Stahl 31. Jan 2022 Von Iestyn Hartbrich Lesezeit: ca. 4 Minuten

Umbau in der Stahlindustrie

Für fast alle Hochöfen in Deutschland, Österreich und den Niederlanden gibt es mittlerweile Abschaltpläne. Nach und nach werden sie durch Direktreduktionsanlagen ersetzt. Ein Blick auf die Landkarte.

Grafik: VDI nachrichten 2/2022, Gudrun Schmidt         Foto [M]: PantherMedia / Mondi.h / VDIn

ArcelorMittal

Foto: ArcelorMittal Bremen/Thomas Joswig

ArcelorMittal ist der größte Stahlproduzent der Welt. In Bremen betreibt der Konzern ein Hüttenwerk mit zwei Hochöfen. Laut den aktuellen Plänen soll einer davon bis 2027 vorzeitig stillgelegt werden. An dessen Stelle tritt eine Direktreduktionsanlage mit einer Jahreskapazität von 2,4 Mio. t DRI (direct reduced iron). „Unsere Anlage wäre eine der größten weltweit“, sagt André Körner, Geschäftsführer der ArcelorMittal Deutschland Holding.

Ein Teil des Eisens wird per Bahn ans Schwesterwerk in Eisenhüttenstadt geliefert. Der Rest wird vor Ort in einem neu gebauten Elektrolichtbogenofen (EAF) für die Stahlproduktion verwendet. Die Investitionen dieser ersten Phase in Bremen und Eisenhüttenstadt gibt ArcelorMittal mit über 1 Mrd. € an. Die Hälfte soll aus Subventionen kommen. „Ohne staatliche Förderung werden unsere Projekte nicht umgesetzt werden können“, sagt Körner.

Mitte der 2030er-Jahre stünde die Neuzustellung des zweiten Hochofens an. Nach derzeitiger Planung wird ArcelorMittal dann nicht neu zustellen. Der Konzern will sich langfristig auch von seinen Konvertern trennen und stattdessen nur noch im Elektrolichtbogenofen Stahl herstellen. Für Bremen ist ein zweiter EAF geplant.

Paywall

HKM

Foto: HKM

Die Hüttenwerke Krupp Mannesmann (HKM) betreiben ein integriertes Hüttenwerk mit Rheinhafen im Duisburger Süden. Das Unternehmen hat drei Gesellschafter: Thyssenkrupp Steel (50 %), Salzgitter Mannesmann (30 %) und Vallourec Deutschland (20 %). Bislang gibt es noch keine spruchreifen Pläne, auf Direkt­reduktion umzustellen. „Wir haben derzeit noch keine Strategie, die wird erarbeitet“, sagt ein Unternehmenssprecher auf Anfrage.

Thyssenkrupp

Foto: Thyssenkrupp

Der größte deutsche Stahlhersteller mit einer Roheisenkapazität von 10 Mio. t und Emissionen von 20 Mio. t CO2 jährlich ist Thyssenkrupp. In Duisburg betreibt der Konzern vier Hochöfen. Hochofen 9, der kleinste davon, soll bis 2025 zugunsten einer Direktreduktionsanlage stillgelegt werden. Bis 2030 soll ein zweiter, deutlich größerer Hochofen folgen. Die CO2-Emissionen sollen damit um mindestens 30 % sinken. Bis 2045 sollen die Duisburger Standorte hochofenfrei sein. „Wir liegen bei rund 7 Mrd. €“, sagt Matthias Weinberg, der Leiter des Kompetenzzentrums Metallurgie, über die Umbaukosten.

Thyssenkrupp setzt auf einen sogenannten Submerged Arc Furnace, ein Aggregat aus der Nichteisen-Metallurgie, um das direkt reduzierte Eisen aufzuschmelzen. Alle nachgelagerten Aggregate in der Prozesskette inklusive Konverter und Stranggießanlagen sollen beibehalten werden. Auf Elektrolichtbogenöfen will der Konzern deshalb verzichten.

ArcelorMittal

Foto: ArcelorMittal

Im brandenburgischen Eisenhüttenstadt betreibt ArcelorMittal ein Hüttenwerk mit Hochofen. Dieser soll gemeinsam mit einem Hochofen in Bremen bis 2027 stillgelegt werden, ebenso wie die Konverter im Stahlwerk. Parallel sollen zwei Elektrolichtbogenöfen gebaut werden.

Das direkt reduzierte Eisen (DRI) wird in einer Übergangsphase per Bahn aus Bremen angeliefert. Währenddessen beginnt in Eisenhüttenstadt der Betrieb einer DRI-Demonstratoranlage neuen Typs (Hyfor), die nicht wie andere DRI-Anlagen auf Erzpellets angewiesen ist, sondern mit Feinerz betrieben werden kann. Zunächst ist eine Jahreskapazität von 150 000 t geplant. Bewährt sich das Aggregat, soll die Kapazität gesteigert werden, bis das Werk von Lieferungen aus Bremen unabhängig ist.

Tata Steel

Foto: imago images/ahavela

Tata Steel betreibt an der Mündung des niederländischen IJ – Flusses ein Hüttenwerk mit Seehafen. Lange hatte der Konzern geplant, seine Hochöfen weiter zu betreiben und deren Emissionen per Carbon Capture and Storage (CCS) im Boden zu verpressen. Mittlerweile ist Tata auf die Direktreduktionsroute eingeschwenkt.

In einem ersten Schritt soll ein Hochofen abgeschaltet werden. Parallel wird eine Direkt­reduktionsanlage aufgebaut, an die sich entweder ein Elektrolichtbogenofen oder ein Submerged Arc Furnace (s. Seite 20/21) anschließt. Die nachgelagerte Prozesskette – Konverter, Stranggießanlage – bleibt intakt. „Auf unsere Konverter zu verzichten wäre enorm schwierig, weil sie so wichtig für die Produktqualität sind“, sagt Annemarie Manger, die für die Dekarbonisierung des Werks zuständig ist.

Tata Steel rechnet mit höheren Betriebskosten auf der Wasserstoffroute, verglichen mit der Hochofenroute. Der Stahlpreis könnte demnach um annähernd 100 €/t steigen.

Voestalpine

Foto: Voestalpine AG

Der österreichische Stahlhersteller Voestalpine betreibt je ein Hüttenwerk in Linz und Donawitz. Schrittweise sollen einzelne Hochöfen abgeschaltet werden, sodass der Konzern 30 % (oder 3 Mio. t bis 4 Mio. t) weniger CO2 im Jahr 2030 emittiert. Parallel soll eine Elektrostahlroute aufgebaut werden.

Voestalpine betreibt in Linz eine PEM-Elektrolyse im Pilotmaßstab und in Donawitz eine Forschungsanlage für die Direktreduktion, die – anders als die heute gängigen Anlagentypen – mit Feinerzen betrieben werden kann (Hyfor). Voestalpine geht davon aus, in Zukunft auf substanzielle Wasserstoffzulieferungen angewiesen zu sein. „Langfristig wäre für die Voestalpine beispielsweise der Bezug aus einem Pipelinenetz mit einer ergänzenden, netzdienlichen Eigenproduktion denkbar“, schreibt Stahlvorstand Hubert Zajicek auf Anfrage.

Stahl-Holding-Saar

Foto: Dillinger

Die Stahl-Holding-Saar (SHS) mit den beiden Stahlherstellern Dillinger und Saarstahl plant, zwischen 2027 und 2030 erste Elektroöfen (EAF) zu installieren. „Mit diesen ersten EAF-Kapazitäten werden wir in der Lage sein, einen ersten Hochofen zu ersetzen und die CO2-Emissionen substanziell zu reduzieren“, schreibt das Unternehmen auf Anfrage. In den Folgejahren soll auch die verbleibende Hochofenkapazität ersetzt werden. Die SHS hat noch keine Entscheidung darüber getroffen, ob der Eisenschwamm (DRI) intern produziert oder von externen Lieferanten bezogen werden soll.

Nach aktuellen Planungen verschwinden mit den Hochöfen auch die Konverter aus dem Saarland. Das Unternehmen plant mit einer Kombination aus DRI-Anlagen und Elektrolichtbogenöfen.

In der Variante mit DRI-Anlagen rechnet die SHS mit Umrüstkosten zwischen 3 Mrd. € und 4 Mrd. €. Zur Finanzierung soll eine „substanzielle Förderung“ beantragt werden.

Salzgitter

Foto: Salzgitter AG

Der zweitgrößte deutsche Stahlhersteller Salzgitter betreibt ein Hüttenwerk mit drei Hochöfen und einem CO2-Ausstoß von insgesamt annähernd 8 Mio. t jährlich. Der Konzern plant einen mehrstufigen Umbau des Standorts. Nach Abschaltung aller Hochöfen bis Mitte der 2030er-Jahre und unter Einsatz von 100 % Wasserstoff als Reduktionsgas sollen die Emissionen um 95 % sinken. Konzernchef Gunnar Groebler rechnet mit Umbaukosten von insgesamt 3 Mrd. € bis 4 Mrd. €.

Bis 2025 soll die erste, 1,25 Mrd. € teure Stufe abgeschlossen sein: Ein Hochofen würde stillgelegt und eine Direktreduktionsanlage gebaut. Im Ergebnis sinken laut Salzgitter die CO2-Emissionen um 30 %. Im Rahmen der zweiten Stufe sollen eine weitere Direktreduktionsanlage gebaut und der zweite Hochofen abgeschaltet werden (-50 % CO2).

Aktuell baut Salzgitter eine herunterskalierte Direktreduktionsanlage, um Erfahrungen mit der Technologie zu sammeln. Außerdem betreibt der Konzern im Hüttenwerk einen Hochtemperaturelektrolyseur im Pilotmaßstab.

Abschied vom Hochofen: Welche neuen Anlagen benötigt werden

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