Automation 19. Jul 2018 Kathleen Spilok Lesezeit: ca. 4 Minuten

Maschinen agieren selbstständig

Selbstlernende Maschinen sind der Traum vieler Forscher. Dank künstlicher Intelligenz werden nun erste industrielle Anwendungen realisiert. Noch steht die Technologie am Anfang.

Maschinelles Lernen: Wissenschaftler verfolgen das Ziel, Roboter künftig nicht mehr aufwendig programmieren zu müssen, sondern selbst lernen zu lassen.
Foto: Rainer Bez/Fraunhofer IPA

Künstliche Intelligenz (KI) dringt in immer mehr Lebensbereiche vor. Intelligente Geräte oder Anwendungen haben das Zeug, den Alltag einfacher zu machen, sie krempeln aber auch die Arbeitswelt um. KI-Roboter können zuhören, sehen, Hindernisse erkennen, lesen, analysieren, Wetternachrichten oder Börsenmeldungen schreiben, Daten aller Art verknüpfen. Und sie sind lernfähig. Manchmal irren sie sich auch. Während Onlinehändler Amazon, Google, IBM und andere IT-Konzerne mit ihren Entwicklungen zur Sprach- und Bilderkennung in allerlei Dienstleistungssektoren vordringen – etwa der virtuellen Beratung –, findet die KI erst langsam den Weg in die Produktionshalle.

Künstliche Intelligenz in der Robotik
In der industriellen Robotik spielt die künstliche Intelligenz (KI) vor allem beim maschinellen Lernen und bei der Optimierung von Wartungsintervallen eine wichtige Rolle.

Typisches Beispiel für die industrielle Anwendung ist das Erlernen von Greiftechniken und -strategien für unterschiedliche, unstrukturiert vorliegende Gegenstände.

Humanoide Roboter – insbesondere aus Asien – zeigen dagegen, wie KI dazu genutzt werden kann, mit Menschen zu kommunizieren und schließlich zu interagieren. CIU

Im Zuge der Digitalisierung und von Industrie 4.0 nehmen jetzt auch die Potenziale von KI in der Produktion zu. Doch: Nach einer aktuellen Umfrage der Boston Consulting Group (BCG) unter 1100 Industriebetrieben weltweit hat nur jedes vierte deutsche Industrieunternehmen eine KI-Strategie und jedes siebente angefangen, entsprechende Technologien einzusetzen. Die Unternehmensgröße macht dabei laut BCG keinen Unterschied. Sowohl große als auch kleine Unternehmen aus dem Automobil- und Maschinenbau beschäftigten sich mit KI.

Um in der Automatisierung voranzukommen, die Produktionsabläufe flexibel zu gestalten, braucht es KI, findet Technologiebeobachter und Autor Ulrich Eberl. Es geht darum durch bildverarbeitende Systeme und vorausschauende Wartung Fehler zu finden sowie die kollaborative Fertigung, Lieferprozesse, Lagerhallen oder die gesamte Wertschöpfungskette zu optimieren, zählt er unterschiedliche Anwendungsfelder auf. Boston Consulting untermauert das mit Zahlen. Durch den Einsatz von KI werden die Verarbeitungskosten laut ihrer Analyse zwischen 20 % und 70 % sinken.

Ein Rundgang durch das KI-Labor des Fraunhofer-Instituts für Produktionstechnik (IPA) zeigt, welche mittelstandstauglichen Ideen sich an Montagearbeitsplätzen realisieren lassen. Auf einem Drehteller liegen unterschiedliche Materialien: Schwamm, Metall, Filz, Holz. Während der Teller sich unter einer Kamera dreht, erkennt das System Schadstellen auf den Oberflächen automatisch. Ohne dass vorher Lerndaten eingegeben wurden, entscheidet die Prüfmaschine am aktuell aufgenommenen Bild, wo ein Defekt ist. Der Vorteil gegenüber einer Prüfsoftware ist, dass die Defektsuche an verschiedenen Oberflächen eingesetzt werden kann, ohne dass Parameter im System verändert werden müssen. Ein anderes Gerät analysiert z. B. Schweißverbindungen, ohne Zugproben vorzunehmen. Es trifft aus einer Vielzahl von Daten aus der Maschinensteuerung Aussagen darüber, ob die Fertigungsmaschine in der Lage ist, die Qualitätsanforderungen zu erfüllen. KI-gestützte Methoden zur Schnittkantenanalyse in der Blechbearbeitung und für Maschinen zur Fischeivereinzelung sind weitere Beispiele.

Start-ups sind ebenso im Spiel. SemVox etwa, eine Ausgründung aus dem Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI), spezialisierte sich auf intelligente Nutzerschnittstellen und erarbeitet Lösungen für Roboter zur Prozessunterstützung. Ein Roboter leitet damit z. B. über Sprach- und Bildanalyse Mitarbeiter an, einzelne Teile an der Montagebank zusammenzusetzen. Der Roboter beantwortet Fragen, er korrigiert bei Bedarf. „Das System weiß, wie der Produktionsprozess aufgebaut ist, welche Schritte erforderlich sind, und erläutert, wie der Mitarbeiter vorgehen muss“, erklärt Geschäftsführer Norbert Pfleger. Damit werde auch der Einsatz einfacher Hilfsarbeiter möglich.

Allerdings ist KI für Martin Ruskowski, den wissenschaftlichen Direktor am DFKI, kein Selbstzweck. Die Einführung sei immer eine Operation am offenen Herzen. „Das geht nur in kleinen Schritten“, stellt er fest und macht deutlich: „Nicht alles, was sich automatisieren lässt, lohnt sich auch.“

Wo KI in der Fabrik bereits im Einsatz ist, berichtet Michael May vom Technologiekonzern Siemens. May leitet die Forschungsabteilung mit 200 KI-Experten und Datenwissenschaftlern, die über die Standorte weltweit verteilt sind. Auf der Konferenz „Smarte Maschinen im Einsatz“ am Fraunhofer IPA gab er Einblicke in die Praxis. Der Forschungsleiter geht davon aus, dass KI eines der Themen ist, von dem die technologische Zukunft des Unternehmens abhängt.

Michael May, Leiter Data Analytics & Artificial Intelligence bei Siemens Corporate Technology. Foto: Fraunhofer IPA

Schon heute habe Siemens rund 200 Fälle, in denen Datenanalysen etwa zur Vorhersage der Restlebensdauer angewendet werden. „Das schafft einen Mehrwert“, so May. Die erste Generation neuronaler Netze nutzte Siemens 1995 für die Qualitätsprüfung in der Stahlproduktion und um den Kupferpreis vorherzusagen. Und was ist das persönliche Highlight des Experten? „Das sind unsere autonom lernenden Gasturbinen“, sagt May. Das Produkt laufe bei Kunden in Südkorea und den USA .

Mit künstlicher Intelligenz optimiert die Turbine ihren Betrieb selbst. Das beinhaltet die komplexe Verbrennungsregelung bis hin zur Reduzierung der Stickstoffemissionen. Die Steuerung der Turbine wird nicht mehr fest programmiert. Sie lernt aus Daten, die aus einem simulierten Turbinenbetrieb kommen. Das System lernt dabei vorherzusagen, wie sich die Maschine unter veränderten Randbedingungen verhalten wird. Erst wenn sicher ist, dass die Regelungsstrategie funktioniert, wird das Ganze live geschaltet.

„Es hat sehr lange gedauert, aus der Forschung in die Anwendung zu kommen. Denn es gibt sehr viele Fragestellungen hinsichtlich Sicherheit“, schildert May. Was ihn interessiert, ist nicht die komplette Automatisierung einer Aufgabe. Vielmehr geht es darum, den Menschen und die Maschine zusammenzubringen, um eine Aufgabe besser zu lösen. Ein großes Forschungsthema bei Siemens sind im Moment autonome Roboter. In der Fertigung sollen sie etwa Aufgaben ohne vorherige aufwendige Programmierung übernehmen. „Der Durchbruch der KI in meiner Branche wird eher in der Breite und der Vielzahl der Anwendungen entstehen und deren Verknüpfung. Da sind wir systematisch unterwegs“, sagt der Forschungsleiter.

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