Studie zu Innovationen im Mittelstand 07. Okt 2020 von Peter Steinmüller Lesezeit: ca. 3 Minuten

„Leadership ist essenziell“

Wo die Innovationskultur im deutschen Mittelstand ihre Schwächen hat und was das Management dagegen tun kann, erklären Heike Bruch und Sophie Meier von der Universität St. Gallen.

Heike Bruch: "Die richtigen Leadership- und Kulturstrategien sind entscheidend für diese Krise, in welcher viele der Unternehmen auf Knopfdruck den Sprung in die New Work schaffen müssen."
Foto: zeag GmbH/KD Busch

„Die deutsche Industrielandschaft ist von Innovationsträgheit geprägt – das ist fatal, wenn die Wirtschaft Krisen bewältigen muss“ – die Analyse des Instituts für Führung und Personalmanagement an der Universität St. Gallen fällt auf den ersten Blick ernüchternd aus. Im Auftrag des Zentrums für Arbeitgeberattraktivität in Konstanz (zeag GmbH) erforschten die Wissenschaftler, wie sich der deutsche Mittelstand beim Thema Innovationskraft besser aufstellen kann. Die Grundlage ist eine starke Innovationskultur im Unternehmen – sie führt zu bis zu 27 % mehr Innovationskraft. Auf eine solche Innovationskultur können laut Studie allerdings nur 9,5 % der über 100 untersuchten Unternehmen zurückgreifen. Zu den Konsequenzen befragte VDI nachrichten die studienverantwortliche Professorin Heike Bruch und ihre Mitarbeiterin Sophie Meier.

VDI nachrichten: Unser Wohlstand beruht wesentlich auf den mittelständischen Weltmarktführern, den Hidden Champions. Insofern brauchen wir uns um die Innovationskraft der deutschen Unternehmen keine Sorgen machen?

Sophie Meier: „Unternehmen haben verpasst, Kultur und Leadership rechtzeitig hin zu einem Innovations-Mindset zu entwickeln.“ Foto: IFPM

Sophie Meier: Der deutsche Industriestandort ist geprägt von einer Denkweise, die auf Kontinuität und Optimierung setzt. Mut zum Probieren und der Wille, auch mal riskante, jedoch chancenreichere Wege zu gehen, geraten dabei oft in den Hintergrund. Das gilt auch für die Hidden Champions, die aufgrund geringer Konkurrenz meist ohnehin schon einen geringeren Innovationsfokus verfolgen. Die Unternehmen sollten nun daher gezielt in eine innovative Neuausrichtung investieren. Nur so können sie auf lange Sicht bestehen.

Worauf führen Sie das Fehlen dieser Innovationskultur zurück?

Sophie Meier: Traditionell stehen in der deutschen Unternehmenslandschaft einige zentrale Werte im Vordergrund, die auch die Innovationskraft bedingen: Tradition, Stabilität, Zuverlässigkeit. Diese Werte sind per se nicht verwerflich – führen bei vielen Unternehmen jedoch zu einer regelrechten Innovationsträgheit. Zugleich haben diese verpasst, Kultur und Leadership rechtzeitig hin zu einem Innovationsmindset zu entwickeln, welches jedoch entscheidend ist. So sind sie zunehmend hinter ausländischen Konkurrenten zurückgefallen.

Was müssen Führungskräfte tun, um die Innovationskultur zu stärken?

Sophie Meier: Leadership ist für eine starke Innovationskultur essenziell. Einerseits braucht es stark visionäre Führung, die Mitarbeitenden ein erstrebenswertes und ambitioniertes Bild der Unternehmenszukunft aufzeigt. Das verleiht den Aufgaben Einzelner Sinn, Mitarbeitende fühlen sich dazu ermutigt, groß zu denken und zu träumen. Zum anderen sollte auch ein starker Fokus auf innovations- und explorationsfokussierte Führung gelegt werden, um bei jedem einzelnen eine Priorisierung derjenigen Aufgaben zu fördern, die das Unternehmen konzeptionell voranbringen.

Die aktuelle Wirtschaftskrise führt dazu, dass die Angst vor dem Arbeitsplatzverlust steigt. Entsprechend halten Mitarbeiter lieber an Bewährtem fest, statt Neues zu wagen. Wie sollten Chefs diesen Ängsten begegnen?

Heike Bruch: In unserer Studie zeigt sich neben Leadership und Mindset eine dritte entscheidende Komponente einer starken Innovationskultur: ein ausgeprägtes Lernklima. Gerade in der Krise gilt es, Mitarbeitende dazu zu inspirieren, diese außergewöhnliche Zeit zu nutzen, um Neues zu lernen, Kompetenzen zu ergänzen und zu erweitern. Diejenigen Mitarbeitenden, die sich gerade jetzt trauen, neue Ideen und Projekte voranzutreiben und diese zur persönlichen Weiterentwicklung nutzen, werden individuell, aber auch für ihre Organisation als Gewinner aus der Krise gehen.

Die Unsicherheit angesichts der weltweit größten Wirtschaftskrise seit den 1920er-Jahren belastet auch Führungskräfte. Wie bewältigen diese die aktuellen Herausforderungen?

Heike Bruch: Die richtigen Leadership- und Kulturstrategien sind entscheidend für diese Krise, in welcher viele der Unternehmen auf Knopfdruck den Sprung in die New Work schaffen müssen. Einige von ihnen nutzen die Chance für eine umfassende Kulturtransformation. Ein Großteil beschränkt sich auf gezwungene Maßnahmen wie Homeoffice oder verstärkte digitale Kommunikation. Wichtige Faktoren wie inspirierende Führung und eine Vertrauenskultur bleiben hingegen aus. Unsere wissenschaftlichen Ergebnisse zeigen, dass dabei insbesondere Führungskräfte aus dem mittleren Management zunehmend an ihre Belastungsgrenze kommen. Hier braucht es starke Vorbilder an der Spitze, die Mut, Vertrauen und Commitment zu New Work vorleben.

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