FIRMENPORTRÄT 10. Apr 2015 Matilda Jordanova-Duda Lesezeit: ca. 4 Minuten

Ein mächtig auftrumpfendes Unternehmen

Trumpf setzt nicht allein auf die Fachexpertise seiner Mitarbeiter. Beim Ditzinger Blechbearbeitungsspezialisten blicken Ingenieure über Ländergrenzen hinweg, sie schauen im Programm „Blickwechsel“ auch hinter die Kulissen sozialer Einrichtungen.

Dass Trumpf-Mitarbeiter von „unserem“ Unternehmen reden, ist kein Zufall.
Foto: Trumpf

Die Maschinen von Trumpf biegen dicke Bleche, formen Laschen und Gewinde, stanzen Gehäuseteile, schneiden und schweißen höchstfeste Stähle mit dem Laserstrahl. Das Familienunternehmen aus Ditzingen ist Marktführer bei Werkzeugmaschinen für die Blechbearbeitung und industrieller Lasertechnik – mit knapp 11 000 Beschäftigten weltweit. Trotzdem habe es sich die familiäre Atmosphäre bewahrt, berichten Mitarbeiter.

Trumpf expandiert alle sechs Wochen

Trumpf produziert in erster Linie Biege-, Stanz- und Laserschneidemaschinen für Bleche sowie Lasersysteme für das Schneiden, Schweißen und die Oberflächenbearbeitung dreidimensionaler Teile. Drei Viertel der Produkte gehen in den Export.

Im Geschäftsjahr 2013/2014 erreichte der Umsatz den Rekordwert von 2,59 Mrd. €. Die Ditzinger waren fleißig auf Akquise: Im Schnitt alle sechs Wochen wurden Firmen zugekauft oder Joint Ventures gegründet. Seit gut einem Jahr hat Trumpf eine eigene Bank. Auf der anderen Seite trennte sich das Familienunternehmen von der Sparte Medizintechnik. Rechnet man den Mitarbeiterzuwachs aufgrund von Zukäufen heraus, wurden 2,4 % mehr Beschäftigte eingestellt.

Allein in Ditzingen arbeiten knapp 500 Ingenieure: neben Maschinenbauern auch Luft- und Raumfahrttechniker, Ingenieure für Elektrotechnik und Elektronik sowie Software-Ingenieure.

Das Arbeitszeitmodell gehört zum „Bündnis für Arbeit“, das eine Jobgarantie bis 2016 und Extras bei Qualifizierung und Altersversorgung beinhaltet. Im Gegenzug arbeitet man an den deutschen Standorten anderthalb Stunden pro Woche länger.

Jörg Neupert leitet seit anderthalb Jahren die Gruppe Vorentwicklung von Stanzmaschinen bei Trumpf im Stammhaus Ditzingen. Seine Gruppe arbeitet an der Schnittstelle zwischen Grundlagenforschung und Produktentwicklung. „Wir sollen Funktionen, die einen hohen Neuheitsgrad haben, vorab überprüfen und das Risiko einschätzen, bevor sie in einer neuen Maschinengeneration eingesetzt werden“, sagt der 34-jährige promovierte Ingenieur. „Beispielsweise untersuchen wir die Möglichkeit, mit bildverarbeitenden Algorithmen die Maschinenbedienung komfortabler zu machen. Noch gibt es einiges, was der Bediener manuell machen muss. Es ist eine spannende Aufgabe, ihm diese Schritte abzunehmen und damit Zeit zu sparen, benutzerfreundlicher zu werden und die Fehlerquote zu reduzieren.“

Neupert wollte schon immer in die Entwicklung. Er studierte Elektrotechnik mit dem Schwerpunkt Automatisierungstechnik an der TU Ilmenau. Seinem Doktorvater folgte er nach Stuttgart, um an der dortigen Universität die Promotion abzuschließen. Das war 2009: Finanzkrise, die Unternehmen meldeten reihenweise Kurzarbeit an. Keine rosigen Aussichten für einen Promovierten ohne Berufserfahrung. Aber Neupert schickte eine Initiativbewerbung an Trumpf. Und trotz Auftragseinbruch nahm der Maschinenbauer ihn in sein Mint-Programm auf.

Ingenieure durchlaufen dabei eine 18-monatige Qualifizierungszeit im Unternehmen, während der sie „gut in die Thematik eintauchen, aber auch über den Tellerrand schauen können“, so Neupert. Er landete in der Entwicklung von Stanzmaschinen, hospitierte aber auch in anderen Abteilungen, etwa in der Montage. Er machte sich die Hände schmutzig, schraubte eine Maschine zusammen, lernte die Sicht eines Versuchsingenieurs und unterschiedliche Software kennen. Von den im Mint-Programm entstandenen Kontakten zehrt er bis heute.

Obwohl er Gruppenleiter ist, arbeitet der Ingenieur seit einiger Zeit zwei Wochenstunden weniger. Der Grund ist seine kleine Tochter. Seine Frau ist voll berufstätig, und da beide aus Thüringen stammen, gibt es keine Großeltern in der Nähe. Möglich macht es das Modell der Wahlarbeitszeit, das Trumpf 2011 einführte. Seitdem darf jeder Mitarbeiter, egal wie er oder sie tariflich eingestuft ist, alle zwei Jahre seine wöchentliche Stundenzahl innerhalb eines Korridors von 15 bis 40 Stunden frei festlegen. Aktuell machen 15 % der Belegschaft davon Gebrauch.

Als Trumpf dieses Modell einführte, verdoppelten sich die Bewerberzahlen. „Für potenzielle Mitarbeiter ist es interessant, dass sie ihre Arbeitszeit nach ihrer aktuellen Lebensphase ausrichten können“, sagt Personalleiterin Christiane Grunwald. „Konkret: Ein Ingenieur, der frisch von der Uni kommt, will viel lernen, viel arbeiten und viel verdienen, um Studienkredite zurückzuzahlen. Nach drei bis vier Jahren will er vielleicht eine Familie gründen und mehr zu Hause sein.“

In Sachen Flexibilität geht bei Trumpf aber noch mehr. So gibt es die Möglichkeit, Stunden auf einem „Familien- und Weiterbildungszeitkonto“ anzusparen. Beispiel: Man arbeitet 35 Stunden, aber nur 30 werden bezahlt. Der Rest wandert auf das Konto. Bis zu sechs Monate am Stück oder einzelne Tage kann ein Mitarbeiter dann zusätzlich freinehmen. Eine große Reise, ein Kurs an der Uni, ein Hausbau: Was er mit der Zeit anfängt, ist seine Sache.

Solche Stunden spart Neupert nicht, weil er aktuell keine längere Auszeit plant. Nach der Geburt seiner Tochter nahm er vier Monate Elternzeit. Notfälle, wie die Krankheit der Tochter, federe die Gleitzeit ab. Die Firma nimmt ihm auch einige lästige Alltagspflichten ab: Seine Hemden und Hosen kann der Familienvater morgens zum Wäsche- und Bügelservice bringen und sie nach Feierabend picobello wieder mitnehmen.

Das Essen vom Betriebsrestaurant gibt es günstig. „Wir sind sicher nicht die Firma mit den absoluten Spitzengehältern in der Branche“, so Personalleiterin Grunwald. „Wir bieten sehr gute Gehälter, aber noch wichtiger ist, uns um den ganzen Menschen, die ganze Familie zu kümmern. Wir bieten die Möglichkeit, fürs Alter vorzusorgen, wir bieten Gesundheitsprogramme, gesundes Essen und viele Entwicklungsmaßnahmen.“

Als angehende Führungskraft stehen bei Neupert zahlreiche Weiterbildungen auf der Agenda. Angetan ist er von den Seminaren, bei denen man den eigenen Führungsstil reflektieren soll. „Man spielt in einer sehr vertrauten Atmosphäre mit neuen und gestandenen Führungskräften Fälle durch. Es dringt nichts nach draußen und man tauscht sich mit den anderen Kollegen aus.“

Würde er weiter die Karriereleiter aufsteigen, stünde ihm eine Teilnahme am Programm „Blickwechsel“ bevor. Das ist ein kurzer Einsatz in einer sozialen Einrichtung. Grunwald: „Unsere Führungskräfte sollen nicht nur etwas vom Maschinenbau verstehen, sondern auch die Chance erhalten, in einen anderen Lebensbereich einzutauchen.“

Sicher, manche hätten schon einen Aufenthalt in einem Entwicklungsland oder als Zivildienstleistende im Altenheim im Lebenslauf. Doch die meisten hätten nur zielstrebig ihre Ingenieurkarriere verfolgt. Nun sollen sie die Perspektive wechseln und eine Weile mit Hilfsbedürftigen, sozial Schwachen, Sterbenden, mit behinderten Kindern oder mit straffälligen Jugendlichen arbeiten.

Fachkräften, denen Führung nicht liegt, ist eine Karriere bei Trumpf nicht verschlossen. Im Geschäftsjahr 2013/2014 führte das Unternehmen Experten- und Projektleiterebenen ein. Sie seien den entsprechenden Führungsebenen gleichwertig, erläutert Grunwald: „Wir sind eine Hochtechnologiefirma und haben viele kluge Köpfe mit großem Fachwissen. Das ist für uns genauso wichtig wie Führungswissen. Die Wertschätzung schlägt sich in der Bezahlung und in den äußeren Rahmenbedingungen nieder.“

Neupert empfiehlt Trumpf gerne weiter: Zwei ehemalige Institutskollegen arbeiten hier schon. „Mir gefallen die Kontinuität und die langfristige Sicht eines Familienunternehmens, immer in Kombination mit Innovation. Es wird weit in die Zukunft geschaut.“

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