„Die meisten Motoren, Schaltpulte und Schaltschränke sind vom Tsunami überspült worden und können nicht verwendet werden“, sagte Nishiyama. Sprecher des Kraftwerkbetreibers Tepco hofften dennoch, vier der sechs Blöcke im Laufe des Samstags mit dem Kabel ans Stromnetz anschließen zu können. Tepco-Sprecher Teruaki Kobayashi sagte: „Es könnten Funken fliegen, ich kann ein Risiko nicht leugnen.“

Aber selbst, wenn der Anschluss ohne Funken und andere Probleme gelingen sollte, war nicht absehbar, ob die ebenfalls vom Tsunami getroffenen Kühlsysteme wieder anspringen. Die Atomtechniker in der von Erdbeben, Tsunami und Explosionen verwüsteten Anlage stehen unvermindert zwei Herausforderungen gegenüber: die Reaktorkerne und die Abklingbecken zu kühlen, um eine Kernschmelze zu verhindern. Eine Dampfwolke über Reaktorblock 3 signalisierte, dass der Kampf noch längst immer nicht entschieden war.

Die Lage vor Ort ist für die Feuerwehrleute und Techniker weiterhin riskant. Gestern Abend japanischer Zeit hat nach Berichten des Japan Atomic Industrial Forum offenbar in Reaktorblock eine Wasserstoffverpuffung stattgefunden. Hieß es noch um 16 Uhr, Wasserstoff habe sich oberhalb des Abklingbeckens gesammelt, gab der Statusbericht um 22 Uhr Ortszeit an, der Wasserstoff sei explodiert.

Die bisher unbeschädigten Reaktorblöcke 5 und 6 sind unterdessen besser mit Strom versorgt. Beide waren bisher an nur einem Notstromdieselaggregat angeschlossen, jetzt sind es zwei. Auch scheint in Block fünf die Pumpe für die Restwärmeabfuhr wieder zu arbeiten.

Japan: Radioaktive Lebensmittel entdeckt

Samstag 19. März 2011, 22:30 Uhr: In Fukushima kämpften Techniker, Feuerwehrleute und Soldaten weiter gegen die nukleare Katastrophe. Mit allen Mitteln versuchen sie, die Reaktoren zu kühlen, um Kernschmelzen zu verhindern. Nach Angaben im Status-Abendreport (22 Uhr 00 japanischer Zeit) des Japan Atomic Industrial Forum (JAIF) sinkt außerdem im nicht geschädigten Reaktorblock 5 die Temperatur im Brennelementebecken.

Weiterhin wurde auch fieberhaft daran gearbeitet, die Anlage wieder ans Stromnetz anzuschließen. Am weitesten scheinen die Arbeiten am Reaktorblock zwei. Dort wurde eine externe Stromversorgung über einen Reservenetztransformator hergestellt. Heute sollten Kabel zu einer Behelfsschaltanlage gelegt werden. Doch auch wenn die Anlage wieder am Strom ist, ist nicht sicher, ob die Kühlung auch funktionieren wird. Die Betreiberfirma hofft dennoch, das Kühlsystem am (morgigen) Sonntag wieder zum Laufen zu bringen.

Japan erwägt nach Angaben der IAEA, den Verkauf von Lebensmittelprodukten aus der Präfektur Fukushima zu stoppen. Begründet wurde die Maßnahme mit radioaktiven Jod in Spinat und Milch aus der Region. Im Trinkwasser von Tokio sind nach Angaben der Regierung geringe Mengen von radioaktivem Jod nachgewiesen worden. Die Radioaktivität sei mit 1,5 Bq/kg gemessen worden, verglichen mit einem zulässigen Höchstwert von 300 Bq/kg für Lebensmittel.

Acht Tage nach dem Erdbeben und dem verheerenden Tsunami in Japan liegt mittlerweile die Zahl der Toten bei mehr als 7.600, vermisst werden noch mehr als 11.000 Menschen, 452.000 leben in Notunterkünften.

Fortschritte im Kampf gegen GAU

Sonntag, 20. März 2011, 12 Uhr: Die japanische Regierung spricht von Fortschritten im Kampf gegen einen GAU am Reaktorblock 3 des KKW Fukushima Daiichi. „Wir erwarten mehr oder weniger nichts Schlimmeres zu erleben als jetzt“, sagte Hidehiko Nishiyama von der japanischen Atomaufsichtsbehörde NISA. Regierungssprecher Yukio Edano berichtete, die Lage in den Reaktorblöcken 1, 2 und 3 habe sich stabilisiert.

Nach Angaben des Japan Atomic Industrial Forum (JAIF) sei bestätigt worden, dass die Kühlung durch die 13-stündige äußere Bewässerung seitens der Feuerwehr „gewisse Effekte“ erreicht habe. Seit dem Sonntag Morgen werde außerdem versucht das Abklingbecken im Reaktorblock 3 wieder zu füllen.

In den Morgenstunden wurde auch versucht mit Hilfe von 11 Feuerlöschfahrzeugen das Abklingbecken im Reaktorblock 4 mit 80 t Wasser aufzufüllen. Die Operation werde sich bis in den Nachmittag hinein fortsetzen, so das JAIF. Ob die Rettungstrupps wie erhofft an Block 4 auch eine Notstromversorgung anschließen konnten, ist noch nicht bekannt.

Dennoch scheint die Lage weiterhin prekär: So meldete Reuters um die Mittagszeit japanischer Zeit, es gebe wieder einen Druckanstieg im Block 3,. Dies habe Hidehiko Nishiyama von der japanischen Nuklearsicherheitsbehörde mitteilte. Möglicherweise hätten die Bemühungen, den Reaktor mit Wasser zu kühlen, nichts bewirkt. Zur Druckentlastung werde etwas Gas abgelassen werden müssen, so dass die Strahlungswerte um die Anlage wieder steigen würden, sagte Nishiyama. Dadurch könnten sich auch die Arbeiten zur Wiederherstellung der Stromversorgung verzögern.

In Japan steigt die Hoffnung auf einen glimpflichen Ausgang

Sonntag 20. März 2011, 22:00 Uhr: Den 300 Ingenieuren in der Gefahrenzone des havarierten KKW Fukushima Daiichi gelang es am Sonntag, den Reaktorblock 2 wieder ans Stromnetz anzuschließen. Gleichzeitig begannen Rettungskräfte damit, Meerwasser in das Abklingbecken des Reaktors zu pumpen. Das meldet die Nachrichtenagentur Kyodo.

Damit sind vier der sechs Blöcke wieder mit Elektrizität versorgt, berichtet die Nachrichtenagentur Reuters. Zwar blieb zunächst unklar, ob alle Maschinen und Pumpen in dem durch Erdbeben, Tsunami und Explosionen beschädigten Kraftwerk überhaupt noch funktionieren. Die Betreiber hofften jedoch, am Montag oder Dienstag die Wende erzielen zu können.

Die Lage in Reaktor 3, in dem plutoniumhaltige Mischoxid-Brennelemente im Einsatz waren, schien sich nach stundenlanger Kühlung mit Hunderten Tonnen Wasser durch Löschzüge der Feuerwehr ebenfalls zu stabilisieren. Nach Angaben der Nuclear and Industrial Safety Agency (NISA) stieg der Containment-Druck am 20.03.2011 auf 320 kPa. Zuerst wurde davor gewarnt, es könnte nötig sein, zu Entspannung Dampf in die Umgebung abzulassen. Es wurden erfolgreich Maßnahmen zur Verringerung des Drucks ergriffen. Ein erneutes Venting erwies sich als nicht erforderlich, so die Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit in Köln (GRS).

Anfang der Woche soll dann Reaktor 4 in Angriff genommen werden. Seit Sonntag morgen wurden dort insgesamt rund 160 t Meerwasser in das Brennelemente-Lagerbecken eingesprüht. Sollte die Lage auch dort stabilisiert werden können, wäre dies der Wendepunkt in dem Kampf gegen einen drohenden Super-GAU. Nach Angaben des Fukushima-Betreibers Tepco, so berichtet die Tagesschau, werde es noch Tage dauern, bis auch die Reaktorblöcke 3 und 4 wieder mit Strom versorgt werden können.

Wenn sich die Lage in den Blöcken 3 und 4 so nicht stabilisieren ließe, müssten radikalere Maßnahmen wie der Bau eines Betonsarkophags wie nach dem Tschernobyl-Unfall 1986 erwogen werden.

Wieder heftige Beben in Japan

Freitag 8. April 2011, 9:15 Uhr: Knapp vier Wochen nach dem schweren Erdbeben vom 11. März ist das Katastrophengebiet im Norden Japans am Donnerstag erneut von heftigen Erdstößen erschüttert worden. Das Beben habe eine Stärke von 7,4 auf der Richterskala erreicht, meldete die japanische Meteorologie-Behörde. Noch in der mehr als 250 Kilometer entfernten Hauptstadt Tokio kamen Gebäude ins Wanken. Für die Nordostküste Japans wurde eine Tsunami-Warnung ausgegeben, später aber wieder aufgehoben.

Die Erde bebte kurz vor Mitternacht Ortszeit. Es handelte sich den japanischen Behörden zufolge um das bisher schwerste Nachbeben nach den verheerenden Erdstößen vom März. Damals waren rund 28.000 Menschen getötet worden bzw. werden noch immer vermisst. Ein Reuters-Fotograf berichtete aus Oshu, nahe dem Epizentrum des jüngsten Bebens, von weitreichenden Stromausfällen. Auch in seinem Hotel gebe es keine Elektrizität, und ein Wasserrohr sei geborsten.

Fachleute hatten in den vergangenen Tagen mehrfach davor gewarnt, dass ein starkes Beben die ohnehin instabile Lage in den Unglücksreaktoren weiter verschärfen könnte. Der japanischen Atomaufsicht NISA lagen bis etwa 45 Minuten nach dem Beben allerdings keine Informationen über „Anomalien“ in den schwer havarierten Reaktoren in Fukushima-Daiichi vor. Die Mitarbeiter seien allerdings evakuiert worden, sie hätten sich in spezielle Schutzräume zurückgezogen.

Mit Materialien der Agenturen dapd und Reuters

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