KRYPTOWÄHRUNG 24. Jun 2019 Christoph Böckmann Lesezeit: ca. 6 Minuten

Schatzsuche in Norwegen

In einem kleinen Örtchen an einem norwegischen Fjord werden Bitcoins geschürft. Tief in einer ehemaligen Mine.

Lefdal-Mine: Früher wurde hier Olivin abgebaut, heute sind es Bitcoins.
Foto: C. Böckmann

Warme Luft und ein lautes Surren schlagen ihm entgegen, als Moritz Jäger die Tür seines Containers öffnet. Er tritt ein, lässt kalte Luft, Dunkelheit und die Ruhe der unterirdischen Felskammer hinter sich. Drinnen arbeiten 210 Hochleistungscomputer und ihre Lüfter auf Hochtouren. Direkt am Eingang blickt Jäger auf eine Kontrollanzeige. „Temperatur vorne 25 °C, hinten 31 °C“, murmelt er und quittiert seine Überprüfung mit einem deutlich lauteren „alles okay“. Beim Aussprechen nickt er bekräftigend mit dem Kopf. Dann schreitet Jäger, in Jeans und Sakko, voran. Im linken von zwei schmalen Gängen, die den Container unterteilen, reckt er seine Hand nach den blauen und roten Kabeln der Rechner, von denen sich sonst nur die Lüftungsgitter und die dahinter rotierenden Ventilatorschaufeln zeigen. Fast zärtlich berührt Jäger sie. Es ist mehr ein Streicheln als ein Rütteln, mehr ein Liebkosen als ein Überprüfen seiner Maschinen.

Foto: C. Böckmann

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Foto: Northern Bitcoin

Jäger ist CTO von Northern Bitcoin. Seine Firma schürft Bitcoins. Grob gesagt heißt das, sie stellen dem Netzwerk der Kryptowährung Rechenleistung zur Verfügung und bekommen dafür die digitalen Münzen. Schon während des Informatikstudiums betrieb der Hesse mit seinem heimischen PC das sogenannte „Mining“. Dabei musste er immer wieder die Grafikkarte tauschen. Der Dauerbetrieb auf vollen Touren ließ sie regelmäßig durchschmoren. Doch Alternativen gab es kaum. „Zu Anfang der Bitcoins, also vor fast zehn Jahren, waren Grafikkarten für das Mining am besten geeignet“, erklärt der Bitcoin-Jünger der ersten Stunde.

Inzwischen gibt es fürs Mining konstruierte Chips und Rechner. Jäger setzt auf den „Antminer S9“, in dem jeweils 189 „16-nm-Asic-Chips“ verbaut sind. Diese lässt er sich von Innovo Cloud, einem IT- und Cloud-Spezialisten aus Eschborn, in den Rittal-Container einbauen. Rittal, die ebenfalls in Hessen sitzen, fertigen seit 50 Jahren IT-Schranksysteme. Sie montieren diese auch in Container, die im Freien aufgestellt werden können. Jäger schraubt also nicht mehr selbst. Die Software aber stammt von ihm.

Doch wie genau funktioniert das Mining? Die digitale Währung Bitcoin ist eine Anwendung der Blockchain-Technologie. Wenn Person A Person B Bitcoins überweist, wird diese und weitere Transaktionen in einem Block festgehalten. Insgesamt kann ein einzelner Block 1 MB an Informationen aufnehmen. Jeder neue Block wird mittels kryptographischer Verfahren in die Kette (chain) eingefügt. Sie müssen dazu verifiziert werden. Das geht so: Neue Blocks benötigen einen Zahlencode (Hash), der sie mit den bestehenden Blocks in der Kette verbindet. Um diesen Hash zu errechnen, bedarf es massiver Rechenleistung. Die liefern die Miner. Belohnt wird das mit Bitcoins. Aktuell bekommen Miner 12,5 neue Bitcoins für jeden erschaffenen Block.

Der oder die Bitcoin-Erfinder – auch heute ist nicht bekannt, wer die Kryptowährung ins Leben rief – stellten sicher, dass nur alle 10 min ein neuer Block entsteht. Das soll Sicherheit und Funktionalität gewährleisten. Denn den Teilnehmern des Netzwerks wird so Zeit geben, dass sie neue Blöcke verifizieren und speichern können.

Damit es auch mit der über die Jahre steigenden Rechenleistung beim Turnus von 10 min bleibt, wird regelmäßig die Hash-Suche erschwert. Reichte bei der Geburtsstunde des Bitcoins ein normaler PC, um einen gültigen Hash zu finden, bedarf es heute dazu eines ganzen Pools an Hochleistungsrechnern, wie sie in Jägers Container stehen. Das hat natürlich Folgen. Der Energiebedarf für die Computer und deren Kühlung ist über die Jahre immens gestiegen. Der Stromverbrauch des gesamten Bitcoin-Netzwerks ist aktuell so groß wie der Irlands.

Jäger schiebt sich durch den engen Gang an seinen Mining-Computern vorbei wieder Richtung Tür. Als er sie öffnet, fällt das Licht von innen heraus und gibt den Blick auf 17 m hohe grünlich schimmernde Felswände frei. Auf dem Container thronen zwei weitere Container. Verbunden sind sie durch eine Stahltreppe. Zwölf Container – vier Stapel von je drei Containern – befinden sich in der Felskammer. Im Boden unter den Containern verlaufen dicke Wasserrohrleitungen. Entlang der Seitenwände schlängeln sich Strom- und Netzwerkkabel zum Ausgang der Felskammer. Dort ist ein langer, breiter Gang, der zu weiteren Kammern führt.

Der Ort befindet sich 60 m unter der Erde, in einer ehemaligen Mine. Diese liegt am Ufer des malerischen norwegischen Nordfjords. In der Mine wurde Olivin abgebaut. Das Silikat nutzen Eisenproduzenten als Schlackenbildner für die Herstellung von Eisenerzpellets. Seit einigen Jahren ist die Mine nicht mehr in Betrieb, da sich Olivin – nicht weit entfernt – im Tagebau günstiger abbauen lässt.

Nun versucht Betreiber Lefdal die Mine anderweitig zu nutzen. Insgesamt 120 000 m2 könnten Platz für 1500 IT-Container bieten. Bisher gehört Northern Bitcoin mit seinen 15 aber zu den Pionieren. Die meisten Felskammern sind noch leer. Dabei sprechen für den Standort deutliche Argumente. „Der Strom ist hier so günstig wie nirgendwo sonst in Europa“, wirbt Lefdal. Konkret zahlt Northern Bitcoin zwischen 3,2 Cent/kWh bis 4,4 Cent/kWh – und das für Strom aus regenerativen Quellen. Möglich macht das ein gigantisches Netz aus Speicherseen und Wasserkraftwerken, das vor dem Mineneingang beginnt. Die Speicherseen werden im Frühling und Sommer mit Schmelzwasser der vier umliegenden Gletscher gespeist. So können die Norweger über das gesamte Jahr hinweg mehr Strom produzieren, als sie benötigen. Rund 6,7 TWh seien in der Region überschüssig und somit günstig zu haben. Das ist mehr als Luxemburg in einem Jahr verbraucht.

Nun versucht Betreiber Lefdal die Mine anderweitig zu nutzen. Insgesamt 120 000 m2 könnten Platz für 1500 IT-Container bieten. Bisher gehört Northern Bitcoin mit seinen 15 aber zu den Pionieren. Die meisten Felskammern sind noch leer. Dabei sprechen für den Standort deutliche Argumente. „Der Strom ist hier so günstig wie nirgendwo sonst in Europa“, wirbt Lefdal. Konkret zahlt Northern Bitcoin zwischen 3,2 Cent/kWh bis 4,4 Cent/kWh – und das für Strom aus regenerativen Quellen. Möglich macht das ein gigantisches Netz aus Speicherseen und Wasserkraftwerken, das vor dem Mineneingang beginnt. Die Speicherseen werden im Frühling und Sommer mit Schmelzwasser der vier umliegenden Gletscher gespeist. So können die Norweger über das gesamte Jahr hinweg mehr Strom produzieren, als sie benötigen. Rund 6,7 TWh seien in der Region überschüssig und somit günstig zu haben. Das ist mehr als Luxemburg in einem Jahr verbraucht.

Dabei braucht Northern Bitcoin in dem ehemaligen Bergwerk deutlich weniger Energie als für den Container, den das Unternehmen in der Testphase im Frankfurter Industriegebiet aufstellte. 8 °C kaltes Wasser des Nordfjords kühlt den Kühlwasserkreislauf für die Hardware herunter. Da das Fjordwasser salzhaltig ist, kühlt es einen anderen geschlossenen Wasserkreislauf, der dann wiederum die Mining-Chips kühlt. Aber auch die Luft kühlt. Die Temperatur liegt in der Mine ganzjährig bei etwa 9 °C. Zusätzlich schützt das massive Berggestein nicht nur vor Sonnenstrahlen, Staub und Pollenflug. Es schirmt auch elektromagnetische Strahlung ab.

Um die Erkenntnisse des Minenrundgangs und die Geschäftsentwicklung mit seinem CEO zu besprechen, muss Jäger in ein Hotel nach Sandane. Wer dem Nordfjord 50 km Richtung Landesinnere folgt und sich dabei südlich hält, kann das Örtchen kaum verfehlen. Unterwegs zeigt sich erneut, dass es in Norwegen Strom im Überfluss gibt: Die Fähren fahren elektrisch und auf den Parkplätzen reihen sich Tesla-Ladestationen.

Erwartungsfroh steht Northern-Bitcoin-Chef Mathis Schultz vor dem Hotel und begrüßt Jäger schelmisch grinsend mit ironisch jovialer Geste, als dieser aus dem Auto steigt. „Willkommen in Norwegen“, scherzt Schultz. Schultz und Jäger wollten eigentlich gemeinsam die Mine besuchen, doch der CEO hatte weniger Erfolg bei der Anreise als sein CTO. Zweimal wurde ihm der Flug gestrichen, so ist er nun viel zu spät.

Mathis Schultz, CEO von Northern Bitcoin, sieht im Bitcoin die Chance, Zahlungsströme zu beschleunigen. Foto: Northern Bitcoin

Aber der Northern-Bitcoin-Chef, dem knappe 24 Stunden Wartezeit am Flughafen Oslo in den Knochen stecken, spielt bei der Begrüßung nicht nur den Tiefenentspannten, er ist es auch. Stets spricht er mit unaufgeregter Stimme. Laut wird er nur in zwei Fällen: wenn er lacht und wenn er sich über das Zahlungssystem der Banken echauffiert. Sein klassischer dunkelblauer Anzug, die akkurat nach hinten gekämmten Haare sowie die feine, randlose Brille deuten auf den Hintergrund des Frankfurters hin. Schultz kommt aus der Bankenwelt. Er arbeitete zuvor bei verschiedenen Finanzinstituten.

Es könne nicht sein, dass deutsche Mittelständler, wenn sie Zulieferprodukte z. B. in der Türkei kauften, tagelang warten müssten, bis dort die Zahlung einginge, poltert Schultz, sobald das Thema Bitcoins aufkommt. Um das Zahlungssystem endlich in das digitale Zeitalter zu führen, bräuchte es die Kryptowährung und ihre Blockchain. Schultz sieht im Bitcoin kein Spekulationsobjekt, sondern ein Mittel zum Zweck: für rasche Kaufabwicklungen, vor allem, wenn es über Ländergrenzen hinaus geht.

Ein rasant steigender Bitcoin-Kurs, wie wir ihn vergangenen Dezember gesehen haben, ist nichts, was Schultz sich wünscht. Zwar bekommt er für seine Rechenleistung Bitcoins, doch wird das künftig weniger. Voraussichtlich gibt es 2020 nur noch 6,25 Bitcoins pro verifizierten Block. Einige Jahre später dann nur halb so viel. Das ist im Bitcoin-System so verankert. Schultz wünscht sich für Northern Bitcoin einen stabilen Kurs, der die Kryptowährung als Zahlungsmittel attraktiver macht. Denn langfristig will Schultz vor allem mit Transaktionsgebühren, die Kunden zahlen, damit ihre Überweisungen bevorzugt behandelt werden, sein Geld verdienen.

Seinen CTO muss Schultz auf dem Weg bezahlen, den er so verachtet – per Banküberweisung. Nach deutschem Recht muss im Arbeitsvertrag das Gehalt in Euro angegeben sein. Bis es Bitcoins von der norwegischen Mine auf deutsche Lohnzettel schaffen, wird noch einiges Schmelzwasser den Fjordfelsen herunterlaufen.

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