Gebäudeenergie 23. Aug 2022 Von Fabian Kurmann Lesezeit: ca. 4 Minuten

Winter ohne Gas: Forschende simulieren Raumklima in einem Haus ohne Heizen

Forschende der Bauhaus-Uni in Weimar haben simuliert, was in dem Fall passiert, wenn einem Haus im Winter das Gas zum Heizen fehlt. Die gute Nachricht: Die Temperaturen bleiben über null. Doch eisig wäre es trotzdem, sagen die Bauphysik-Fachleute.

Ansicht auf die Fassade des Beispielgebäudes der Uni Weimar im 3D-Modell. Die bunten Einfärbungen zeigen die Oberflächentemperatur des Objekts an. Die meiste Wärme geht über die Fenster und Balkontüren verloren.
Foto: Sven Daubert

Forschende der Uni Weimar haben simuliert, was passiert, wenn einem Haus den ganzen Winter über das Gas zum Heizen fehlt. Das Ergebnis der Bauphysik-Fachleute: Bei einem durchschnittlichen deutschen Winter kühlen unbeheizte Wohnräume auf ca. 7 °C bis 8 °C herunter – dies belegt eine Simulation der Professur Bauphysik.

Wichtig zu wissen, bevor man sich auf diese Raumtemperaturen vorbereitet: Ein Gasmangel in Deutschland ist äußerst unwahrscheinlich. Gewisse Verhaltensweisen beim Heizen und Lüften im Winter helfen aber, Energie zu sparen und ein angenehmes Raumklima zu bewahren. „Jedes Grad weniger Raumtemperatur spart Gas und damit Energiekosten. Entscheidend ist hierbei eine optimale Steuerung der Heizung. Richtig eingesetzt, können beispielsweise smarte Thermostate spürbar Heizkosten senken, da die Raumtemperatur effektiv an äußere Umstände wie Witterung und Tageszeit angepasst werden kann“, sagt Mara Geske, Leiterin der AG Energie an der Professur Bauphysik.

Simulation zum Winter ohne Gas: Referenzobjekt ist ein Mehrfamilienhaus aus den 1970er-Jahren

Forschende der Professur Bauphysik analysieren und erproben bereits seit Jahren Maßnahmen, um die Energiebilanz von Bestandsgebäuden und Stadtquartieren zu verbessern mit dem Ziel, CO2-Emissionen zu reduzieren. Ein Schwerpunkt der Forschung ist die Simulation des Heizenergie- und Strombedarfs, wie im Forschungsprojekt „smood – smart neighborhood“ anhand von Wohnquartieren in Thüringen. Als Referenzobjekt dient ein Mehrfamilienhaus in Buttelstedt aus den 1970er-Jahren, dessen Fenster und Außenwände in den 1990er-Jahren saniert wurden.

Darstellung des Wandaufbaus an dem Beispielgebäude, für das die Simulation gerechnet wurde. Welche Temperaturen im Innenraum herrschen, ist auch von der Dämmung des Gebäudes abhängig. Foto: Maria Hartmann

„In Deutschland gibt es einen sehr großen Anteil an Wohngebäuden, die in einer ähnlichen geometrischen und energetischen Qualität bestehen“, erläutert Wissenschaftlerin Geske. „Daher wurde das Haus als Muster gewählt, um zu überprüfen, wie sich die Raumtemperatur bei einem durchschnittlichen deutschen Winter entwickelt, wenn nicht durch Gas geheizt werden kann.“

Über 40 % der privaten Haushalte könnten Gas sparen

Zur Einordnung, wie viele Menschen das in Deutschland betrifft: Laut Statistischem Bundesamt deckten im Jahr 2019 rund 41 % der privaten Haushalte ihren Bedarf an Wohnenergie durch Erdgas. Obwohl dieser Anteil aktuell zurückgeht, bleibt Erdgas der mit Abstand wichtigste Energieträger, um Wohnräume zu heizen, Warmwasser aufzubereiten oder um zu kochen. Angesichts der gekürzten Gaslieferungen aus Russland fordert die Bundesregierung daher auch Privatleute auf, Energie zu sparen, um gut durch den Winter zu kommen.

Simulation zum Haus ohne Heizung: Zimmertemperatur abhängig von vielen Faktoren

Auf Basis eines digitalen Architekturmodells sowie des ortstypischen Wetterprofils wurde die Temperaturentwicklung im Innenraum des Hauses simuliert. In den Berechnungen wurde jede Wohnung als eigene thermische Zone betrachtet und die Wärmeeinträge berücksichtigt – sowohl externe, etwa Solarenergie durch Fensterflächen, als auch interne, zum Beispiel Elektroenergie durch Herd und Laptop oder Körperwärme der Menschen. Dabei zeigte sich, dass die Temperaturen einer im ersten Obergeschoss befindlichen Beispielwohnung mit drei Außenwänden ohne Heizung auf ein Minimum von durchschnittlich ca. 7 °C bis 8 °C sinken würden.

Simulierter Verlauf der Innenraumtemperatur in einem unbeheizten Winterfall für eine ausgewählte Musterwohnung der Uni Weimar. Tiefpunkte sind zwischen 7 °C und 8 °C von Dezember bis Februar. Foto: Maria Hartmann

„Das Raumklima ist abhängig von verschiedenen Faktoren, wie den tatsächlichen Außentemperaturen, der Bauart und dem Sanierungszustand des Objekts. Ob die Außenwände und Fenster dauerhaft Sonne oder Wind ausgesetzt sind, spielt ebenfalls eine Rolle“, fügt Geske hinzu. Deshalb sei die Simulation lediglich als Richtwert zu verstehen. Hinzu komme: das Verhalten der Menschen im Haus. Es hat einen wesentlichen Einfluss auf den Energiebedarf. „Entscheidend ist, die Temperaturregulierung der Heizung je nach Witterung und Tageszeit individuell auszurichten und im Winter lediglich kurz stoßzulüften, damit die Raumtemperatur nicht zu weit absinkt“, weiß die Expertin.

Um Gas zu sparen: entweder ganz oder gar nicht lüften

Im Winter gilt also: „Entweder ganz oder gar nicht lüften“ – Fenster sollten nicht gekippt werden. Querlüften mit offenen Fenstern an gegenüberliegenden Seiten des Raums oder Hauses sei am effektivsten, so die Wissenschaftlerin. Zudem sollte die warme Luft aus dem Heizkörper frei strömen können, um sich optimal im Raum zu verbreiten. Zugige Fenster und Türen sollten abgedichtet werden. Außerdem sorgen Teppiche für zusätzliche Behaglichkeit.

„Ausschlaggebend hierfür ist die Wärmeübertragung zwischen Haut und Oberfläche: Rezeptoren in unserer Haut reagieren auf den Wärmestrom zur Kontaktfläche“, sagt die Leiterin der AG Energie. Metall oder Stein leiten hingegen Wärme besser als Holz, daher werde bei einem Steinboden mehr Wärmeverlust in der Fußsohle wahrgenommen als bei Holz oder Teppich. Dass sich Stein kalt anfühlt ist, im Winter nicht so angenehm, aber dafür im Sommer.

Jeder Mensch braucht seine eigene Wohlfühltemperatur

Eine allgemeingültige Temperaturempfehlung gibt es laut Mara Gesken nicht, da das Temperaturempfinden von Mensch zu Mensch unterschiedlich ist und von mehreren Faktoren wie Luftfeuchte oder Luftströmung beeinflusst wird. „Allerdings existieren Richtwerte, an denen wir uns orientieren können. So gibt es Empfehlungen, Wohn- und Arbeitsräume im Bereich von 20 °C bis 22 °C zu temperieren, wohingegen Schlafräume mit einer Raumtemperatur zwischen 16 °C und 18 °C häufig als angenehm empfunden werden.“

Hinzu kommt: Menschen funktionieren nicht wie Thermometer. „Während die Temperatur in der Physik ein objektives Maß für den Zustand eines Objekts ist, verändert sich unser subjektives Wärmeempfinden abhängig vom Material und dessen Wärmeeindringkoeffizient“, erklärt Wissenschaftlerin Geske. Der Koeffizient beinhaltet die Wärmeleitfähigkeit und die Wärmespeicherkapazität des Materials, das heißt, auch bei gleicher Temperatur empfinden Menschen ein Metall anders als einen Naturstein oder Holz.

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