GENTECHNIK 05. Jul 2019 Rainer Kurlemann Lesezeit: ca. 3 Minuten

Die Angst vor dem Designerbaby

Crispr/Cas9 arbeitet wie eine molekulare Genschere. Mit ihr lässt sich das Erbgut von Mensch und Tier gezielt verändern. Genscheren können bereits im Internet bestellt werden. Was künftig erlaubt ist und was verboten werden sollte, darüber beriet sich kürzlich der Deutsche Ethikrat.

Wunschkind: blond, blauäugig, von Beruf Architekt oder Ingenieur? Auch mit solchen Vorstellungen befasste sich nun der deutsche Ethikrat.
Foto: PantherMedia.net/depositedhar

Der Vorsitzende des Deutschen Ethikrats fand deutliche Worte: „Die Welt unserer Kinder wird eine von Crispr/Cas9 geprägte Welt sein“, sagte Peter Dabrock bei der Jahrestagung seines Gremiums in Berlin. Ein Satz mit großer Tragweite. Dabei steht der 52-Jährige nicht im Verdacht, ein Lobbyist der Gentechnik zu sein – er ist evangelischer Theologe an der Uni Erlangen.

Aber er weiß, wovon er spricht. Hinter dem sperrigen Begriff Crispr/Cas9 verbirgt sich eine Art molekulare Schere, mit der Forscher einzelne Gene im Erbgut zerschneiden und gezielt verändern können. Diese Genschere eignet sich für alle Lebewesen und hat weltweit die Arbeitsstätten von Medizinern, Pflanzenzüchtern und Biotechnologen erobert.

Die Methode Crispr/Cas9 ist schnell, billig und einfach in der Handhabung. Selbst kleine Labore können damit problemlos an der DNA arbeiten. Wenn die Forscher wissen, welches Gen sie verändern wollen, können sie die passende Genschere sogar einfach im Internet bestellen.

Dabrocks Einschätzung der nahen Zukunft wird durch eine andere Meldung unterstützt. Fast am gleichen Tag genehmigte die US-amerikanische Aufsichtsbehörde FDA die weltweit erste klinische Studie für eine neue Form der Krebstherapie. Die Mediziner haben Immunzellen der Patienten genetisch verändert, damit sie die Tumorzellen besser erkennen und vielleicht sogar bekämpfen. Solche gentechnischen Modifikationen bleiben auf den Patienten beschränkt und werden nicht an seine Nachkommen weitergegeben. Aus Sicht des Ethikrats gelten sie deshalb als unproblematisch – der Patient kann zustimmen oder ablehnen.

Auch in Deutschland werden klinische Studien nach diesem Prinzip vorbereitet. Statt Medikamente zu verabreichen, will man kranke Zellen des Körpers reparieren, wenn die Fehlfunktion durch einen Gendefekt entstanden ist. Das soll vor allem austherapierten Patienten helfen.

Dabei wird es nicht bleiben. Gentechnisch veränderte Mücken könnten dafür sorgen, dass der Überträger der Malaria ausgerottet wird. Zudem experimentieren Biotechnologen am Erbgut der Hefe, damit die Kleinstlebewesen zu Biofabriken werden und Wirkstoffe produzieren.

In den USA sind bereits Lebensmittel im Verkauf, bei denen Pflanzen mit Crispr/Cas9 verändert wurden. Dort hält man das Verfahren für unbedenklich, weil es anders als die bisher übliche Form der Gentechnik keine Spuren oder artfremde Bestandteile in den Pflanzen hinterlässt.

Europäische Behörden tun sich dagegen schwer, das neue Verfahren zu bewerten. Seit Jahren warten hier die Pflanzenzüchter auf eine Entscheidung, ob der Einsatz der Genschere unter das strenge Gentechnikgesetz fällt ober nicht.

Vor diesem Hintergrund war die Jahrestagung des Ethikrats über den Zugriff auf das menschliche Erbgut längst überfällig. Das Gremium diskutierte vor allem über eine mögliche Veränderung der Keimbahn während einer künstlichen Befruchtung und über die Schaffung von Embryos mit einem vermeintlich besseren Erbgut. Dann wird die genetische Veränderung an die Nachkommen weitergegeben. Das große Ziel: defekte Gene zu reparieren.

Nach Einschätzung des Tübinger Kinderonkologen Karl Welte werden etwa 500 Krankheiten direkt mit Veränderungen im Erbgut in Verbindung gebracht. Etwa 20 % der Mutationen, die dazu führen, dass Menschen jung an Krebs sterben, seien bereits in der Keimbahn vorhanden. Der Hamburger Rechtsphilosoph Reinhard Merkel hält eine medizinische Korrektur der Gene eines Ungeborenen für vereinbar mit Menschenwürde und Persönlichkeitsrechten, wenn das Verfahren in der Zukunft ausreichend sicher sei.

Bischof Wolfgang Huber, der ehemalige Vorsitzende des Rats der evangelischen Kirche, warnte vor pauschaler Ablehnung der Technik. „Von Menschen erdachte Innovationen sind ein Feld verantwortlicher Gestaltung“, sagte Huber. „Es läuft auf die Frage hinaus, wie wir als Mensch sind, und ob wir diese Macht anwenden wollen“, ergänzt Kinderarzt Welte.

Manche Forscher träumen bereits vom Ausmerzen von krankmachenden Genen. Chinesen haben mit Experimenten an nicht überlebensfähigen Embryonen für Aufsehen gesorgt. Zum einen versuchten sie, Gene ins Erbgut einzuschleusen, die eine Immunität gegen HIV ermöglichen sollen. Zum anderen wollten sie im Embryo ein defektes Gen reparieren, das die Ursache für eine Blutkrankheit ist. Die Versuche hatten nur geringen Erfolg.

Bisher arbeitet die Genschere für einen gezielten Einsatz in der Keimbahn des Menschen nicht sicher genug. Aber britische Wissenschaftler besitzen eine Genehmigung für die Forschung an Embryonen, die nicht mehr zur Fortpflanzung vorgesehen sind. Auch in Schweden, Israel, Indien und den USA wird es ähnliche Forschungsprojekte geben.

DAS DEUTSCHE EMBRYONENSCHUTZGESETZ VERBIETET EINGRIFFE IN DIE KEIMBAHN

In Deutschland ist ein genetischer Eingriff in die Keimbahn durch das Embryonenschutzgesetz ohnehin verboten. Aber international wird die Forschung dadurch sicher nicht aufgehalten. Man mag den beteiligten Wissenschaftlern glauben, dass es ihnen vor allem um den therapeutischen Nutzen geht, aber das Gespenst eines Designerbabys stand beim Ethikrat durchaus im Raum und wurde von allen Experten abgelehnt.

Viele Experten zweifeln aber, ob das Risiko einer Genveränderung in der Keimbahn überhaupt nötig ist. „Die guten Ergebnisse einer erprobten Krebstherapie müssen erst einmal durch neue Verfahren wie Crispr/Cas9 erreicht werden“, erklärt Welte mit Blick auf die Überlebensrate von 90 % bei einigen Krebsarten.

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