Endlagerung 13. Jun 2024 Von Holger Kroker Lesezeit: ca. 5 Minuten

Wie gefährdet ist das Atommülllager Asse wirklich?

Die Schlagzeile sorgte vor Pfingsten für Aufsehen: „Das marode Atommülllager Asse droht abzusaufen.“ Christian Kühn, Chef der Aufsichtsbehörde BASE, fordert ein schnelleres Vorgehen.

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Ein Schild „Zutritt für Unbefugte verboten“ hängt im Atommülllager Asse im Landkreis Wolfenbüttel. In der Kammer ist links, abgedeckt mit einer bläulichen Folie, ein Becken zu erkennen, in dem das Wasser, was sich in dem ehemaligen Salzbergwerk bewegt, gelagert wird. Vor Pfingsten gab sich die zuständige Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) besorgt, weil sich der tägliche Wasserzufluss in das Hauptauffangbecken in 658 m Tiefe erheblich verringert hatte. Das Wasser hatte sich offenbar neue Wegsamkeiten gesucht. Inzwischen ist klar, dass zumindest ein Teil der Wässer weiter unten um Grubengebäude wieder austritt. Die erkennbaren groben Strukturen im Deckengewölbe ergeben sich durch die Fräsen, mit denen die Kammern aus dem Salzstock herausgeschält werden.
Foto: picture alliance/dpa

Die atomrechtliche Aufsichtsbehörde BASE (Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung) forderte  am 13. Juni 2024 für das marode Atommülllager Asse in Niedersachsen ein schnelleres Handeln für die Bergung der dort eingelagerten Abfälle. „Die Rückholung und die Notfallvorsorgemaßnahmen müssen jetzt beschleunigt vorangetrieben werden“, sagte BASE-Präsident Christian Kühn. Kühn bezieht sich damit auf Berichte über veränderte Wasserströme in dem ehemaligen Salzbergwerk, die vor Pfingsten öffentlich wurden.

Was war passiert?

Neun Kubikmeter (9 m3) Salzwasser haben bei der Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) vernehmlich die Alarmglocken schrillen lassen. In dem ehemaligen Salzbergwerk Asse II bei Wolfenbüttel, in dem zwischen 1967 und 1978 rund 47 000 m3 an schwach- und mittelaktiven Nuklearabfällen eingelagert wurden, hat sich der tägliche Wasserzufluss in das Hauptauffangbecken in 658 m Tiefe erheblich verringert.

Wurden im langjährigen Mittel und auch noch zu Jahresbeginn 12,5 m3 Wasser pro Tag aufgefangen, sind es seit April nurmehr 2 m3 bis 3 m3. „Wir sind alarmiert“, sagte BGE-Chefin Iris Graffunder im April der „Braunschweiger Zeitung“ mit Blick auf das Defizit. Denn das Wasser, das im Hauptauffangbecken fehlt, muss irgendwo anders im Bergwerk sein. „Die Chancen, dass der Wasserzufluss versiegt ist, halten wir für nicht sehr hoch“, erklärt Dagmar Dehmer, Sprecherin der BGE.

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Ein Fahrzeug fährt durch das Atommülllager Asse II im Landkreis Wolfenbüttel. Foto: picture alliance/dpa/Julian Stratenschulte

Die Statik der Asse ist nicht in Gefahr

Die Gefahr, dass die Asse „absäuft“, schätzen Experten als gering ein. „Nach derzeitiger Erkenntnislage ist eher unwahrscheinlich, dass es zu einem katastrophalen Einbruch kommt“, sagt Lukas Pollok, Leiter des Arbeitsbereichs Geologische Erkundung und Experte für das Bergwerk bei der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) in Hannover.

Gleichwohl muss man das Phänomen näher untersuchen, denn die Asse zählt nicht zu den standsichersten Untertagebauwerken. Als hier noch Salz abgebaut wurde, maximierte man die Ausbeute, und das hat Folgen. Der Gebirgsdruck, der auf den Wänden und Pfeilern der Abbaue lastet, führt zu erheblichen Bewegungen. In den fast 60 Jahren, in denen die Asse als provisorisches Atommülllager dient, hat man an der Südflanke Bewegungen von 7 m gemessen. „Der Druck hat die Gesteinsfestigkeit an bestimmten Stellen überschritten und zu Brüchen geführt“, so Pollok.

Die Wasserflüsse in dem Salzstock der Asse ändern sich mit der Zeit

Daher sind Fachleute der BGE und anderer Institutionen gerade dabei, die Ebenen in 658 m Tiefe und darunter geophysikalisch zu untersuchen, um so das fehlende Wasser zu finden und die Klüfte, über die es sich bewegen könnte. Ein Teil des Wassers ist inzwischen in einer Tiefe von 725 m wieder aufgetaucht. „Das ist noch oberhalb der Abfälle, aber eben schon deutlich näher“, sagt BGE-Sprecherin Dagmar Dehmer. Momentan kommen in 725 m Tiefe täglich rund 4 m3 an und werden aufgefangen. Bleibt immer noch eine Differenz von 4 m3.

„Ich würde nicht ausschließen“, sagt Lukas Pollok, „wenn sich in 725 m Tiefe die Fließraten noch erhöhen.“ Ein Problem wäre das nicht. Auch auf dieser Ebene gibt es Auffangbehälter. Es gibt nur ein rechtliches Hindernis in Form einer Selbstverpflichtung der BGE, kein Wasser aus Tiefen von mehr als 700 m an die Oberfläche zu pumpen. „Da stoßen wir relativ bald an Grenzen und haben deshalb einen Antrag gestellt, dieses Wasser nach oben zu befördern und an einen Entsorger abzugeben“, so Dagmar Dehmer. Voraussetzung wäre eine kontrollierbare Freimessung unter Tage, also der Nachweis, dass das Wasser nicht radiologisch kontaminiert ist.

Die Bergleute der Asse haben die Stabilität des Bergwerks in den letzten Jahre erhöht

Führung durch die Schachtanlage Asse Il in der Nähe des niedersächsischen Remlingen. In dem ehemaligen Salzbergwerk im Landkreis Wolfenbüttel liegen in 13 Kammern rund 126 000 Fässer mit schwach- und mittelradioaktiven Abfällen. Weil Wasser eindringt, muss das Lager geräumt werden. Der ganze Atommüll soll wieder zu Tage gefördert werden und dann in ein Zwischen- beziehungsweise Endlager verbraucht werden. Die Grafik zeigt die überirdischen Funktionsgebäude – und oben im Bild die geplante riesige Halle für die Konditionierung des Atommülls, bevor er transportfähig sein wird. Foto: picture alliance/dpa

Solche Kontamination wäre zu befürchten, wenn das eindringende Salzwasser den Bereich mit den Atommüllfässern in rund 750 m Tiefe erreichte. Das wäre dann in der Tat ein Problem, das die Entsorgung der Lösung erschweren würde. Die Standfestigkeit des Bergwerks hingegen wäre nicht berührt.

Ohnehin haben die Stabilisierungsmaßnahmen aus den vergangenen Jahren seine Sicherheit erhöht. So wurden alle Hohlräume unterhalb von 800 m mit Salzgrus aufgefüllt, sodass sich dort nichts mehr bewegen kann. Beim aufsichtführenden Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE) zeigt man sich daher gelassen. „Wir sind ganz weit weg von irgendeinem Notfall oder irgendeinem Ereignis entfernt, wo es zu einer Gefährdung für die Bevölkerung oder für die Umwelt kommen könnte“, sagt der zuständige Abteilungsleiter Sebastian Stransky. Die gesetzlich verankerte Forderung nach Rückholung der Abfälle könne erfüllt werden. „Dieser Betriebszustand, den wir jetzt haben, hat überhaupt keinen Einfluss darauf“, so Stransky.

Der Plan, alle Atommüllfässer aus der Asse zu bergen, steht weiterhin

Gegenwärtig sieht der Plan vor, dass ab etwa 2033 die rund 126 000 Fässer mit den Abfällen voll automatisiert geborgen, in Container verpackt und an die Oberfläche gebracht werden. Dort sollen sie dann am Standort konditioniert – sprich: sicher umverpackt – und in ein Zwischenlager gebracht werden.

Wo Konditionierungsanlage und Zwischenlager an der Schachtanlage Asse errichtet werden, das ist noch unklar. Ob der Zeitplan zur Rückholung eingehalten werden kann, hängt nicht zuletzt von den aufwendigen Genehmigungsverfahren ab, die derzeit laufen. Vor allem muss ein großer Rückholschacht abgeteuft werden, durch den erst die Maschinen und später die Abfallcontainer transportiert werden können. „Dafür laufen die Vorbereitungen, und sie laufen unabhängig von den Veränderungen im Wasserzutritt“, erklärt BGR-Geologe Lukas Pollok, der an den geologischen Vorarbeiten beteiligt ist.

Aktuell laufen auch neue Notfallplanungen für den Fall, dass die Asse doch einbricht oder vollläuft

Parallel läuft die Suche nach den Ursachen des verringerten Zuflusses und nach den möglichen Wegsamkeiten, die das Wasser innerhalb des Bergwerks umleiten können. Erste Analysen von Proben aus 725 m Tiefe zeigen, dass sich seine Salzfracht von der des bisherigen Wassers unterscheidet. Es hat sich seinen Weg offenbar durch Schichten von Kalisalzen gebahnt, die das Wasser bisher nicht berührt hat.

Gleichzeitig treibt die BGE aber auch die Notfallplanung voran, die Vorbereitungen für den Fall, dass die Asse entweder instabil wird oder tatsächlich vollläuft. Dann sollen die Abfallbehälter mit einem speziellen Salzbeton umschlossen und der Rest des Bergwerks mit besonders angemischten gesättigten Salzlaugen geflutet werden. Beides hört sich leichter an, als es tatsächlich ist.

Es sind erhebliche Betonmengen nötig, um die auf verschiedene Kammern verteilten und oft wahllos abgekippten Fässer sicher einzuschließen. Dieser Beton müsste unter Tage angemischt und in die Hohlräume gespritzt werden.

Noch größer sind die Laugenmengen, die für die weitere Stabilisierung des Restbergwerkes gebraucht werden. Für sie gibt es offenbar nur wenige Hersteller und deren Produktionsanlagen sind weit entfernt von der Asse. Von dort müssten die Flüssigkeiten per Bahn oder Straße zum Bergwerk transportiert und dort zunächst vielleicht in Kavernen zwischengelagert werden, um sie dann einzuleiten.

„Die Planungen sind relativ weit fortgeschritten, um im Grunde auf alles vorbereitet zu sein“, sagt BGE-Sprecherin Dagmar Dehmer. Noch allerdings geht man davon aus, dass die Pläne niemals aus der Schublade geholt werden müssen.

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