Nutzfahrzeuge 23. Jan 2015 Robert Donnerbauer Lesezeit: ca. 5 Minuten

Erdgas bewegt die Nutzfahrzeugbranche

Wenn die Energiewende gelingen soll, muss der Verkehrssektor seinen Teil dazu beitragen. Für das den Transporter-Bereich bietet sich Gas als Energieträger an. Doch die Hürden sind hoch: Kann man bei leichten Nutzfahrzeugen mit komprimiertem Erdgas (CNG) schon Erfolge vorweisen, so setzen die Hersteller von schweren Lkw für längere Reichweiten nun auch auf verflüssigtes Erdgas (LNG).

Grün unterwegs: Erdgasbetriebene Lkw und Sattelzugmaschinen wie der Iveco Stralis HiRoad, der in Italien bereits im Verteilerverkehr im Einsatz ist, bieten viele Vorteile – für die Umwelt und die Flottenbetreiber.
Foto: Iveco

Auf dem Papier drängt sich Erdgas als alternativer Kraftstoff für Nutzfahrzeuge geradezu auf: Nach Ansicht von Experten punkten Erdgasmotoren mit einer ganzen Reihe von Vorteilen. So können die Kraftstoffkosten laut MAN um 20 % bis 35 % gesenkt werden, was Flottenbetreiber im hart umkämpften Transport- und Logistikmarkt freuen dürfte. Zudem seien Erdgasmotoren deutlich leiser, die Schallintensität werde gegenüber einem Dieselfahrzeug halbiert.

Mehrwert durch bivalente Motoren

Für Nutzfahrzeuge bietet Bosch ein kombiniertes Erdgas- und Dieselsystem („Dual Fuel“) an. Damit können bis zu 90 % des Dieselkraftstoffs durch Erdgas substituiert werden.

Im Vergleich zu reinen Dieselaggregaten emittieren Dual-Fuel-Motoren bis zu 20 % weniger CO2 .

Fahrzeuge mit Dual-Fuel-Systemen können auch im reinen Dieselbetrieb gefahren und somit auch in Gebieten mit limitierter Gas-Infrastruktur eingesetzt werden.rodo/mah

„Flüssige Zündkerze“: Die Dieseleinspritzung entflammt im Motor das Gas. Eine externe Zündung wird überflüssig. Foto: Bosch

Laut Mercedes-Benz unterschreite etwa der neue Erdgasmotor „M 936 G“ des auf der IAA 2014 vorgestellten Lkw Econic NGT Euro VI, einem Sonderfahrzeug für den Entsorgungs- und Verteilerverkehr, die CO2-Emissionen eines entsprechenden Dieselmotors um bis zu 20 %. Und wie die Deutsche Energie-Agentur (Dena) berichtet, verursacht Erdgas fast 90 % weniger Stickoxide und emittiert fast keinen Feinstaub.

Soweit die Theorie. In der Praxis verläuft der Marktanlauf bisher schleppend, was sich bald ändern könnte: „Der Markt wächst derzeit mit der Infrastruktur“, konstatiert Wolf-Henning Scheider, Geschäftsführer von Robert Bosch, auf Anfrage der VDI nachrichten. Eine dynamische Entwicklung beobachte sein Unternehmen v. a. in Nordamerika, mit Gastankstellen entlang wichtiger Überlandstrecken, und in China, wo lokale Netze entstehen. Für das laufende Jahr erwartet Bosch knapp 50 000 Nutzfahrzeugmotoren mit Komponenten für den Erdgasbetrieb auszustatten, darunter Steuergeräte, Sensoren und Einblasventile – doppelt so viele wie noch 2014.

Gas als alternativer Kraftstoff für Lkw

LNG: „Liquified Natural Gas“ – verflüssigtes Erdgas. Das Gas, überwiegend Methan, wird in Kühltanks (s. Bild) auf -162 °C heruntergekühlt. So wechselt es seinen Aggregatzustand von gasförmig zu flüssig.

CNG: „Compressed Natural Gas“ – komprimiertes Erdgas. Erdgas wird bei Umgebungstemperatur in Drucktanks bei rund 200 bar gespeichert.

LPG: „Liquified Petroleum Gas“ – Flüssiggas, auch als „Autogas“ bezeichnet. Das Gemisch aus Propan, Propen, Butan und Buten fällt als Nebenprodukt in Erdölraffinerien und als Begleitgas bei der Förderung von Erdöl und Erdgas an. Es wird bei einem Druck von etwa 8 bar flüssig.

LNG im Tank: Verflüssigtes Erdgas braucht wenig Platz und ermöglicht Reichweiten bis 1000 km. Foto: Donnerbauer

Weltweit werde der Markt steigen – im Jahresschnitt um 13 %, prognostiziert Markus Heyn, Vorsitzender des Bereichsvorstands „Diesel Systems“ bei Bosch. Wurden allein 2013 rund 100 000 Trucks und Busse mit Gasantrieb ausgerüstet, so könnten es bis 2020 über 200 000 Stück pro Jahr sein.

Während bei Transportern für den Erdgasbetrieb in der Regel angepasste Ottomotoren zum Einsatz kommen, bietet sich bei schweren Nutzfahrzeugen und Bussen der Einsatz umgerüsteter Dieselmotoren an. Für den bivalenten Betrieb setzt Bosch auf ein kombiniertes Erdgas- und Dieselsystem („Dual-Fuel“). Damit könnten bis zu 90 % des Dieselkraftstoffs durch Erdgas substituiert werden. Die Diesel-Einspritzung agiert dabei als eine Art „flüssige Zündkerze“. D. h.: Sie entflammt das Gas, ohne dass eine gesonderte elektrische Zündung erforderlich wäre.

Exakt 846 leichte Nutzfahrzeuge mit Erdgasantrieb wurden laut diese Woche von der Brancheninitiative „Erdgas Mobil“ veröffentlichten Zahlen 2014 in Deutschland verkauft. Darunter so bewährte Modelle wie der Fiat Doblò Cargo, der Iveco Daily, der Sprinter, der Opel Combo oder der VW Caddy. Hinzu kamen 37 Busse und schwere Trucks: Erdgas-Busse bieten u.a. Iveco, MAN, Scania und Solaris an. Hinzu kommen gasbetriebene Sattelzugmaschinen wie der Iveco Stralis und der Scania P oder Entsorgung- und Verteilerfahrzeuge wie der eingangs erwähnte Econic. Der erste MAN-Lkw mit Erdgasmotor und CNG-Tank soll 2016 kommen.

Neue Hoffnung setzt die Gaswirtschaft auf verflüssigtes Erdgas („LNG“, s. Kasten). Durch Abkühlen auf -162 °C wechselt das Erdgas seinen Aggregatzustand von gasförmig zu flüssig. So benötigt es nur noch 1/600stel seines Volumens bei Atmosphärendruck.

LNG bietet sich auch an, weil sich das Gas per Tanker, also pipelineunabhängig, über größere Strecken zu den Verbraucherländern transportieren lässt. Um das LNG nun für Transportzwecke zu nutzen, wird es aus energetischen Gründen an den Anlandeterminals direkt in Tanklaster abgefüllt. In Thermobehältern wird es kühl und damit flüssig gehalten. So gelangt es zu den Tankstellen in Europa. Unter der Marke „Liqvis“ will E.on nun die Markteinführung von LNG in Deutschland vorantreiben, unterstreicht Olaf Rumberg, Geschäftsführer von E.on Gas Mobil. Dabei verlässt er sich nicht allein auf öffentliche Tankstellen. „Wir gehen aktiv auf Spediteure zu, die die Vorteile von LNG für sich nutzen wollen.“ So wolle man die kundenbezogene Betankungslogistik stärken. Über 90 % des LNG-Absatzes könnten über solche „Hoftankstellen“ vermarktet werden.

Laut Erdgas Mobil steht die Etablierung von LNG in Deutschland kurz bevor. „LNG ist die ideale und neben CNG die aktuell einzig praktikable Lösung für die Logistikbranche, um sich unabhängiger vom Erdöl zu machen“, betont Geschäftsführer Timm Kehler.

Aufgrund seiner hohen Dichte ermögliche LNG Reichweiten von rund 1000 km. Lkw mit CNG-Antrieb, die das Erdgas in Drucktanks mitführen, spielten bisher eher im regionalen Raum eine Rolle. Nun sollen LNG-Fahrzeuge, bei denen das Erdgas in Thermotanks kühl, d. h. flüssig gehalten wird, auch auf Mittel- und Langstrecken überzeugen. China zeige, was möglich sei, so Kehler. Hier gebe es bereits 1500 LNG-Tankstellen und knapp 100 000 LNG-Lkw.

„Europa kommt langsam aber sicher“, ist der Experte überzeugt. Vorreiter seien England und die Niederlande. Unterstützung kommt von der EU. Unlängst ist die „Richtlinie über den Aufbau der Infrastruktur für alternative Kraftstoffe“ in Kraft getreten. Deren Ziel ist es, Abhängigkeit des Verkehrssektors von Erdöl zu reduzieren und den Schadstoffausstoß zu drosseln. Gefordert wird u. a. der Ausbau eines alternativen Tankstellennetzes in Europa. Die EU-Staaten müssen bis 2016 nationale Ziele definieren. Zudem soll bis 2025 entlang wichtiger europäischer Transitrouten ein LNG-Tankstellennetz für den Güterverkehr entstehen.

Auf Fahrzeugseite hat mit dem Iveco Stralis LNG der erste Schwerlast-Lkw mit LNG-Antrieb die europäische Gesamtbetriebserlaubnis erhalten, berichtet Friedrich Lesche, Leiter Produkt bei Iveco Magirus. „Im reinen LNG-Betrieb kann der Stralis rund 700 km fahren und ist damit für den Verteilerverkehr hervorragend geeignet“, so Lesche. Auch Scania rechnet für seine G-Serie mit LNG-Tanks im Laufe des Jahres mit einer Freigabe für Deutschland. Die 9-l-Ottomotoren mit Euro VI sind für Erdgas oder Biogas ausgelegt. Ausgerüstet sind sie wahlweise mit CNG- oder LNG-Kraftstofftanks.

Der technische Aufwand bei der Umrüstung einer Lkw-Baureihe auf CNG-Betrieb ist relativ gering: So teilt sich der im Econic eingesetzte M 936 G-Motor laut Daimler zahlreiche Gleichteile mit dem Ausgangsmotor, dem 7,7-l-Dieselaggregat OM 936. Zylinderblock und Zylinderkopf wurden übernommen und an den CNG-Betrieb angepasst. Neu zu entwickeln waren „nur“ die Aufladung, die Ladeluftführung, die Zündung und die Gemischaufbereitung.

Für Spediteure noch wichtiger: Das Mehrgewicht im Vergleich zum dieselbetriebenen Pendant wurde durch den Einsatz neuer Gasflaschen in Leichtbauweise auf rund 500 kg halbiert. Bei einem Radstand von 3900 mm führt das zu einem Nutzlastzuwachs von 400 kg im Vergleich zum bisherigen Econic NGT.

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