SERIE EXPATRIATES 29. Aug 2014 Sebastian Wolking Lesezeit: ca. 4 Minuten

Als Ingenieur zwischen Bohrturm und Rennstrecke in Abu Dhabi

In Abu Dhabi war Thomas Kerkenpass eine "Weißnase" aus Deutschland. Der Maschinenbauingenieur kümmerte sich in der Glamourstadt am Golf acht Jahre lang um U-Boote und Achterbahnen. Und wäre mit etwas Pech beinahe im Gefängnis gelandet. Mit dieser Folge endet unsere Serie.

homas Kerkenpass hat ein großes Abenteuer in Abu Dhabi erlebt, ist aber auch froh, dass er sich wieder frische deutsche Leberwurst aufs Brot schmieren kann.
Foto: S. Wolking

In der Wüste vor Abu Dhabi schießen die Bohrtürme in die Höhe – und mit ihnen das schwarze Gold. Für das Emirat, eines von insgesamt sieben der Vereinigten Arabischen Emirate, ist das Ölgeschäft nach wie vor bedeutendster Wirtschaftszweig. „Die Idee war, das ganze Equipment nicht mehr in die Stadt hineinzuschleppen, sondern direkt draußen am Ölfeld zu warten“, erzählt Thomas Kerkenpass. Für die staatliche Ölgesellschaft errichtete der 48-Jährige mit seinem Team daher eine Werkstatt in der Wüste, in der nun unter anderem die sensiblen Hochdruckpumpen in Schuss gehalten werden. Für die Ölscheichs bedeutet das: weniger Aufwand, weniger Transportkosten, noch flüssigere Arbeitsabläufe.

Serie: Expats

Kerkenpass ist gelernter Maschinenbauingenieur. In Duisburg hat er 1994 sein Diplom gemacht, dann ohne Umwege bei der Bochumer Traditionsfirma Wollschläger angeheuert. Das Familienunternehmen, 1937 in Danzig als klassisches Eisenwarengeschäft aus der Taufe gehoben, ist heute ein großes Werkzeughandelshaus und zählt zu Bochums größten Arbeitgebern. Derzeit zieht Wollschläger am Bochumer Carolinenglück eine große neue Firmenzentrale hoch. Nach und nach sind in den letzten Jahren auch Niederlassungen im Ausland eröffnet worden, in China und Rumänien zum Beispiel. Und eben in Abu Dhabi.

2004 stieg Kerkenpass mit Frau Beate in den Flieger Richtung Abu Dhabi International Airport. Der gebürtige Weseler hatte den Auftrag einer deutschen Firma im Gepäck, die hochmoderne elektrische U-Boote baut. Dafür benötigten die Deutschen eine Zerspanungsmaschine, U-Boot-Teile – und einen Experten, der die Gerätschaften vor Ort aufstellt und das Personal schult. Kerkenpass, ein Spezialist für Werkzeugmaschinen, veranschlagte für das Projekt sechs Wochen – und blieb letztlich acht Jahre im Nahen Osten.

In Abu Dhabi übernahm er für Wollschläger die Geschäftsführung, kümmerte sich mit Verve auch um den Vertrieb. Sein größter Trumpf: der deutsche Pass. „Made in Germany ist da schon etwas Besonderes“, erinnert er sich. Deutsche Ingenieurkunst findet man in Abu Dhabi geradezu an jeder Ecke. Perfekte Voraussetzungen also für den Techniker, um im Wüstenwunderland zu reüssieren. „Für deutsche Ingenieure gehen überall die Türen auf, da wird man gerne empfangen.“

In Abu Dhabi sind Einkünfte steuerfrei

– Bevölkerung: Die offizielle Einwohnerzahl von Abu Dhabi wird auf 920 000 geschätzt und ist damit ungefähr halb so groß wie im Nachbaremirat Dubai.
– Preise: Die Lebenshaltungskosten sind in etwa vergleichbar mit denen in Deutschland. Im Nahen Osten zählt Abu Dhabi zweifelsfrei zu den teuersten Städten, im „Cost of Living“-Ranking 2014 der Unternehmensberatung Mercer rangiert die Stadt nur hinter Tel Aviv, Beirut und Dubai.
– Steuern: Einkünfte sind in Abu Dhabi grundsätzlich steuerfrei. Aber: Personen mit Hauptwohnsitz in Deutschland, die etwa von deutschen Unternehmen entsandt werden, sind voll in Deutschland steuerpflichtig. Dies regelt das Doppelbesteuerungsabkommen zwischen Deutschland und den Vereinigten Arabischen Emiraten, das 2011 in Kraft trat.  SW

Auch von den Machern der „Ferrari World“, die den ambitionierten Franchise-Freizeitpark 2010 feierlich einweihten. Für den besonderen Kick sorgt seitdem die Formula Rossa, vom deutschen Rollercoaster-Ingenieur Werner Stengel konzipiert und mit 240 km/h angeblich die schnellste Achterbahn der Welt. Kerkenpass schaffte derweil Drehmaschinen, Fräsmaschinen, Radialbohrmaschinen, Flachschleifmaschinen heran und stattete damit die Maschinenwerkstatt aus, in der die Waggons nun regelmäßig einer Rissprüfung und anderen Wartungsarbeiten unterzogen werden.

„Wir sind in unserer Freizeit oft Achterbahn gefahren“, sagt Kerkenpass und meint damit sich selbst und Sohnemann Stefan. Der Junior kam 2005 zur Welt, Frau Beate flog für die Geburt extra zurück nach Deutschland – sicher ist sicher. Die ersten Lebensjahre aber verbrachte Stefan in der Glitzerstadt, ging auf eine kanadische Privatschule und spielte mit anderen Kindern aus der großen „Expat“-Community.

Ohnehin pflegten die Weseler vor allem mit anderen Expatriates freundschaftliche Beziehungen. Viele US-Amerikaner und Engländer leben in Abu Dhabi, wie die Deutschen von den Arabern liebevoll als „Whitenoses“, Weißnasen, bezeichnet. Gemeinsam fuhren sie am Wochenende schon mal raus in die Wüste, setzten sich in den warmen Sand und brutzelten Würstchen überm Lagerfeuer.

„Es regnet in Abu Dhabi vielleicht vier Tage im Jahr“, erzählt Thomas Kerkenpass, der auch den Formel-1-Boom im Golfstaat hautnah miterlebte. 2009 machte der Rennzirkus hier erstmals Station – und bescherte dem Emirat weitere Aufmerksamkeit. Sebastian Vettel raste damals an der Tribüne vorbei, auf der Vater und Sohn Kerkenpass das Spektakel verfolgten, während im Hintergrund Skyline und Hafen aufblitzten. Ehefrau Beate indes radelte den Parcours lieber auf ihrem Rennrad ab, dienstagabends war er regelmäßig für Freizeitradler reserviert.

Trotzdem ist in Abu Dhabi längst nicht alles schwarzes Gold, was glänzt. „Die Emirate sind kein Rechtsstaat“, betont Kerkenpass ohne Umschweife. Hinter den Fassaden der Wolkenkratzer lauere oftmals behördliche Willkür, im chaotischen Straßenverkehr beispielsweise sei man den Beamten im Zweifel hilflos ausgeliefert. Auch die Hackordnung sei befremdlich. „Als Deutscher steht man weit oben in der Nahrungskette“, sagt Kerkenpass, ähnlich wie die US-Amerikaner. Weniger komfortabel seien die Rahmenbedingungen hingegen für die unzähligen Arbeiter aus Bangladesch oder Indien, die auf Ölfeldern und Baustellen schuften, oder für die vielen Hausmädchen von den Philippinen.

Und von einer Gleichstellung der Geschlechter sei das Emirat ohnehin weit entfernt. Als Mann alleine mit einer einheimischen Frau im Fahrstuhl zu fahren, schon das sei ein absolutes No-Go. Diesen Fehler hat Kerkenpass aus reiner Unwissenheit begangen, ganz am Anfang. „Zum Glück hat es keinen Eklat gegeben“, sagt er rückblickend. „Ich hätte im Gefängnis landen können.“

Das ist ihm zum Glück erspart geblieben. Seit 2012 ist der Projektingenieur mit seiner Familie zurück am Niederrhein. Das Schlechte daran: Sohn Stefan hat sein akzentfreies Englisch nahezu vollständig wieder verlernt. Das Schöne: Thomas Kerkenpass kann sich endlich wieder frische deutsche Leberwurst aufs Brot schmieren. „Die wird in Abu Dhabi in Gold aufgewogen.“

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