EINSTIEG 15. Mai 2015 Chris Löwer Lesezeit: ca. 3 Minuten

Mitarbeiter halten durch Inplacement

Ob der Start im Job gelingt und der Mitarbeiter dauerhaft bleibt, darüber entscheidet oft die Einarbeitungsphase. Leider ist die häufig nach wenigen Minuten mit einer Führung durch das Büro abgehakt. Besser ist ein gut geplanter Prozess, der sich neudeutsch „Inplacement“ oder „Onboarding“ nennt.

Unternehmen sind gut beraten, neuen Mitarbeitern Aufmerksamkeit zukommen zu lassen. Foot: panthermedia.net/pressmaster

Wenn der mühsam rekrutierte Ingenieur noch während der Probezeit mit wehenden Fahnen wieder das Unternehmen verlässt und bald darauf bei der Konkurrenz anlandet, ist etwas gründlich schiefgelaufen. „Ein Grund dafür kann mangelnde Einarbeitung sein“, sagt Christina Kock, Inhaberin von Dom Consulting. „Werden die beim Recruiting geweckten Erwartungen nicht ausreichend erfüllt, ziehen gerade hoch qualifizierte Fach- und Führungskräfte schnell die Reißleine“, berichtet die Expertin für berufliche Veränderungsprozesse aus ihrer Beraterpraxis.

Dass der Einarbeitung mitunter zu wenig Bedeutung beigemessen wird, ist auch die Erfahrung der Berliner Personalberaterin Heike Rödel: „Meist erleben gerade jüngere Mitarbeiter einen Praxisschock. Aber auch für erfahrene Kräfte ist die Einarbeitungsphase mit Stress verbunden und kann durchaus belastend sein.“ Die Lösung dafür heißt neudeutsch „Inplacement“ oder „Onboarding“.

Beim Inplacement gehe es nicht nur darum, sich fachlich einzuarbeiten, sondern sich vor allem mit neuen und ungeschriebenen Regeln zurechtzufinden, weiß Rödel. Und: „Die gute Einarbeitung legt den Grundstein für die spätere Qualität der Zusammenarbeit sowie die Bindung an den neuen Arbeitgeber.“

Idealerweise nehmen Personalabteilung, Vorgesetzter und ein Mentor, meist ein Kollege, den Neuling an die Hand und bereiten seine Ankunft vor. Dazu rät Susanne Delmer von der Beratung Turck & Delmer Inplacement. Ein klassischer Fall von Teamwork. „Leider scheitert das Onboarding in der Praxis oft an Zeitmangel“, weiß Delmer. In diesem Fall könne ein externer Berater helfen. Allerdings kann der auch nicht alles leisten. Delmer: „Manchmal mangelt es schon im Vorfeld an einer ausreichenden Arbeitsplatzbeschreibung.“ Daher sollte der Einsteiger nicht darauf warten, was kommen mag, sondern das einfordern, was er für einen gelungenen Start benötigt. Allein die Frage, wie er systematisch eingearbeitet wird, darf bereits im Vorstellungsgespräch gestellt werden, sagt Kock. Hilfreich zu klären ist auch, ob es einen Tutor gibt und wer in die technischen Systeme sowie Unternehmensprozesse einführt. Ingenieure müssen sofort im Bilde darüber sein, wer an welchen Projekten arbeitet. Führungskräfte sollten wissen, an welchen Meetings sie teilnehmen müssen.

Nicht unwesentlich für einen erfolgreichen Start und ein loyales Verhältnis ist schlicht die, wie es Kock nennt, „Welcome-Kultur“: Die kann sich unter anderem darin zeigen, dass der Mitarbeiter am Empfang über den Neuankömmling informiert ist und ihn freundlich begrüßt. Sie geht weiter mit einem am ersten Tag bereits eingerichteten Arbeitsplatz, samt E-Mail-Adresse und Nennung im internen Telefonverzeichnis. Kock: „Was zunächst banal klingen mag, kann den Weg für einen erfolgreichen Einstieg unterstützen.“ Delmer rät dazu, besonders Ingenieure in alle Abteilungen hereinschnuppern zu lassen, damit sie ein Gefühl dafür bekommen, wie das Unternehmen und Mitarbeiter ticken und damit sie Kontakte knüpfen können.

Eine Schlüsselrolle kommt dem künftigen Vorgesetzten zu. Rödel: „Er ist auch dafür zuständig, dass ein neuer Mitarbeiter zu Beginn weder über- noch unterfordert ist, sondern seiner Qualifikation nach angemessene Aufgaben übertragen bekommt.“ Inhaltlich kommt es vor allem auf die fachliche und soziale Einbindung an, die nach einem vorher festgelegten Fahrplan erfolgen sollte. „Gerade in technischen Berufen genießt die fachliche Einarbeitung einen sehr hohen Stellenwert und nimmt viel Zeit ein, da neue Mitarbeiter nie das ganze Know-how für eine spezialisierte Stelle mitbringen können“, sagt Rödel. Allerdings scheitert es selten am Fachlichen, sondern eher am allzu Menschlichen und daran, dass die ungeschriebenen Regeln nicht beherrscht werden.

Schon in der Bewerbungsrunde lässt sich mit feinen Antennen ablesen, wie das Unternehmen tickt. Wie wird untereinander und mit dem Jobanwärter kommuniziert? Was interessiert Personaler und spätere Vorgesetzte besonders? Wie offen wird gesprochen?

Die eher weichen Faktoren können auch bei Feedback-Gesprächen, die ein wichtiger Baustein für die Einarbeitung sind, mit Vorgesetzten eine Rolle spielen.

Dabei lässt sich besprechen, warum so und nicht anders Entscheidungen getroffen worden sind, welche Hierarchien es gibt und welche ungeschriebenen Wertmaßstäbe angelegt werden. Rödel: „Regelmäßige Feedbackgespräche schaffen Vertrauen, Wertschätzung und Sicherheit.“ All das zeigt, dass erfolgreiches Inplacement nicht auf die Schnelle zu haben ist: „Eine gute Einarbeitung dauert in der Regel drei bis sechs Monate und endet meist mit der Probezeit. Bei fachlich sehr komplexen Aufgaben kann sie auch bis zu einem Jahr dauern“, ist Rödels Erfahrung. Aber die Mühe lohnt sich: die Mitarbeiterzufriedenheit steigt, die Fluktuation sinkt und Konflikte keimen erst gar nicht. „Werden von Anfang an alle wichtigen Dinge kommuniziert, schafft das die Grundlage für eine schnelle und selbstständige Arbeitsweise von neuen Mitarbeitern und trägt dazu bei, Unsicherheiten, Fehler und Missverständnisse innerhalb des Teams zu minimieren“, sagt Rödel.

Aber auch nach außen profitiert eine Firma enorm, wenn sie Inplacement ernst nimmt. „Unternehmen sollten das Potenzial zufriedener Mitarbeiter nutzen, die den neuen Arbeitgeber empfehlen und möglicherweise so weitere Mitarbeiter nach sich ziehen, was angesichts des Ingenieurmangels nicht unwesentlich ist“, betont Kock. Umgekehrt warnt sie: „Über negative Erfahrungen wird siebenmal so oft wie über positive gesprochen.“

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