Global Carbon Budget 2024 13. Nov 2024 Von Stephan W. Eder Lesezeit: ca. 5 Minuten

Weltrekord bei CO2-Emissionen

Für den Klimaschutz müsste das Verbrennen von Öl, Gas und Kohle rasch abnehmen. Der Bericht „Global Carbon Budget“, am 13. November vorgestellt, hat nachgeschaut: kein Rückgang, sondern ein neuer Weltrekord bei CO2-Emissionen.

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Gruppenbild der Staatsführer auf der Weltklimakonferenz COP29 in Baku am 12. November 2024. Für den Klimaschutz müsste das Verbrennen von Öl, Gas und Kohle rasch abnehmen. Der Bericht „Global Carbon Budget“, am 13. November vorgestellt, hat nachgeschaut: kein Rückgang, sondern ein neuer Weltrekord bei CO2-Emissionen.
Foto: picture alliance / REUTERS / Murad Sezer

Um den Klimawandel aufzuhalten, müssen Treibhausgasemissionen aufgrund des Verbrennens fossiler Energieträger drastisch sinken. Darüber beraten auch gerade die Staaten der Welt auf der 29. Weltklimakonferenz in Baku, der Hauptstadt Aserbaidschans. Doch entgegen der notwendigen Reduktion werden aktuell mehr Kohle, Gas und Öl verbrannt als je zuvor. Der Energiehunger der Welt steigt, die Treibhausgasemissionen steigen, die Folgen können gravierend sein – die Temperaturen steigen, Wetterextreme dürften sich häufen. Diese Entwicklungen wurden im Bericht „Global Carbon Budget 2024“ analysiert, der von über 120 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern weltweit erstellt wurde.

Das Global Carbon Budget wird in diesem Jahr zum 19. Mal durch die internationale Forschungsinitiative Global Carbon Project veröffentlicht. Ziel ist es, ein vollständiges Bild des globalen Kohlenstoffkreislaufs zu zeichnen und sowohl die biophysikalischen als auch die menschlichen Dimensionen aufzuzeigen – und die Wechselwirkungen zwischen beiden Systemen. Der Bericht liefert aktuelle Informationen zum weltweiten Einsatz von Kohle, Öl und Gas, über Entwaldungsraten und zum Zustand der natürlichen Kohlenstoffsenken.

Neueste Daten zeigen Weltrekord bei Emissionen von CO2

Die globalen CO2-Emissionen aus fossilen Brennstoffen – einschließlich der Emissionen aus der Zementherstellung – haben laut Global Carbon Budget 2024 ein Rekordniveau erreicht und werden vorläufigen Schätzungen zufolge in diesem Jahr 37,4 Mrd. t betragen – ein Anstieg von 0,8 % oder 600 Mio. t CO2 im Vergleich zum Vorjahr. Wobei die Studie eine Schwankungsbreite der Prognose von -0,3 % bis 0,9 % angibt, ein Rückgang gilt jedoch als eher unwahrscheinlich. 2023 waren die CO2-Emissionen um 500 Mrd. t gegenüber 2022 gestiegen, die Zunahme ist also gewachsen.

Einschließlich Emissionen aus Landnutzungsänderungen wie Entwaldung werden die globalen Emissionen auf 41,6 Mrd. t CO2 geschätzt, 1 Mrd. t höher als 2023. Diese Zahlen belegen erneut, dass bisher kein globaler Höhepunkt der fossilen Emissionen erreicht ist. Die Hauptursache ist die weiterhin steigende Nutzung fossiler Brennstoffe, obwohl der Ausbau erneuerbarer Energien enorme Fortschritte macht, wie die Internationale Energieagentur in einem Sonderbericht vor einigen Wochen aufzeigte.

Welche Länder emittieren das meiste CO2?

China, die USA, Indien und die Europäische Union gehören zu den größten CO2-Emittenten weltweit. Während die Emissionen in den USA (4,9 Mrd. t CO2) und der EU (2,4 Mrd. t CO2) um 0,6 % bzw. 3,8 % gesunken sind, steigen die Emissionen in China um 0,2 % auf 12 Mrd. t CO2 und in Indien um 4,6 % auf 3,2 Mrd. t CO2.

China, das den Zahlen zufolge fast ein Drittel der globalen CO2-Emissionen verursacht, setzt zunehmend auf Elektromobilität, was den Ölverbrauch verringert hat. Dort könnte der Wendepunkt erreicht sein, denn 0,2 % seien innerhalb der Fehlerbandbreite, kommentierte der Klimawissenschaftler Niklas Höhne vom NewClimate Institute. Dennoch bleibt der Energiebedarf auch dort hoch. Ähnlich in Indien: Die extreme Hitze durch Klimawandel führt zu einem starken Anstieg des Energiebedarfs durch Kühlgeräte. Die Ergebnisse zeigen auch, dass Entwicklungs- und Schwellenländer oft offenbar keine andere Wahl haben, als erst einmal den steigenden Energiebedarf durch fossile Quellen zu decken.

Welchen Einfluss haben Ökosysteme auf die CO2-Bindung?

Ökosysteme bilden natürliche CO2-Pufferspeicher. Natürliche Kohlenstoffsenken wie Wälder und Ozeane absorbieren etwa die Hälfte der ausgestoßenen Emissionen. Die terrestrische CO2-Aufnahme nahm in der Dekade 2014 bis 2023 weiterhin zu, hauptsächlich als Reaktion auf den steigenden CO2-Gehalt in der Atmosphäre, allerdings mit hoher jährlicher Schwankung, wie der Bericht betont. In dieser Dekade hätten die natürlichen Senken rund 30 % der CO2-Emissionen aufgenommen.

Doch der Klimawandel beeinträchtigt die Prozesse, die CO2-Aufnahme ist nicht mehr so effizient wie bisher, beobachtet die Forschung. Das Global Carbon Budget 2024 zeigt, dass die Landsenke in der Dekade bis 2023 insgesamt rund 27 % weniger CO2 aufgenommen hat. Ursachen seien Dürren und Hitzewellen, die mit dem El-Niño-Ereignis zusammenhängen.

Die Ozeansenke, die in der letzten Dekade rund 26 % der gesamten CO2-Emissionen aufgenommen hat, absorbiert 6 % weniger CO2 als zuvor, die Aufnahme stagniert dem Bericht zufolge seit 2016. Beide Senken verlieren zunehmend ihre Bindungskapazität, was bedeutet, dass ohne drastische Emissionsminderungen die CO2-Konzentration in der Atmosphäre weiter ansteigen dürfte.

Wie hoch ist die aktuelle CO2-Konzentration in der Atmosphäre?

Die Konzentration von CO2 in der Atmosphäre erreicht 2024 voraussichtlich 422,5 ppm (parts per million) und liegt damit um 52 % über dem vorindustriellen Niveau. Diese steigende Konzentration bedeutet, dass jede Emission langfristige Folgen hat und die Zeit knapp wird, um das 1,5-Grad-Ziel noch zu erreichen, das die Staatengemeinschaft auf der Weltklimakonferenz 2015 in Paris vereinbart hat. Laut Julia Pongratz von der Ludwig-Maximilians-Universität München beträgt das verbleibende Kohlenstoffbudget für das 1,5-Grad-Ziel nur noch rund 235 Mrd. t CO2. Bleiben die Emissionen konstant, wird die 1,5-Grad-Schwelle innerhalb der nächsten sechs Jahre überschritten. Der Anstieg des atmosphärischen CO2 betrug im Jahrzehnt 2014 bis 2023 jährlich 2,5 ppm, mit einer vorläufigen Wachstumsrate von 2,8 ppm für das laufende Jahr.

Als Maßstab für die CO2-Emissionen im vorindustriellen Zeitalter gilt der Wert von 278 ppm bezogen auf das Jahr 1750.

Wie beeinflussen technologische Entwicklungen die Emissionen?

Technologie und Energieverbrauch beeinflussen die Emissionen erheblich. Während erneuerbare Energien und Elektromobilität in einigen Regionen fossile Energien zunehmend verdrängen, ist der Bedarf nach Energie weiterhin hoch. Besonders in Ländern wie Indien, in denen die Nachfrage durch vermehrte Kühlung und Digitalisierung ansteigt. Auch der Einsatz energieintensiver Technologien wie künstlicher Intelligenz erfordert eine strategische Energieplanung, damit der Verbrauch nicht die Fortschritte bei den Emissionen zunichtemacht.

Andere Technologien vermindern aktiv die CO2-Konzentration in der Atmosphäre. Die Datenlage ist jedoch den Autorinnen und Autoren zufolge wenig aussagekräftig. Für einige Methoden zur CO2-Entnahme (CDR: Carbon Dioxide Removal), bei denen CO2 direkt aus der Luft in die Geosphäre transferiert wird, gebe es derzeit „keine international abgestimmten Methoden zur Erfassung dieser CDR-Typen, sodass die Schätzungen auf Eigenauskünften der Projekte beruhen, die ihren eigenen Standards folgen. Folglich sollte die Unsicherheit dieser Werte als erheblich angesehen werden, und sie könnten sich in den kommenden Jahren ändern, wenn die Protokolle vereinheitlicht und verbessert werden.“

Gibt es positive Entwicklungen?

Es zeigen sich Fortschritte in der Klimapolitik und im technologischen Wandel. Die Studie hat beobachtet, dass in 22 Ländern mit deutlich wachsenden Volkswirtschaften die CO2-Emissionen aus fossilen Energieträgern im letzten Jahrzehnt (2014 bis 2023) deutlich zurückgegangen sind, darunter auch Deutschland. Diese Länder emittieren jährlich 8,1 Mrd. t CO2, was ca. 23 % der globalen fossilen CO2-Emissionen ausmacht.

Die drastisch gesunkenen Kosten für erneuerbare Energien fördern in diesen Staaten die Nutzung von Solaranlagen und Windkraft, die zunehmend Kohle und Öl ersetzen. In Ländern wie Norwegen ist der Ausbau der Elektromobilität inzwischen ein wichtiger Faktor für die Reduktion fossiler Emissionen. „Die Hoffnung ist groß, dass dieser Trend sich weltweit fortsetzt“, sagt Judith Hauck vom Alfred-Wegener-Institut.

Welche Maßnahmen sind für die Zukunft entscheidend?

Experten sind sich einig, dass zur Einhaltung der Pariser Klimaziele ein schnelles und tiefgreifendes Handeln notwendig ist. Der nächste Schritt besteht darin, die globale Energieinfrastruktur auf erneuerbare Energien umzustellen und zusätzliche Technologien zur CO2-Entnahme zu fördern. Langfristige Lösungen wie die Aufforstung oder innovative Technologien zur CO2-Bindung, beispielsweise Direct Air Capture, sind für das Erreichen des Netto-Null-Ziels unumgänglich. Gleichzeitig müssen der Fleischkonsum und die industrielle Entwaldung reduziert werden, um den Druck auf tropische Wälder zu mindern.

Was folgt aus dem Global Carbon Budget?

Solange die Welt nicht bei netto null CO2-Emissionen ankommt, steigen die globalen Temperaturen weiter – mit allen Konsequenzen. Teilweise können extreme Wetterereignissen heute schon mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit dem Klimawandel zugeschrieben werden. Dass sie zunehmen können, wird aus der Atmosphärendynamik mit einer erhöhten Fähigkeit Feuchtigkeit aufzunehmen ersichtlich.

Die Weltgemeinschaft hat auch aus Sicht mancher Wissenschaftler den Punkt erreicht, an dem weitere Verzögerungen katastrophale Folgen haben könnten. „Jedes Jahr des Nicht-Handelns verbraucht wertvolle Zeit und Ressourcen“, warnt Pierre Friedlingstein von der University of Exeter. Das Science Media Center schreibt zum Bericht: „ Bereits in sechs Jahren wäre somit das verbliebene Kohlenstoffbudget aufgebraucht, das noch für die Einhaltung des 1,5-Grad-Ziels zur Verfügung steht, wenn das Niveau der Emissionen nicht sinkt.“ Die Verantwortung liegt bei den politischen Führungen, die sich derzeit auf der COP29 in Baku treffen, den Pfad in Richtung klimaneutrale Zukunft entschieden voranzutreiben.

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