RECHT 24. Juni 2019 Ralph H. Ahrens Lesezeit: ca. 3 Minuten

Schutzlücke bei Bauprodukten

Seit Oktober dürfen Bauprodukte ohne die bisherige Prüfung auf Schadstoffe und Sicherheit in Deutschland verkauft werden. Nun will die Bundesregierung Ende März Gesundheitsstandards für Gebäude einführen.

Gefahr für Heimwerker besteht z. B. durch flüchtige organische Substanzen (VOC) im Laminat und polyzyklisch aromatischen Kohlenwasserstoffe im Recycling-Kautschuk.
Foto: panthermedia.net/Viktor Cap

Mit seiner Entscheidung zu Bauprodukten schuf der Europäische Gerichtshofs (EuGH) im Oktober 2016 eine Lücke beim Schutz von Gebäuden, die immer noch nicht geschlossen ist.

In drei Fällen verbot das Gericht damals die deutsche Bauproduktregel, die höhere Anforderungen als die europäische CE-Kennzeichnung stellt. Auf Drängen der EU-Kommission erklärte Deutschland ab dem 16. Oktober sämtliche nationalen Extra-Regeln für Bauprodukte für ungültig.

Gekippt wurden etwa Vorgaben zum Schutz vor Emissionen flüchtiger organischer Substanzen (VOC), zum Brandschutz von Dämmfasern oder zur Frostbeständigkeit von Mauerziegeln. „Diese Regeln waren mehr als sinnvoll“, betont Maria Krautzberger, Präsidentin des Umweltbundesamts (UBA).

Typische Beschwerden durch VOC sind Kopfschmerz, gereizte Augen und Müdigkeit. Ein zweites Beispiel sind Dämmstofffasern: Ob sie glimmen wird nicht mehr geprüft. Bereits gelöschte Brände können dadurch neu entfacht werden.

Gewonnen hat der Freihandel im europäischen Binnenmarkt mit diesem Kahlschlag. Bauproduktehersteller können hierzulande jetzt Waren verkaufen, die bislang den deutschen Anforderungen zum Schutz der Gesundheit und der Gebäude nicht gewachsen waren. Die Schutzlücke betrifft rund drei Viertel aller Bauprodukte in der EU – all jene, die eine CE-Kennzeichnung benötigen. Sicherheitskritisch ist, dass das EU-Label kein Qualitätssiegel ist, sonder nur ein Verwaltungskennzeichen, das der Hersteller selbst anbringt.

Bisher verlange keine Bauproduktnorm der EU, gesundheitliche Auswirkungen zu prüfen, sagt Maria Krautzberger. Zwar spreche die EU in ihrer Bauprodukteverordnung von einem hohen Gesundheitsschutz, „die dafür benötigten Angaben fehlen in der CE-Kennzeichnung aber noch komplett“.

Michael Heide, Geschäftsführer des Zentralverbands des Deutschen Baugewerbes (ZDB), kritisiert: „Die EU-Bauproduktnormen enthalten nicht alle für Statik, Schall-, Wärme- und Brandschutz notwendigen Mindestanforderungen.“

Bundesregierung und -länder wollen – statt an die Bauprodukte – nun Anforderungen an die Sicherheit der Gebäude stellen. Konkrete Vorgaben sollen bis Ende März 2017 in der Verwaltungsvorschrift Technische Baubestimmungen (VV TB) stehen. „Sie soll dieselben Anforderungen für Umwelt- und Gesundheitsschutz wie das Baurecht bisher enthalten“, erklärt Wolfgang Plehn, UBA-Fachmann für stoffbezogene Produktfragen. Danach dürfe etwa 1 m3 Innenraumluft in neuen Gebäuden höchstens 100 µg Formaldehyd enthalten.

Das neue Vorgehen verschiebt die Verantwortung vom Hersteller zu den Planern und Ausführenden. „Es überfordert den Bausektor, die gesundheitliche Qualität von Bauprodukten einzuschätzen“, meint ZDB-Mann Heide. Kaum ein Architekt, Handwerker oder Bauherr sei geschult, Bauprodukte entsprechend zu prüfen. Erfüllt das fertige Gebäude Anforderungen nicht, haften sie aber. So fallen VOC-Ausdünstungen oft erst auf, wenn ein Gebäude steht und Bewohner sich beschweren.

Was nun? Umweltzeichen wie der Blaue Engel bieten beim Gesundheitsschutz Orientierung. „Auch Emissionsangaben von Baustoffherstellern können helfen“, so Peter Bachmann, Geschäftsführer des Sentinel Haus Instituts (SHI) in Freiburg. Das SHI und der TÜV Rheinland haben mehr als 1400 geprüfte Bauprodukte im „Bauverzeichnis Gesündere Gebäude“ gelistet. Bachmann kennt aber auch gefälschte und veraltete Emissionszeugnisse.

Die Verlierer der neuen Situation werden Häuslebauer sein, glaubt Bachmann. Fast niemand kenne sich mit Zertifikaten aus und in Baumärkten gebe es wenig Hilfe. „Kaum ein Verkäufer dort weiß, was Emissionsprüfzeugnisse sind und welchen man trauen kann“, so Bachmann.

Er warnt Verbraucher auch davor, ökologische Versprechungen mit einem guten gesundheitlichen Standard gleichzusetzen. Nette Abbildungen auf einer Produktverpackung allein böten keine Sicherheit, dass etwa Kinder nicht krank werden. „Auch bei Produkten aus natürlichen Rohstoffen muss man schauen, welche Emissionen geprüft wurden und was ein Label konkret bescheinigt.“

Langfristig kann auch die EU helfen. Die EU-Kommission plant, Merkmale zum Umwelt- und Gesundheitsschutz sowie zur Gebäudesicherheit in die CE-Kennzeichnung einzubauen. Dies wird aber dauern. Nach Einschätzung des UBA und des ZDB wird die Schutzlücke noch viele Jahre bestehen bleiben.

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