Mit Prinzipien der Relativitätstheorie 08. Jun 2024 Von Stephan W. Eder Lesezeit: ca. 4 Minuten

Optische Atomuhr misst Höhenunterschiede präziser als je zuvor

Höhenmessung per optischer Atomuhr: Dieses Prinzip - und seine Grundlagen zeigt diese Grafik der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) in Braunschweig. In Deutschland liefert die PTB mit ihren Atomuhren die gültige Zeit. Was so eine Atomuhr allerdings als Sekunde misst, das ist abhängig von der Schwerkraft an dem Ort, an dem sich die Uhr befindet. Die Physik nutzt dazu die in der Grafik dargestellte Formel. Was wie ein "v" aussieht ist ein kleines griechisches Ny und steht in der Physik für Frequenz. Atomuhren messen die Zeiteinheit Sekunde über den Umweg einer hochgenauen Frequenzmessungen. vPTB ist also die in der PTB gemessene Frequenz. vMPQ ist die Frequenz, die in München am Max-Planck-Institut für Quantenoptik gemessen wurde. Dorthin haben die Braunschweiger eine optische Atomuhr im Anhänger gefahren. ΔU ist ein Maß dafür, wie hoch die Höhendifferenz zwischen zwei Orten ist. Diese Größe ist winzig, lässt sich aber messen, wenn die sogenannten Klockraten (Gangunterschied der Uhren) der beiden Uhren direkt über eine hochstabile Glasfaserverbindung miteinander verglichen werden können. Grafik: PTB

Mit optischen Atomuhren lassen sich Höhenunterschiede genau messen. Gelänge dies einfacher, wäre dies sehr hilfreich, um zum Beispiel die Höhe des Meeresspiegels besser bestimmen zu können.

Wie hoch ist der Meeresspiegel eigentlich an verschiedenen Orten? Ihn genau zu bestimmen, ist in Zeiten des Klimawandels eine wirklich wichtige Sache. Dumm nur, dass die Höhenmessung so ihre Tücken hat: Jedes Land hat sein eigenes Messsystem, ein sogenanntes Höhennetz, und da kann es Unterschiede geben. Über Kontinente hinweg sind die Höhennetze besonders schwierig anzugleichen. So gibt es zum Beispiel zwischen Europa und Nordamerika einen Unsicherheitsbereich von einigen Metern.

Was tun? Zumindest den Ansatz für eine Lösung hat die Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) in Braunschweig. Der Lösungsansatz leitet sich aus der allgemeinen Relativitätstheorie her. Danach ist die Länge der Sekunde, die die Atomuhr misst, abhängig von der Schwerkraft an dem Ort, an dem sich die Uhr befindet: An unterschiedlich hoch gelegenen Orten auf der Erde vergeht die Zeit unterschiedlich schnell. Physikalisch korrekt ist es ein Unterschied im Schwerefeld der Erde, das sich messen lässt.

Mobile optische Atomuhren machen hochgenaue Höhenmessungen möglich

Die Lösung wäre also, die Zeit zweier optischer Atomuhren an verschieden hoch gelegenen Orten zu vergleichen. Der einzige Knackpunkt: Atomuhren sind weltweit wirklich extrem selten. Optische Atomuhren sind aber noch viel seltener – und es braucht gleich zwei von ihnen für diese vergleichende Höhenmessung. Die PTB in Braunschweig hat für das heikle Problem im Verlauf von ein paar Jahren eine Lösung entwickelt: eine mobile optische Atomuhr, fix und fertig montiert in einem umgebauten Autoanhänger.

Höhenmessung durch eine transportable optische Uhr. Sie ist in einem Anhänger untergebracht. Diesen Anhänger entwickelte die PTB über viele Jahre hinweg. Knackpunkt war, die Atomuhr, die als Laborexperiment normalerweise viel mehr Platz hat, ingenieurtechnisch so zu modifizieren, dass diese kompakte Bauart zustande kam. Foto: PTB

Das Messprinzip: Die eine Atomuhr ist die in einem Zeitmesslabor, wie sie zum Beispiel die PTB in Braunschweig eingerichtet ist. In den Laboren der PTB ist die genaue Höhe der Atomuhr durch andere Messmethoden bekannt (s. u.). Der Anhänger mit der anderen Atomuhr lässt sich dann von Ort zu Ort fahren. Das Einzige, was es dann noch braucht, ist ein hochstabiler Glasfaseranschluss, mit dem beide Atomuhren verbunden werden können. „So können wir über das sogenannte chronometrische Nivellement die Unterschiede im Schwerefeld der Erde direkt und sehr genau durch Unterschiede in den Frequenzen der Uhren messen“, erklärt PTB-Physiker Christian Lisdat.

Optische Atomuhr kann 400 m Höhendifferenz auf 27 cm genau messen

Eine optische Atomuhr im Autoanhänger? Wenn man weiß, dass in der PTB die offizielle Zeiteinheit für Deutschland in riesigen Hallen erzeugt wird, ist so eine Atomuhr im Anhänger wie die Erfindung der Armbanduhr, verglichen mit einer Standuhr. Ist aber mit jahrelanger Tüftelei machbar. Lisdats Team werkelt schon seit 2016 daran herum.

Und warum eine optische Atomuhr? Die mit sichtbarem Licht (das meint „optisch“) betriebenen Atomuhren messen einfach genauer als die mit Mikrowellen betriebenen Cäsiumuhren, die heute noch den offiziellen Zeitstandard erzeugen. Daher sind optische Atomuhren für diese Messungen notwendig. Anmerkung: Warum die optischen Atomuhren nicht längst die mikrowellenbasierten als Basis für den offiziellen Zeitstandard abgelöst haben, hat sowohl metrologische wie politische Gründe. Schließlich muss das alles weltweit vereinbart werden. Und das dauert seine Zeit. Jetzt haben die Braunschweiger dieses System zusammen mit der Leibniz-Universität Hannover (LUH) und dem Max-Planck-Institut für Quantenoptik (MPQ) getestet und den Höhenunterschied zwischen München und Braunschweig gemessen. Luftlinie ist das eine Entfernung von 457 km, der Höhenunterschied beträgt rund 400 m. Ergebnis: Diese 400 m Höhendifferenz lassen sich mit einer Genauigkeit von 27 cm messen. Dazu hatte die PTB ihre Strontium-Atomuhr im Anhänger an das MPQ nach München gefahren.

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Konkret führt laut Lisdat jeder Meter Höhenunterschied auf der Erde zu einer Frequenzänderung von 10–16. Hier kommt die Strontium-Atomuhr als Messinstrument ins Spiel: „Die hat eine Auflösung von 10–17– und dann ist dieser Effekt deutlich sichtbar“, erklärt Lisdat. Und das auch relativ schnell, denn die Strontium-Atomuhr erreicht ihre Genauigkeit bald nach dem Einschalten recht schnell. Mit einer Ytterbium-Uhr, die eine Genauigkeit von 3 x 10–18 erreicht hat, ergibt sich Lisdat zufolge eine Höhenauflösung von einigen Zentimetern. Die aber braucht viel länger zum Einschwingen.

Höhenmessungen mit optischen Atomuhren haben „revolutionäres Potenzial“

„Dies demonstriert die praktische Umsetzbarkeit chronometrischer Höhenmessungen mit optischen Uhren und ebnet damit den Weg für praktische Anwendungen in der relativistischen Geodäsie“, so die PTB. Derartige chronometrische Höhenmessungen hätten „ein revolutionäres Potenzial für die Messung und Beobachtung der Erde“. Geodäsie, Messwesen und Wissenschaft würden profitieren. „Beispielsweise lassen sich Unterschiede zwischen den Höhennetzen verschiedener Länder auflösen, die insbesondere dann groß sein können, wenn es keine direkte Landverbindung gibt – wie zwischen Inseln und dem Festland. Auch der Meeresspiegel könnte genauer überwacht werden, indem Pegel besser vernetzt oder sogar mit einem nahezu unveränderlichen Referenzpunkt im Weltraum verglichen werden“, so die PTB in ihrer Mitteilung.

Die Forscherinnen und Forscher an der PTB profitieren bei dieser Entwicklung davon, dass sie schon immer sehr genau aufpassen müssen, wie hoch eine aufgebaute Atomuhr denn nun gerade so steht – wegen dieses relativistischen Effekts. „Immer, wenn wir alle paar Jahre eine neue Uhr bauen oder einen Aufbau verschieben, müssen wir wissen, wie hoch die Uhr steht“, erklärt Lisdat. „Andernfalls könnten wir keine genauen Vergleiche im Haus oder mit den anderen Instituten in Europa durchführen.“ Diese Vergleiche werden aber inzwischen in einem Verbund europäischer Messlabore seit Jahren durchgeführt. Möglich machen das laut dem PTB-Forscher unscheinbare Metallknubbel, die etwa in Kniehöhe hier und da in den Laborgebäuden in die Wände gelassen sind. Es sind Höhenreferenzpunkte.

Interkontinentale Höhenmessung mit optischen Atomuhren bislang nicht möglich – es fehlt die richtige Glasfaserverbindung

Ein Problem aber lässt sich noch nicht so ohne Weiteres lösen: der interkontinental Höhenabgleich. „Wir haben keine interkontinentale Glasfaserverbindung, die mit unseren Techniken kompatibel wäre“, bedauert Lisdat. In Europa gibt es ein Netz: München, Paris, Turin, London, auch Polen wird gerade angebunden und es existiert ein Link zwischen Österreich und Tschechien. „Im Prinzip ließe sich mit der vorhandenen bzw. von uns verwendeten Glasfasertechnik wohl auch ein Link zum Beispiel über den Atlantik realisieren, allerdings nicht mit den Komponenten, die auf dem Grund des Atlantiks in den Telekom-Datenleitungen verbaut sind. Deswegen ist der Weg derzeit versperrt“, erklärt Lisdat. Es bräuchte in der Tat dafür neue Leitungen, die hochstabil sind und interferometrische Messungen mit einer Genauigkeit von 10–19 über mehrere Hundert Kilometer erlauben.

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