Lärmforschung 24. Apr 2024 Von Elke von Rekowski Lesezeit: ca. 3 Minuten

Lautstärke: Wenn der Lärmblitzer zuschlägt

Hohe Lautstärke und Lärm zum Beispiel im Straßenverkehr stören die meisten Menschen und können sogar krank machen. Doch was hat das eigene Verhalten damit zu tun? In mehreren Projekten suchen Forschende nach Antworten.

Schilder als Hinweisgeber auf das lärmbewusste Fahrverhalten helfen offenbar dabei, dass Autofahrer ihre Fahrweise anpassen, um so die Lautstärke zu reduzieren.
Foto: Andreas Fuchs, AIT

André Fiebig leitet das Fachgebiet Psychoakustik am Institut für Strömungsmechanik und Technische Akustik der TU Berlin. Sein Ziel: Er will gesundheitliche Auswirkungen von Lärm durch Lärmschutz minimieren. „Dafür reichen konventionelle Maßnahmen wie lärmmindernde Fahrbahnbeläge oder die Verringerung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit nicht aus“, sagt der Wissenschaftler und betont, dass weitere Möglichkeiten zur Lärmminderung ausgeschöpft werden müssen.

Er ist davon überzeugt, dass die Reduzierung von verhaltensbedingtem Lärm einen entscheidenden Beitrag leisten kann. Lärmbewussteres Verhalten könne in vielen alltäglichen Situationen wesentlich zur Verringerung von Lärmkonflikten beitragen. Die Forschenden haben bereits 2023 den Einsatz einer Lärmblitzertechnologie am Berliner Kurfürstendamm wissenschaftlich begleitet. Dabei zeigte sich, wie oft verhaltensbedingter und damit vermeidbarer Lärm im Alltag zu beobachten ist.

Lautstärke mit neuem Blickwinkel betrachten

Doch wie solchen Lärm, erzeugt zum Beispiel durch lautstarkes „Aufheulenlassen“ von Automotoren, wirkungsvoll verhindern? „Im Lärmschutz steht fast immer der Blickwinkel der Betroffenen, die sich durch Lärm belästigt oder gestört fühlen, im Mittelpunkt. In zwei unserer Projekte drehen wir den Spieß um und schauen uns die Perspektive der Lärmverursachenden an“, sagt Cleopatra Moshona, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Fachgebiet. Ziel sei es herauszufinden, warum sich Menschen in bestimmten Situationen so verhalten, wie sie es tun und Wege zu finden, wie man sie zu lärmbewussterem Verhalten motivieren könnte.

Verkehr: Schild schlägt App im Kampf gegen Lautstärke

Dazu dient zum Beispiel ein im Rahmen des vom Bundesverkehrsministerium beauftragten Projekts Velma durchgeführter Fahrversuch mit Probanden. Hierbei untersuchten die Forschenden, ob und wie sich Autofahrer durch Hinweise zu lärmbewusstem Fahrverhalten animieren lassen und wie sich das auf die mittlere Fahrgeschwindigkeit auswirkt. Dazu setzten die Wissenschaftler zwei Hinweisgeber ein. Bei dem ersten handelte es sich um ein dynamisches, fahrzeuginternes Feedbacksystem in Form einer Smartphone-App. Der zweite Hinweisgeber war ein Schild am Straßenrand. Es zeigte sich, dass die App keinen nennenswerten Einfluss auf die durchschnittliche Fahrgeschwindigkeit der Autofahrer hatte. Anders war es beim statischen Hinweisgeber, dem Schild mit dem Slogan „Leise fahren, Ruhe wahren. Gut für Mensch und Umwelt“. Er führte zu einer niedrigeren Durchschnittsgeschwindigkeit in der Probandengruppe.

Die eigene Lautstärke ins Bewusstsein rücken

In einem zweiten Projekt im Auftrag des Umweltbundesamtes untersucht ein Forscherteam, inwieweit aktive Beteiligung und Mitwirkung bei der Lärmvermeidung zu einem lärmbewussteren Verhalten führen kann. Ziel ist die Entwicklung neuer Möglichkeiten, Menschen zu einem lärmbewussteren Verhalten zu motivieren. Qualitative Interviews haben hier bereits gezeigt, dass viele wenig über die eigene Geräuscherzeugung nachdenken und sich oft nicht über das mögliche Störpotenzial durch das eigene Handeln wie lautes Sprechen oder die Nutzung lauter Geräte in der Wohnung bewusst sind. Aktuell untersuchen die Forschenden, welchen Stellenwert das Thema Umwelt im Allgemeinen und Lärm im Speziellen im täglichen Leben besitzen. Dabei interessiert sie vor allen Dingen, welche Handlungsmöglichkeiten es in alltäglichen Lärmkonfliktsituationen gibt und wie sie genutzt werden.

Lärm machen immer nur die anderen

„Unsere Untersuchungen zeigen, dass sich Menschen selten als Lärmverursachende sehen. Lärm wird fast ausschließlich als Produkt anderer aufgefasst“, so Moshona. Denn häufig fehle ein gewisses Maß an Selbstreflexion. Die Einsicht darüber, dass das Lärmverhalten im eigenen Einflussbereich liege, sei entscheidend dafür, dass sich Lärmbewusstsein entwickele. Im Gegensatz zu stabilen Persönlichkeitsmerkmalen wie Lärmempfindlichkeit könne sich Lärmbewusstsein im Laufe der Zeit ändern. „Es gibt keinen An/Aus-Hebel“, betont die Wissenschaftlerin. So könnten Menschen zwar generell lärmbewusst sein, aber sich zuweilen trotzdem laut und damit störend verhalten. Etwa, wenn jemand im Sommer an einer Videokonferenz teilnehme, das Fenster geöffnet habe und laut spreche, ohne sich dessen bewusst zu sein.

Moshona sieht die Lärmminderung als eine wichtige gesellschaftliche Aufgabe, die alle betrifft. „Ich finde es spannend, Menschen das Thema Lärm näher zu bringen, ohne ihnen ein schlechtes Gewissen einzureden oder eine Verbotskultur zu verfolgen“, sagt sie.

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