SERIE EXPATRIATES 08. Jul 2019 Marius Leweke Lesezeit: ca. 4 Minuten

„In China ist man schneller und agiler“

Zehntausende deutsche Ingenieure sind für ihre heimischen Firmen oft viele Monate oder Jahre im Ausland tätig. Ein Beispiel ist die Münchner Ingenieurin Christine Stolz. Für den TÜV Süd arbeitet sie seit 15 Monaten in der chinesischen Metropole Shanghai – ein Porträt.

Expat Christine Stolz vor der Skyline von Schanghai: Die 30-jährige Wirtschaftsingenieurin ist für den TÜV Süd in der Product Service Division für den Bereich Transportation verantwortlich.
Foto: TÜV Süd

„Hier wartet man nicht, man tut.“ Das gefällt Christine Stolz an China. Sie ist beeindruckt, „wie schnell sich Dinge bewegen lassen“, wenn sie Kunden und Kollegen von einem Projekt überzeugt hat. „Man ist hier schneller und agiler.“ Die 30-jährige Wirtschaftsingenieurin zeigt auf die Skyline ihres Standortes Shanghai mit seinen Wolkenkratzern, die im Blickfeld der China-Zentrale des TÜV Süd liegen. „Die Bauten in dieser Stadt sind das beste Beispiel.“

Expats in China: Mehr Gehalt, niedrigere Steuern

– Für Ingenieure ist in China die Konkurrenz groß: 440 000 Absolventen eines Ingenieur-Studiengangs verlassen jährlich die Hochschulen.

– Wer sich für einen Job in China interessiert, sollte sich von einem internationalen Unternehmen entsenden lassen. Einheimische Ingenieure verdienen nämlich im Schnitt 60 % weniger als ihre ausländischen Kollegen.

– Außerdem zahlen internationale Firmen in der Regel zahlreiche Extras. Üblich sind die steuerfreie Übernahme von Umzugskosten, Miete innerhalb meist großzügig festgelegter Budgets, Heimflüge, Zuschuss zur Krankenversicherung und Schulgeld für mitgereiste Kinder. Oft wird ein Dienstwagen mit Fahrer gestellt, da der internationale Führerschein in China nicht gilt.

– Zwischen China und Deutschland besteht ein Doppelbesteuerungsabkommen. Die chinesischen Einkünfte unterliegen damit dem meist niedrigeren chinesischen Steuersatz.

– Die Lebenshaltungskosten sind in China niedrig, wenn man berücksichtigt, dass der Arbeitgeber Kosten für Wohnen, Schule und Transport bezuschusst. Teurer als in Deutschland sind allerdings speziell für Ausländer hergestellte Produkte wie Käse oder Brot.   ml

Christine Stolz arbeitet beim TÜV Süd und ist in der Product Service Division für den Bereich Transportation verantwortlich – und zwar nicht nur für China, sondern „in einer Doppelrolle“ für die ganze Welt. „Wir bieten Prüfdienstleistungen für das komplette Transportwesen an, also Automotive, Aviation, Rail und Schifffahrt.“

Nach ihrem Abschluss an der FH Landshut war Christine Stolz drei Jahre als Vorstandsassistentin beim TÜV Süd tätig. Der Wechsel ins Ausland war für sie ein „logischer Schritt“. Dass es dann Shanghai wurde, auch. „Ich war für vieles offen“, sagt sie. „Aber China als größter Automobilmarkt der Welt bietet sich an.“

Der „Kulturschock“ blieb dabei aus. „Ich war ja schon vorher einige Male hier und wusste, was mich erwartet – zumindest fast.“ Denn auf einige Besonderheiten am Leben in Shanghai „kann man sich nicht vorbereiten, die muss man erleben“. Etwa die Menschenmassen, die in Straßen und Bahnen täglich unterwegs sind. „Anfangs bin ich morgens nicht in die U-Bahn gekommen.“ Das passiert ihr jetzt nicht mehr. „Man passt sich an und schwimmt in der Menschenmasse einfach mit.“

Erleichtert hat ihr das Einleben in der neuen Umgebung, dass sie ihren kompletten Hausstand mitgenommen hat. „Mir geht es besser, wenn ich meine eigenen Sachen dabei habe und nicht mit fremden Dingen in einer fremden Wohnung lebe.“ Das wären dann „irgendwann zu viele neue Reize“.

Auch der Arbeitgeber hat Christine Stolz auf den neuen Ort vorbereitet. „Das Kulturtraining war sehr hilfreich“, sagt sie. Auch dass Organisatorisches, wie Steuer- und Versicherungsfragen, im Vorfeld geklärt wurden, habe den Einstieg in die fernöstliche Lebens- und Arbeitswelt erleichtert.

Zumal der Sprung nach China nicht nur im privaten Umfeld große Veränderungen mit sich gebracht hat. „Management funktioniert hier anders.“ Wenn man in Deutschland beispielsweise als Leiter einem Team eine Aufgabe gebe, werde die gemeinsam gelöst. In China werde dagegen erwartet, dass der Chef die Lösung kennt und dem Team Arbeitspakete mit konkreten Aufgaben gibt.

„Es war am Anfang auch nicht immer einfach, die Körpersprache zu lesen“, so Stolz weiter. Besonders, weil ein direktes Ja oder Nein als ungeschickt gilt. Immerhin: „Ich habe inzwischen gelernt, strittige Themen zurückhaltender und diplomatischer anzugehen.“ Das sieht sie als wertvolle Erfahrung.

Zumal beim TÜV Süd in China von den 2500 Mitarbeitern weniger als 50 aus Deutschland kommen. Dass die Umgangssprache im Betrieb Englisch ist, ist kein Problem für Stolz, die ein Semester in Großbritannien verbracht hat. Aber dass sie sich vor der Abreise nicht die Zeit für einen Chinesisch-Kurs genommen hat, stört sie. „Das würde ich heute anders machen, damit ich zumindest ein paar Worte mit meinen Kunden wechseln kann.“ Denn viele potenzielle Auftraggeber in China sprechen keine Fremdsprache. „Da kann ich nicht allein hingehen, da muss mich ein Kollege unterstützen.“

Positiv sieht sie dagegen, dass sie in China als Frau deutlich weniger Akzeptanzprobleme hat als in Deutschland. „Früher wurde ich schon mal gefragt, wo der Projektleiter bleibt und erntete Stirnrunzeln, als ich sagte, dass ich das bin.“ Das sei ihr in China noch nie passiert. „In chinesischen Unternehmen ist eine weibliche Führungskraft im technischen Umfeld nichts Exotisches.“ Nicht nur das: „Ich kann mich hier überall ungefährdet alleine bewegen – egal ob nachts im Taxi, in der U-Bahn oder zu Fuß in der Stadt.“

Bei allem Lob für ihre Wahlheimat Shanghai vermisst die Bayerin die heimische Landschaft. „Berge, Seen, blauer Himmel und das Skifahren fehlen mir schon.“ Und deutsches Brot zu akzeptablen Preisen. „Ich backe manchmal selbst.“

Keine Angst hat sie, von Entwicklungen in Deutschland – sei es im Betrieb oder allgemein im Job – abgehängt zu werden. „Ich habe ein sehr gutes Netzwerk, das ich regelmäßig pflege.“ Zweimal war sie im vergangenen Jahr in Deutschland, 2014 wird es noch häufiger sein. Der Aufenthalt in Shanghai laut Planung, „wird ohnehin auf zwei bis drei Jahre begrenzt bleiben“. Dann habe sie die Strukturen und das Team aufgebaut, das das Thema weiter voran treibt.

Wie es dann weitergeht? „Ich hoffe natürlich , dass sich die Zeit in China positiv auf meine Karriere auswirkt. Aber für mich ist auch die persönliche Erfahrung wichtig. Ich habe hier sehr viel gelernt“.

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