Satellitenzulieferer Tesat 15. Okt 2021 von Iestyn Hartbrich Lesezeit: ca. 5 Minuten

Tesat-Spacecom zwischen Manufaktur und Serienfertigung

Raumfahrt: In der Satellitenindustrie explodieren die Stückzahlen. Marc Steckling, CEO des Laserspezialisten Tesat, über fallende Preise, steigende Datenraten und neue Konkurrenten.

Schritt zur Kleinserie: Tesat-Spacecom hat im Backnanger Werk eine Fließfertigung für Satellitenkomponenten eingerichtet.
Foto: Tesat

VDI nachrichten: Herr Steckling, Tesat hat als Satellitenzulieferer bislang vor allem Unikate hergestellt. Nun bauen Sie Komponenten für die großen Satellitenkonstellationen. Wie groß ist die Umstellung?

Marc Steckling: Wir stehen an der Schwelle von der Manufaktur zur Serienfertigung. Die Volumina steigen drastisch, die Kosten fallen drastisch.

Was bedeutet das für Ihre Fertigung?

Zwei Beispiele. Für die 300 Satelliten starke kanadische Lightspeed-Konstellation liefern wir die Funkmodule. Bislang haben wir in diesem Bereich 1500 Geräte pro Jahr gebaut. In Zukunft wird das unsere wöchentliche Rate sein. Das zweite Beispiel ist die angestrebte Konstellation der US-Militärorganisation SDA (Space Development Agency, Anm. d. Red.), für die wir die Laserterminals liefern, mit denen die Satelliten untereinander Daten austauschen. Bislang bauen wir ein bis zwei Laserterminals im Jahr. Der neue Bedarf: zwei pro Tag.

Sie sprechen von sinkenden Kosten. Können Sie ein Beispiel nennen?

Die größeren Laserterminals, die wir zum Beispiel für das EDRS-System von Airbus und ESA geliefert haben, kosten einen zweistelligen Millionenbetrag. Die Terminals für Konstellationen, wir nennen sie ConLCTs, liegen im Bereich weniger Hunderttausend Euro. Der Vergleich hinkt ein bisschen, weil die Geräte sich sehr stark unterscheiden, aber die Tendenz wird sichtbar.

Steigende Datenraten

Wie unterscheiden sich die ConLCTs von den großen Terminals?

Erstens ist eine Miniaturisierung im Gang. Zweitens müssen die neuen kleinen Geräte sehr agil sein, sie müssen also in der Lage sein, schnell eine stabile Verbindung zwischen zwei weit entfernten Satelliten aufzubauen. Und drittens explodieren die Datenraten. Bislang sind 100 Mbit/s gefordert, das ist nicht viel. Aber wir werden bei den Konstellationen zeitnah Übertragungsraten von 10 Gbit/s oder 15 Gbit/s sehen.

Ist das heute schon Stand der Technik?

Ja, das könnten wir morgen liefern. Und in der Entwicklung haben wir Technologien für bis zu 100 Gbit/s pro Terminal.

Wie kommt der Faktor 10 zustande?

Wir nutzen hochkommerzielle Modems, die auf der Erde eingesetzt werden. Wir screenen andauernd terrestrische Technik daraufhin, ob wir sie für den Weltraum adaptieren können. Im Wesentlichen tauschen wir bestimmte Bauteile durch andere aus, die der Strahlung im All besser standhalten.

Marc Steckling ist seit 2018 CEO des Satellitenzulieferers Tesat-Spacecom. Foto: Tesat

Wie kann man sich das vorstellen? Ihre Leute gehen sicher nicht in den Elektrofachmarkt und testen Teile durch …

Nein, das sind Industriekomponenten, wie sie auch in der Automobilindustrie oder der Glasfaserinfrastruktur eingesetzt werden.

Welcher Konstellation trauen Sie zu, als erste Laserlinks auf­zubauen?

Wir wissen nie so genau, wozu SpaceX mit Starlink in der Lage ist. Davon abgesehen wird es wahrscheinlich die schon angesprochene SDA-Konstellation sein.

Welcher Hersteller wird die Satelliten bauen?

Insgesamt sind vier US-Satellitenbauer beteiligt. Die Namen dürfen wir nicht nennen.

Wie wird die Konstellation aussehen?

Es wird zwei orbitale Ebenen geben. In der einen – die SDA spricht vom Tracking Layer – sind Erdbeobachtungssatelliten mit verschiedenen Sensortypen unterwegs. Hier werden die Daten gesammelt. Im sogenannten Transport Layer werden die Daten verteilt und zur Bodenstation gebracht. Die Tracking- und die Transportsatelliten sind miteinander per Laser verbunden.

Großauftrag aus den USA

Was werden Sie für dieses Programm liefern?

Fest steht bislang, dass wir 60 % der Terminals, oder in Zahlen 52, für die sogenannte Tranche 0 liefern, die im Sommer 2022 gestartet werden soll. Dieser Teil der Konstellation soll die Funktionsfähigkeit des Programms demonstrieren. Aktuell läuft die Ausschreibung für die Tranche 1, das sind dann schon operative Satelliten. Wenn wir hier den Zuschlag erhalten, was sich 2022 entscheidet, geht es um 150 Satelliten und 600 Laserterminals.

Es ist ungewöhnlich, dass das US-Militär ausländische Zulieferer akzeptiert …

Wir haben im Jahr 2008 den ersten Laserlink geschafft, zwischen NFire und TerraSar-X. Wir haben die beiden Laserrelais EDRS-A und EDRS-C gebaut. Wir haben zehn Terminals im Orbit und über 50 000 Links hergestellt. Das sind Zahlen, die andere Hersteller nicht vorweisen können. Ich kenne keine andere kommerzielle Firma, die auch nur einen erfolgreichen Link hergestellt hätte.

Was ist daran so schwierig?

Das schwierigste ist es, sicherzustellen, dass das schmale Lichtbündel exakt das gegenüberliegende Terminal trifft. Die Relativgeschwindigkeiten liegen in erdnahen Bahnen in der Größenordnung von 28 000 km/h. Im Geostationären Orbit betragen die Relativgeschwindigkeiten zwar nur 1000 km/h, allerdings sind die Satelliten hier bis zu 80 000 km voneinander entfernt.

Zunehmende Konkurrenz

Für die kanadische Konstellation Lightspeed, die ebenfalls Laserlinks nutzen soll, wurde ein anderer Hersteller ausgewählt. Ist der Markt für Laserkommunikation im Weltall zunehmend umkämpft?

Ich denke schon. Allerdings war die Entscheidung bei Lightspeed insofern nicht frei, als dass der Laserhersteller in diesem Fall eine Tochter des ausgewählten Satellitenbauers Thalès Alenia ist. Dass dieser die Laserkommunikation als strategisch wichtig ansieht und im eigenen Unternehmen hält, war zu erwarten. Der Nachweis, die Geräte in den geforderten Volumina zu fertigen und dann im Weltraum ans Laufen zu bekommen ist allerdings noch zu erbringen. Ich würde gerne mal sehen, ob die Tür für uns wirklich schon ganz geschlossen ist.

Funk und nun Laser: Tesat-Spacecom ist auf jene Komponenten spezialisiert, mit denen Satelliten kommunizieren. Foto: Tesat

Aktuell versuchen sich auch jüngere Laserspezialisten wie Mynaric auf dem Konstellationsmarkt zu etablieren. Sehen Sie in ihnen ernsthafte Konkurrenz?

Ich finde es gut, dass eine Industrielandschaft entsteht, wo Wettbewerb zwischen den einzelnen Firmen herrscht. Ehrlich gesagt hat uns dieser Wettbewerb sogar gefehlt, weil wir mehr als ein Jahrzehnt lang der einzige Hersteller waren. Wenn die Technologie – Laser in der Satellitenkommunikation – abheben soll, dann braucht es mehrere erfolgreiche Hersteller.

Herr Steckling, wie hat Tesat bislang die Pandemie überstanden?

Wir haben 2020 80 Mitarbeiter eingestellt und sind jetzt in der Belegschaft 1090, davon 500 in der Fertigung. Bis 2022 wollen wir auf 1150 wachsen. Das liegt größtenteils daran, dass wir das Unternehmen breiter aufgestellt haben. Neben unseren klassischen Röhrenverstärkern fertigen wir Komponenten für aktive Radioantennen und eben immer mehr Laserterminals. Hinzu kommt: Immer häufiger integrieren wir ganze Payloads (Nutzlasten mit der Kommunikationsinfrastruktur, Anm. d. Red.). Zuletzt haben wir die Nutzlast des Heinrich-Hertz-Satelliten des DLR gebaut. Nun haben wir auch den Auftrag für die erste kleine Serie erhalten: die zweite Galileo-Generation. Wir werden dafür bis 2025 sechs Payloads bauen.

Zukunftsfeld Quantenverschlüsselung

Gibt es eine Satellitenmission in Zukunft, auf die Sie unter technologischen Gesichtspunkten besonders gespannt schauen?

Die ESA plant einen Demonstrationssatelliten zur Quantenverschlüsselung. Quantenverschlüsselung funktioniert nur mit Laserkommunikation im Weltall. Zwar lassen sich die Schlüssel auch terrestrisch per Glasfaserkabel tauschen, allerdings ist darin die Dämpfung so hoch, dass das Signal nach 15 km bis 20 km wieder verstärkt werden müsste – mit der Folge, dass neue Punkte entstehen, an dem das Signal abgefangen werden könnte. Wer also Quantenschlüssel global verteilen will, kommt an Satelliten nicht vorbei.

Was wäre Gegenstand der Mission?

Der Name der Mission ist Eagle-1. Es geht darum, die erste europäische Quantenverschlüsselungsnutzlast im Orbit zu validieren und dafür sämtliche Hardware weltraumtauglich herzustellen. Im Kern soll im Orbit ein Schlüsselpaar erzeugt und dann an die beiden Kommunikationspartner verschickt werden. Der Satellit soll 2023 gestartet werden. Konsortialführer wird der Satellitenbetreiber SES sein. Wir haben ein Angebot für die optische Nutzlast und deren Komponenten abgegeben.

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