Baukultur 03. Jan 2023 Von dpa/Fabian Kurmann Lesezeit: ca. 4 Minuten

Golden Gate Bridge: Ein Meisterwerk der Ingenieurskunst

Die Brücke war ein Kraftakt und eine technische Meisterleistung. Möglich wurde die von manchen für unbaubar gehaltene Konstruktion auch, weil brillante Ingenieure und Arbeitskräfte durch die große Depression ihren Job verloren und so für das Großprojekt Kapazität frei hatten.

Als vor 90 Jahren mit dem Bau begonnen wurde, musste das Golden Gate noch mit der Fähre überquert werden. Die Überfahrt dauerte zwar nur 20 min und kostete 1 $, aber es gab immer längere Warteschlangen. Heute lässt sich das Golden Gate per Auto in wenigen Minuten überqueren.
Foto: imago images/CSP_Kenishiroti

Es war ein gewagtes Projekt, das nach Einschätzung vieler Experten schlicht nicht baubar war: Vor dem Spatenstich stritten sich die Ingenieure, ob die tückischen Strömungen und der enorme Abstand zwischen San Francisco und der gegenüberliegenden Landzunge im Bezirk Marin überhaupt zu bezwingen seien. Eine Brücke sollte das „Golden Gate“ – so wurde die knapp 2 km breite Einfahrt vom Pazifik in die Bucht der Westküstenmetropole genannt – überspannen. Sie musste gut 200 m länger sein als alle damals bekannten Hängekonstruktionen. Am 5. Januar 1933, begannen die Bauarbeiten an dem berühmten Wahrzeichen von San Francisco.

Brücken in Deutschland – das große Warten auf den Abriss

Joseph Baermann Strauss, geboren 1870 im US-Staat Ohio, brachte das Brückenprojekt gegen den Widerstand von Fährleuten, die Skepsis von Geldgebern und Politikern und die wirtschaftlichen Zwänge der Großen Depression an den Start. Strauss war kein Ingenieur, sondern eher ein geschickter Verkäufer, Organisator und Visionär – vielleicht vergleichbar mit Ex-Apple-Chef Steve Jobs. Und was den Brückenbau angeht, so hatte er nur Erfahrungen im Management von Zugbrücken – von Kabelhängebrücken hatte er keine Ahnung. Er wollte deshalb eine feste Stahlkonstruktion mit einem Mittelpfeiler errichten, doch das gefiel niemandem.

Den Zuschlag für seinen Entwurf erhielt schließlich Leon Moisseiff aus New York, der als Vorbild sein Design der Brooklyn Bridge wählte und damit die Herzen der Kalifornier im Sturm nahm. Strauss blieb aber Projektleiter.

Golden-Gate-Bau war schneller als gedacht und unter Budget

„Der Bau war nach knapp viereinhalb Jahren fertig, schneller als gedacht und knapp unter dem veranschlagten Budget“, erzählt Paolo Cosulich-Schwartz. 1,3 Mio. $ wurden nicht ausgeschöpft. „Einfach unglaublich“, fügt der Brückenbezirkssprecher anerkennend hinzu. Das Baubudget betrug damals 35 Mio. $, nach heutigem Stand wären das in etwa 500 Mio. $. Doch das würde nicht reichen, um die Brücke noch einmal zu bauen, ein Großprojekt wie dieses würde jetzt ein Vielfaches kosten, sagt Cosulich-Schwartz.

„Das mächtige Werk ist vollbracht“, erklärte Strauss, ein Nachfahre deutscher Einwanderer, bei der feierlichen Eröffnung am 27. Mai 1937. 200 000 Menschen spazierten an diesem sonnigen Tag über die Golden Gate Bridge. Knapp ein Jahr später erlag der Ingenieur mit 68 Jahren einem Herzinfarkt.

Kabel nach Patent eines deutschen Einwanderers gewickelt

Genau wie beim Bau des Empire State Building gelang es Strauss damals, die Rezession zu nutzen, um die besten Ingenieure und Arbeitskräfte aus dem ganzen Land um sich zu scharen. Die Golden Gate Bridge gehört ebenso wie das New Yorker Empire State Building zu den „Aufbäumungsprojekten“, mit denen sich die Amerikaner gegen die Große Depression stemmten.

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Mit ihrem Anstrich in der Farbe „International Orange“ sieht sie bis heute gut aus, sie war damals jedoch auch ein echtes technisches Wunderwerk: Zwei riesige Pfeiler wurden am Süd- und Nordende der Bucht im Meeresboden verankert. Die Arbeiter kämpften in dem rauen Gewässer mit starken Strömungen und hohen Wellen. Die Türme ragen 227 m über der Wasseroberfläche auf. Die beiden mächtigen Hauptkabel – im Durchmesser knapp 1 m dick und nach einem Patentverfahren des deutschen Einwanderers John Roebling aus 129 000 km Draht gesponnen – halten die Fahrbahn und zwei Geh- und Radwege in der Schwebe.

Heutige Rekord-Brücke spannt fast doppelt so weit wie die Golden Gate Bridge

Die Golden Gate Bridge erstreckt sich mit An- und Abfahrt über 2737 m. Mit einer Spannweite zwischen den Pfeilern von 1280 m war sie viele Jahre die längste Hängebrücke der Welt. Erst 1964 stahl ihr New Yorks Verrazano-Narrows Bridge den Titel. Derzeitiger Rekordhalter ist seit März 2022 die türkische Canakkale-1915-Brücke – mit einer Spannweite von 2023 m.

Mehr als 100 000 Autos und Tausende Fußgänger und Radfahrer passieren täglich die Brücke. Bei starken Winden kann die Konstruktion mehrere Meter seitlich und zudem auf und ab schwingen. Sie wurde erst dreimal bei starken Stürmen geschlossen. Die größte Belastungsprobe kam am 50. Geburtstag im Jahr 1987, als 300 000 Menschen von beiden Seiten auf die Brücke strömten, weit mehr als erwartet. Die gewöhnlich leicht nach oben gebogene Fahrtrasse drückte sich unter ihrer Masse durch. Die Konstruktion hielt es aus, doch die Verantwortlichen waren besorgt. „Wir können mit Sicherheit sagen, dass wir nie mehr so viele Fußgänger auf die Brücke lassen, auch nicht zum 100. Geburtstag“, sagt Cosulich-Schwartz mit einem Augenzwinkern.

Golden Gate Bridge: 100-mal mehr Suizide als Tote beim Bau

Als die Hängekabel angebracht werden sollten, ließ Strauss ein teures Auffangnetz installieren. 19 Arbeiter wurden nach Stürzen, die sonst vermutlich tödlich verlaufen wären, aufgefangen. Sie scherzten damals, dass sie nun dem „Auf halbem Weg zur Hölle“-Club angehörten. Insgesamt kamen elf Arbeiter ums Leben, weit weniger als sonst damals bei Großbauten.

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Seit dem Baubeginn sind mittlerweile jedoch fast 100-mal so viele Menschen die 70 m in den Tod gesprungen, der Erste bereits 1937, drei Monate nach der Eröffnung. Die Schätzung von 2000 Suiziden stammt von der Bridge Rail Foundation, die sich seit Langem für Schutzvorrichtungen einsetzt. Etwa 85 % der Suizidwilligen würden durch Polizisten und Patrouillen, die regelmäßig auf der Brücke unterwegs sind, von ihrem Vorhaben abgebracht, sagt Cosulich-Schwartz. Doch allein 2021 sprangen nach Angaben der Brückenbetreiber 25 Menschen über das nur 1,20 m hohe Geländer in den Tod. Die Dunkelziffer dürfte weitaus höher liegen.

Schutznetze unter der Brücke

Nach jahrzehntelangen Diskussionen um eine Errichtung von Barrieren ist mittlerweile eine Auffangvorrichtung im Bau. „Wir hoffen, dass die Netze auf der gesamten Länge bis Ende 2023 angebracht sind“, sagt Cosulich-Schwartz. Ein Sprung in das Netz könne zu Verletzungen führen, rette aber Leben.

2014 hatte der Brückenrat Schutznetzen aus Stahl zugestimmt, doch das teure Bauvorhaben verzögerte sich immer wieder und die Kosten explodierten. Ein deutsches Unternehmen – Carl Stahl aus Süßen zwischen Stuttgart und Ulm in Baden-Württemberg – liefert die Edelstahlnetze.

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