Antriebstechnik in der Landwirtschaft 12. Jan 2024 Von Dierk Jensen Lesezeit: ca. 6 Minuten

Biogas als innovativer Kraftstoff

Biogas als nachhaltiger Kraftstoff ist auch in der Landwirtschaft in der Erprobung. Eine Testfahrt mit einem methanbetriebenen Modell des Herstellers New Holland während der letzten Ernte.

Auf dem Hof von Horst Seide dreht sich (fast) alles um Energie: Das Erntegut wird luftdicht siliert und dann im Fermenter zu Biogas vergoren.
Foto: Jörg Böthling

Frühherbstliches Licht fällt auf den Hof von Horst Seide. Direkt hinter dem Deich der Elbe, im Wendland. Vereinzelte gelbe Kreuze in der Umgebung erinnern daran, dass hier in dieser ostniedersächsischen Region das atomare Endlager Gorleben geplant war und am Widerstand der Bevölkerung gescheitert ist. Die Luft ist angenehm trocken, für Ende September ist es noch erstaunlich warm. An diesem Tag soll Mais als Gärsubstrat für die Biogasanlage gehäckselt werden.

Beeindruckende Landtechnik, geballte Power, alles steht auf dem Hof bereit. Die Laune im Ernteteam, allesamt Männer, ist bestens, obschon sie darauf warten, dass eine defekte Antriebsscheibe vom herbeigeholten Landmaschinenschlosser alsbald repariert wird. So lange ruht das Who‘s Who der Landmaschinenwelt: ein John Deere 7730, ein Claas-Häcksler, ein Vario Favorit Fendt 924 und ein Fendt 720 – ebenso wie der New Holland T6.180 Methane Power.

Letzterer ist ein Traktor mit einem 6-Zylinder-Motor und einer Leistung von 132 kW. Der Zusatz „Methane“ ist nur aus kurzer Distanz zu lesen, das Wort in bescheiden kleiner Schrift ist an der Motorhaube platziert. Er unterscheidet sich von seinem Diesel-Bruder mit identischer kW-Zahl auf den ersten Blick nur wenig, obwohl der eine klassisch-fossil betankt wird und der andere mit dem klimafreundlichen Kraftstoff Biomethan. Beide Modelle fügen sich nahtlos in das illustre Ensemble der versammelten Landmaschinen ein; dem Biomethanantrieb mutet nichts Exzeptionelles, Futuristisches oder gar offenbar Unterscheidbares an, nein, der Methantraktor ist mittendrin, gehört dazu.

Gastransport im Traktor: Auf unspektakuläre Weise wird der Kraftstoff von den Tanks zum Motor befördert. Foto: Jörg Böthling

Kaum Unterschiede zu spüren zwischen Methantraktor und Dieseltraktor

Wer sich ins Cockpit des Methantraktors setzt, spürt kaum Unterschiede zum Diesel-Kollegen. Es ist vielmehr der übliche Standard, der dem Nutzer der Leistungsklasse mittelgroßer Schlepper von 88 kW bis 147 kW, die in Deutschland rund ein Viertel aller Traktoren ausmacht, begegnet. Kurzum: Es fühlt sich auf dem Fahrersitz an wie bei einem normalbetankten Traktor auch.

Lediglich der vorne montierte schwarze Container, in der Fachsprache als „Range-Extender-Tank“ bezeichnet, macht einen sichtbaren Unterschied: Darin sind drei 90-l-Gasflaschen mit CNG, mit komprimiertem Erdgas liegend angeordnet. Wieso 90-Liter-Flaschen? Klaus Senghaas, seit vielen Jahren Kommunikationschef von New Holland in Deutschland, antwortet: „Die sind standardisiert, sind für den Straßenverkehr zugelassen und setzen wir im Mutterunternehmen auch im Lkw-Bereich seit vielen Jahren ein.“

Ob Methantraktor oder Dieseltraktor: Das Ankoppeln der benötigten Ackergeräte – etwa zum Pflügen oder Grubbern – verhält sich bei beiden Maschinen gleich. Foto: Jörg Böthling

Neben diesen drei Gasflaschen, die der Kunde je nach Bedarf mitbestellen kann, sind standardmäßig weitere sieben Flaschen im Frontbereich relativ unauffällig im Traktor integriert. So sind maximal 455 l bzw. 79 kg CNG an Bord. „Die darin getankte Menge reicht für den Einsatz auf der Straße von bis zu acht Stunden, auf dem Acker rund fünf bis sechs Stunden bei hoher Beanspruchung“, sagt Senghaas über die Reichweite.

Gasmotor ist im Betrieb minimal leiser

Der Motor des T6.180 startet. Wer genau hinhört, der bemerkt, dass der Sound im Vergleich zum Diesel-Bruder etwas anders rüberkommt. Er ist tatsächlich leiser, messtechnisch ermittelt liegt der Wert exakt 5 dB(A) niedriger, was auf ein niedrigeres Verdichtungsverhältnis beim Gasmotor zurückzuführen ist. Aufgrund dessen hört man als Fahrer plötzlich auch die höheren Töne des Getriebes klarer als bei einem Dieseltraktor, wo der lautere Motor diese überlagern würde. Allerdings muss der Fahrer seine Ohren schon genau spitzen, um das wirklich wahrzunehmen.

Ansonsten ist die Power des Methantraktors sofort da. Das merkt man besonders auf dem Acker, im vollen Einsatz. So auch beim Grubbern auf dem Acker von Horst Seide. Ein Grubber mit der Arbeitsbreite von 4,60 m wird durch den relativ schweren, tonhaltigen Marschboden gezogen. Die Zugkraft kommt sofort an, der Traktor zieht stabil durch. „Das liegt am guten Ansprechverhalten des Gasmotors, was wir durch eine Mehrfacheinspritzung erreichen“, unterstreicht Klaus Senghaas.

Sicher und praktisch: Das Tanken von CNG ist für den Anwender leicht zu handhaben. Foto: Jörg Böthling

Vorgängermodell wurde vielfach überarbeitet

Bei einer Motordrehzahl von 900 pro Minute sei nach seinen Worten das Ansprechverhalten „doppelt so gut“ wie bei einem vergleichbaren Diesel. Dabei muss man wissen, dass New Holland schon vor einigen Jahren ein Vorgängermodell an den Start gebracht hatte, das an vielen Stellen noch überarbeitet werden musste: Am CNG-Motor wurde nachjustiert, was zur Folge hatte, dass auch die Peripherie – ob nun Getriebe, Kühlung, Lichtmaschine oder weitere Komponenten – noch mal neu konfiguriert wurde.

Zudem ist ein 3-Wege-Kat, angeblich wartungsfrei, eingebaut. „Wenn ein CNG-Traktor, dann richtig“, hebt Senghaas im Namen von New Holland, einer Tochter des Fiat-Konzerns, auf eine Extrarunde an Entwicklungsarbeit ab, vor allem in Turin, aber auch in Großbritannien und der Schweiz. Das bisherige Feedback sei seit dem weltweiten Start der Serienproduktion am 1. November 2021 großartig. „Wir sind jetzt zum richtigen Zeitpunkt da“, versichert der Kommunikationschef, „es geht spürbar in Richtung CNG-Gas, weil wir im Traktorenbereich mit dem Einsatz von Biogas einfach am besten CO2 einsparen können.“

Komplexe Nutzfahrzeuge: Moderne Traktoren haben reichlich Hydraulik, Elektrik und Digitales mit an Bord. Foto: Jörg Böthling

Bei einer jährlichen Auslastung von 1000 Stunden pro Jahr und einer Laufzeit von sieben Jahren ergibt sich nach seinen Berechnungen eine CO2-Ersparnis von 535 t. Daher sieht er überhaupt nicht ein jähes Aus des Verbrennungsmotors kommen, „denn es geht absehbar gar nicht ohne ihn“.

Biogastraktor um ein Drittel teurer als sein Diesel-Bruder

Auch Landwirt Horst Seide freut sich über die gute Performance des Methantraktors. Der Präsident des Fachverbandes Biogas hat so lange auf ihn gewartet. Denn schon im Herbst 2017 hatte er das Vorgängermodell von New Holland auf seinem Betrieb für einige Wochen im Einsatz. Dann war erst einmal wieder Sendepause. Nun aber ist – und das in Zeiten des Kriegs zwischen Russland und der Ukraine und einer drohenden Gasknappheit – das serienreife Modell auf dem Hof im Einsatz. Es wird zum Pflügen und Grubbern, aber auch für Gülletransporte und Zubringerarbeiten eingesetzt.

Wenngleich der Traktor rund ein Drittel teurer ist als sein Diesel-Bruder, liege man bei den laufenden Kraftstoffkosten mit CNG schon um ein Drittel unter dem Niveau von Diesel. „Die Preisschere wird sich in Zukunft noch weiter öffnen“, verweist Seide auf die Befreiung von Methan beim Bundesemissionshandelsgesetz, welches fossile Kraftstoffe seit Beginn 2021 bekanntlich mit CO2-Steuern bepreist.

Von daher verwundert es nicht sehr, „dass einige Berufskollegen aus der Umgebung neugierig anfragen, wie es denn mit dem New Holland so läuft“. Das Interesse ist da. Zumal auch die Tankstelle im Wendland schon da ist, nämlich die von Horst Seide im Örtchen Dannenberg. Dort tankt man aktuell für 1,12 €/kg. Dabei dauert das Tanken max. vier Minuten, dann geht es voll weiter.

Zur Orientierung: 1 kg Gas ersetzt den Energiegehalt von rund 1,4 l Diesel. Von daher ist es jemandem wie Horst Seide, der Biogas seit langem an prominenter Stelle gegenüber Politik und Öffentlichkeit verteidigt und unermüdlich für Biomethan wirbt, nicht zu verdenken, dass er sich darüber freut, dass der methanbetriebene T6.180 Methane auf der Straße sogar zwei Stundenkilometer schneller ist als sein Diesel-Bruder. Methan auf der Überholspur – wer hätte das noch vor einigen Jahren gedacht? Doch scheint die Zeit dafür jetzt wohl reif zu sein.

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