Automation 08. Dez 2020 von Martin Ciupek Lesezeit: ca. 4 Minuten

Digitaler Zwilling prägt Entwicklungsprozesse

Seit Oktober ist Cedrik Neike CEO von Siemens Digital Industries. VDI nachrichten sprach mit dem ehemaligen Cisco-Manager, wie er die Digitalisierung in der Industrie künftig vorantreiben möchte und welche Rolle dabei die klassischen Automatisierungskomponenten spielen.

Cedrik Neike, seit Oktober 2020 CEO Siemens Digital Industries.
Foto: SiemensAG

VDI nachrichten: Herr Neike, die Messe SPS in Nürnberg hätte ihr erster öffentlicher Auftritt sein sollen. Jetzt gab es nur eine digitale Präsentation. Wie war ihr Einstieg als CEO unter den Bedingungen?

Neike: Es hat viel Spaß gemacht, war aber ungewohnt: Ich stand zwischen einer grünen Wand und Kameras, ohne direkten Kontakt zum Publikum.

Aber ich habe natürlich vor dieser virtuellen Veranstaltung schon viele Kunden getroffen, seit ich Digital Industries übernommen habe. Gemeinsam mit meinem Vorgänger Klaus Helmrich bin ich, soweit es möglich war, zu unseren Kunden gefahren. Auf internationaler Ebene haben wir allerdings vor allem Videokonferenzen genutzt.

Natürlich wäre die Messe eine gute Gelegenheit gewesen, viele Kunden persönlich zu treffen und direktes Feedback zu bekommen. Aber: Wir haben aus der Not eine Tugend gemacht und ein digitales Format für uns entwickelt: Dieser Digital Enterprise SPS Dialog war ein voller Erfolg und auch für mich persönlich unter den gegebenen Umständen ein sehr schöner Einstieg. Wir hatten rund 20 000 Anmeldungen und mehr als 1500 Expertengespräche mit über 2500 Kunden. Dieses Konzept werden wir, zumindest in einem hybriden Format, weiter nutzen. Das hat auch den Vorteil, dass die Informationen dann über die Veranstaltung hinaus rund um die Uhr für jeden zur Verfügung stehen.

Digitaler Zwilling in der Anwendung. Foto: Siemens Digital Industries Software

Fachleute sprechen gerne davon, dass nun „IT und OT zusammenwachsen“. Sie waren lange bei Cisco. Wie erklären Sie einem Unternehmer im Maschinenbau mit einfachen Worten, was damit gemeint ist?

Wenn eine Maschine gesteuert wird, dann geschieht das zwar mithilfe von Software. Das gehört aber alles noch zur Operational Technology – also OT. Diese OT produziert mittlerweile eine riesige Menge an Daten, die wir noch nicht ausreichend nutzen. Hier spielt IT in Zukunft eine wesentliche Rolle: Es geht darum, die Daten aus dem Shopfloor mit der IT zu verbinden und dort intelligenter zu verarbeiten – und diese Erkenntnisse dann wieder auf dem Shopfloor und in der OT zu nutzen. So werden beispielsweise Werkzeugmaschinen immer intelligenter und vernetzter.

Siemens Digital Industries hat im Bereich der Software im gerade zu Ende gegangenen Geschäftsjahr ein zweistelliges Umsatzwachstum erzielt, während die Hardware in Form klassischer Automatisierungskomponenten einen Rückgang verbuchte. Werden Sie irgendwann nur noch Software anbieten oder gehört beides für Sie zusammen?

Ich bin überzeugt, dass der eigentliche Nutzen darin steckt, dass man beides hat. Wenn ich allein an den Wert von Software geglaubt hätte, wäre ich heute noch im Silicon Valley. Sicher wird Hardware immer mehr durch Software veredelt. Umgekehrt erkenne ich immer öfter, dass Software durch Hardware Sinn bekommt. Im Silicon Valley sind die Spezialisten oft viel zu weit von den eigentlichen Prozessen entfernt. Wer also die Hardware – eine Fräsmaschine oder eine verfahrenstechnische Anlage – versteht, der kann mit Software viel mehr erreichen.

Durch unsere Akquisitionen sind wir inzwischen die größte Firma für industrielle Software der Welt. Das ist für sich noch kein Wert. Wenn sie aber die Softwarekompetenz mit der Automatisierungskompetenz verbinden, dann können Sie Ideen und Innovationen entwickeln, auf die Sie sonst nicht gekommen wären.

Wie kann man sich das vorstellen?

Wir sprechen ja von „data to value“, also davon, aus Daten Werte zu generieren. Umgekehrt machen Sie in der Software Ideen zu Daten. Um ein neues Produkt zu entwickeln, wird erst einmal ein Modell gebaut. Früher war es vielleicht aus Lehm, heute haben wir einen digitalen Produktzwilling. Damit sind wir heute in der Lage, ein Teil zu testen und zu optimieren, bevor es überhaupt physikalisch existiert. Wenn Sie also einen digitalen Zwilling haben, dann bekommen sie eine Entwicklungsgeschwindigkeit, die Sie sonst nie hätten.

Beeinflusst der digitale Zwilling das grundsätzliche Vorgehen in der Produktentwicklung?

Ja. Ich gebe Ihnen mal ein Beispiel: Im Silicon Valley spricht man gerne von agiler Produktentwicklung. Darauf folgte DevOps – Development Operations. Da geht es um die Anwendung von Cloud-Technologien. Nach dem DevOps-Konzept packen Sie neue Softwarefunktionen einfach in die Cloud und geben sie erst einmal an einen Kreis von etwa zehn Anwendern. Wenn diese keine Probleme damit haben, dann geben die Entwickler die Funktion 1000 oder 10 000 Anwendern und so weiter. So bekommen sie einen sehr schnellen Entwicklungsprozess hin.

Das kann vielleicht ein Streamingdienst machen. Im industriellen Bereich ist das so bisher nicht möglich. Die großen Automobilhersteller würden das nie in ihrer Produktion ausprobieren. Wenn Sie aber einen digitalen Zwilling haben, dann können Sie diesen DevOps-Ansatz auch in der Industriewelt nutzen. Das wird industrielle Entwicklungsprozesse erheblich verändern.

Bei Siemens Digital Industries geht es aber nicht nur um Produktentwicklung. Was wollen Sie in der Anwendung ihrer Automatisierungstechnik erreichen?

Wir haben bei den Computern gesehen, dass es von Zentralrechnern zu verteilten Rechnern ging. Gleiches ist auch bei den industriellen Steuerungen passiert. In der Cloud sind wir jetzt wieder in einer sehr zentralisierten Welt. Ich bin fest davon überzeugt, dass die Daten, die wir jetzt sammeln, wieder verstärkt auf dem Shopfloor verarbeitet werden. Wenn wir Hard- und Software integrieren, dann bekommen wir einen Mehrwert, den wir uns heute noch nicht vorstellen können. Dafür bringen wir Rechenleistung, Künstliche Intelligenz und Telekommunikation mit 5G in die Fabrikumgebung – durchaus mit einer Verbindung zur Cloud. Und industrielle Edge-Computing-Lösungen sind auch ein entscheidender Baustein, um Fähigkeiten der Datenanalyse an die Automatisierungshardware zu bringen und die Welten von OT und IT zu verbinden. Das ist die nächste Welle, die ich in der Industrieautomation sehe. Unsere Hardware mit den Möglichkeiten der Datenanalyse und der Verbindung zu anderen IT-Systemen zu erweitern, wird uns einen riesigen Schub bringen.

Ein Beitrag von:

Stellenangebote

Hochschule Anhalt

Professur Medizintechnik

Köthen
Westfälische Hochschule

Professur Künstliche Intelligenz und Industrielle Automation (W2)

Gelsenkirchen
Leibniz Universität Hannover

Universitätsprofessur für Turbomaschinen und Fluid-Dynamik

Hannover
Fachhochschule Münster

Ingenieur*in (TGA) im Labor Gebäudetechnik (w/m/d)

Steinfurt
Hochschule Fulda

Professur (W2) Angewandte Biotechnologie insbes. Zellkulturtechnik

Fulda
Justus-Liebig-Universität Gießen

Ingenieur/in oder staatl. gepr. Techniker/in Heizungs-, Lüftungs- und Klimatechnik oder Meister/in im Installateur- und Heizungsbauerhandwerk (m/w/d)

Gießen
NORDEX GROUP

Elektroingenieur (m/w/d) Validierung Grid Codes (m/w/d)

Hamburg, Rostock
Bundesagentur für Arbeit

Ingenieur/-in (w/m/d) Technische/-r Berater/-in in der Agentur für Arbeit Nürnberg

Bamberg, Bayreuth
Stadt Moers

Ingenieurin/Ingenieur als Fachdienstleitung Straßen- und Verkehrsplanung

Moers
Westfalen Weser Netz GmbH

Leitung Ablesesteuerung (m/w/d)

Herford, Paderborn, Bad Oeynhausen
Zur Jobbörse

Das könnte Sie auch interessieren

Empfehlungen des Verlags

Meistgelesen