Stimmen der Hersteller 24. Sep 2020 Von Martin Ciupek Lesezeit: ca. 16 Minuten

Robotik-Trends 2020

Wie hat sich die Situation durch Corona verändert und wie geht es mit den Trends Digitalisierung und Mensch-Roboter-Kollaboration weiter. Führende Persönlichkeiten der Hersteller ABB, Denso, Fanuc, Kuka und Universal Robots geben dazu Antworten.

Bedienbarkeit: Mussten Roboter für die Automobilindustrie bisher aufwendig programmiert werden, ist in neuen Anwendungsbereichen Einfachheit gefragt.
Foto: panthermedia.net / phonlamai

Sami Atiya, Mitglied der ABB-Konzernleitung, Leiter Robotik & Fertigungsautomation

Sami Atiya, Mitglied der ABB-Konzernleitung, Leiter Robotik & Fertigungsautomation. Foto: ABB Automation GmbH

VDI nachrichten: Herr Atiya, was hat sich durch die Corona-Krise im Geschäft von ABB am stärksten verändert und wie macht sich das bemerkbar?

Atiya: Die Corona-Pandemie allein hat noch keine neuen Trends ausgelöst, sondern bestehende Trends beschleunigt, wie beispielsweise die zunehmende Digitalisierung oder den Arbeitskräftemangel aufgrund von Abstandsregeln am Arbeitsplatz. Viele Unternehmen wollen Roboter und Automatisierungslösungen schneller einführen – sowohl zum Schutz der Gesundheit der Mitarbeitenden als auch zur Verbesserung der Effizienz. In Asien planen zum Beispiel 41 % der Unternehmen, Initiativen im Bereich Automatisierung wegen Beschränkungen am Arbeitsplatz zu beschleunigen.

Manche Unternehmen hingegen wollen die Produktion wieder näher an den eigenen Standort bringen – Stichwort Nearshoring. Aber auch zukunftsfähige, roboterbasierte Technologien für flexible Produktionslinien oder Arbeitsplätze mit Mensch-Roboter-Kollaboration sind gefragt. Dabei steht neben dem flexiblen Einsatz von Lösungen deren einfache Installation und Nutzung im Fokus. Wir bei ABB sehen uns gut aufgestellt, unseren Kunden genau das zu bieten. Wir wollen Automatisierung für sie so einfach wie möglich machen.

Zu Beginn der Pandemie haben wir schnell reagiert und stellen unseren Kunden und Partnern bis Jahresende viele unserer Softwarelösungen, darunter die Simulations- und Offlineprogrammiersoftware RobotStudio, kostenlos zur Verfügung. Dies hilft ihnen, ihr Tagesgeschäft und die Produktionslinien am Laufen zu halten.

Wie bewerten Sie Ihre wirtschaftliche Situation? Ab wann erwarten Sie, wieder das Geschäftsniveau von vor der Pandemie zu erreichen?

Atiya: Wir sind natürlich nicht immun gegen die aktuelle wirtschaftliche Lage. Einige der Branchen, die wir bei der Automatisierung unterstützen, darunter die Automobilindustrie, sind mit Schwierigkeiten konfrontiert. Dies macht sich auch für uns bemerkbar. Generell sind wir wie der Roboterverband International Federation of Robotics (IFR) der Meinung, dass Automatisierung und insbesondere Robotik eine zentrale Rolle spielen, wenn es darum geht, die Wettbewerbsfähigkeit unserer Kunden zu erhöhen und die Wirtschaft wieder anzukurbeln. Ich sehe uns hierbei in einer guten Position.

Laut IFR prägen die Trends Digitalisierung, einfache Bedienung und Mensch-Roboter-Kollaboration – kurz MRK – die Robotik derzeit am stärksten. Wie differenziert sich Ihr Unternehmen in den Bereichen von Wettbewerbsprodukten?

Atiya: ABB ist seit Jahrzehnten führend bei digitalen Lösungen und hat vor über einem Jahrzehnt sein Remote-Service-Angebot, das heute ABB Ability™ Connected Services heißt, lanciert – lange bevor es den Begriff „Internet der Dinge“ überhaupt gab. Im Jahr 2017 haben wir alle digitalen Lösungen unter dem Dach von ABB Ability™ konsolidiert, einer integrierten industriellen Internetplattform und Cloud-Infrastruktur, die auf dem Know-how von ABB in den Bereichen Technologie, Industrie und Digital basiert.

Wir sind zudem Vorreiter in Sachen kollaborativer Automatisierung: Unser kollaborativer Roboter YuMi, der in diesem Jahr seinen fünften „Geburtstag“ feiert, war der erste seiner Art und kommt hauptsächlich bei der Kleinteilemontage zum Einsatz. Demnächst werden wir unser Portfolio kollaborativer Roboterlösungen weiter ausbauen. Die intuitive Funktionsweise von YuMi sowie hilfreiche Tools ermöglichen die Programmierung ganz ohne Programmierkenntnisse.

Messen fallen aus, bzw. erreichen wegen Reisebeschränkungen mutmaßlich weniger Publikum als in der Vergangenheit. Gerade bei kollaborierenden Robotern ist es aber wichtig, selbst zu fühlen, wie die Systeme tatsächlich agieren. Wie gehen Sie als Hersteller mit dieser Thematik um?

Unter Einhaltung strenger Hygienemaßnahmen laden wir Kunden und Partner weiterhin in unsere Showrooms und auch wieder auf Messen ein. Auch wenn dies nicht im gewohnten Umfang möglich ist.

Zudem nehmen wir verstärkt an virtuellen Messen teil und präsentieren unsere Lösungen in diesem Rahmen. Ein Beispiel ist die China International Industry Fair im September dieses Jahres. Hier sind wir nicht nur mit einem Stand vor Ort, sondern auch mit einem digitalen Showroom vertreten, in dem Interessierte unsere Technologien erleben können.

Daneben bieten wir auch eine größere Anzahl an Webinaren an, die von unseren Kunden sehr gut angenommen werden.

Unsere digitalen Lösungen wie RobotStudio ermöglichen die virtuelle Inbetriebnahme automatisierter Produktionsanlagen mithilfe eines digitalen Zwillings. Nutzer erstellen, simulieren und testen damit komplette Anlagen und Systeme in einer virtuellen 3-D-Umgebung.

Mit dem seit kurzem verfügbaren RobotStudio AR Viewer können Nutzer Roboter oder komplette Roboterzellen per Smartphone oder Tablet mittels Augmented Reality in die reale Produktionsumgebung virtuell einbetten, entsprechend skalieren und aus verschiedenen Blickwinkeln – sogar in Aktion – betrachten. Sie erhalten anschaulich einen Eindruck von der Größe und dem Maßstab, können die Zykluszeit überprüfen, weitere Optimierungen ausloten oder potenzielle Probleme vorab identifizieren.

Anwender wünschen sich durchgängige Prozessketten. Was ist Ihre Strategie dafür? Welche Rolle spielen für Sie dabei Standards wie OPC/UA und ROS?

Atiya: Obwohl Roboter nach wie vor das Kernelement unseres Angebots bilden, verfügen wir mittlerweile über ein Komplettsortiment, das sich von einzelnen Robotern über komplette Zellen bis hin zu intelligenten Systemen erstreckt. Wir nutzen unser profundes Branchenwissen, um dem Kunden Lösungen zu bieten, die auf die spezifischen Bedürfnisse entlang seines Prozesses eingehen. OPC/UA wird die Konnektivität über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg erleichtern. Wir haben diesen offenen Standard von Anfang an unterstützt – so auch weiterhin. Unsere neuen Generationen von Omnicore-Controllern haben neben zusätzlichen Leistungsmerkmalen ebenfalls eine Anbindung an OPC/UA.

Dirk Schöffler, Senior Manager, Denso Robotics Europe

Dirk Schöffler, Senior Manager DENSO Robotics Europe. Foto: DENSO Robotics Europe

Herr Schöffler, Was hat sich durch die Corona-Krise im Geschäft von Denso Robotics am stärksten verändert und wie macht sich das bemerkbar?

Schöffler: Wie viele andere Branchen, hat die Covid-19-Pandemie auch uns vor Herausforderungen gestellt – der reduzierte, persönliche Austausch mit unseren Kunden, aber auch die fehlenden, direkten Kontaktmöglichkeiten mit potenziellen Neukunden. Viele Unternehmen, die sich für eine roboterbasierte Automation interessieren, haben Investitionen zurückgehalten, für uns hat sich dies in leicht rückläufigen Umsätzen bemerkbar gemacht.

Wie bewerten Sie ihre wirtschaftliche Situation? Ab wann erwarten Sie, wieder das Geschäftsniveau von vor der Pandemie zu erreichen? 

Schöffler: Als Weltmarktführer im Kompaktrobotersegment mit einer breiten Produktpalette sind wir sehr gut aufgestellt und im Markt verankert. Weltweit sind derzeit rund 120 000 Denso-Roboter im Einsatz!

Doch jetzt wollen Unternehmen mit innovativen Lösungen Wettbewerbsvorteile sichern. In Zeiten von Covid-19 spielt die automatisierte Produktion eine entscheidende Rolle: Das zeigte kürzlich unsere erste virtuelle „Denso Robotics Online Expo 2020”. Die Kombination aus neuen Robotermodellen und Software, Live-Demos, virtuellen Rundgängen und dem intensiven Austausch mit Denso Robotics Experten in persönlichen Onlinemeetings war genau richtig. Deshalb bin ich zuversichtlich, dass wir bis Frühjahr kommenden Jahres unser Geschäftsniveau aus der Zeit vor der Pandemie wieder erreicht haben werden.

Laut IFR prägen die Trends Digitalisierung, einfache Bedienung und Mensch-Roboter-Kollaboration – kurz MRK – die Robotik derzeit am stärksten. Wie differenziert sich Ihr Unternehmen in den Bereichen von Wettbewerbsprodukten?

Schöffler: Bei einfacher Bedienung, Integration und Inbetriebnahme von Robotern ist Denso Robotics seit jeher Vorreiter, etwa mit unseren kompakten, vollintegrierten High Performance Controllern. Das jüngste Produktbeispiel ist der neue Controller RC9, mit dem Beckhoff-Anwender ihre Umgebung nutzen können.

Im MRK-Segement haben wir mit Cobota einen neuen Standard gesetzt. Der Kompaktroboter ist mit einem Eigengewicht von nur 4 kg leicht zu transportieren, als offene Plattform entwickelt und mit einem inhärent-sicheren Design, einer für die Zusammenarbeit mit Menschen angepassten Geschwindigkeit – 100 bis maximal 1000 mm/sek. – sowie „funktionaler Sicherheit“ also Überwachung der Drehmomente und Geschwindigkeiten aller Achsen für Traglasten bis zu 500 g ausgestattet. Das sind Sicherheitsfeatures, die auch der TÜV Rheinland zertifiziert hat. Ein weiteres Plus ist die intuitiv gestaltete Bedienoberfläche „Cobotta World“. Übrigens wurde Cobotta mit dem German Design Award 2020 ausgezeichnet.

Messen fallen aus, bzw. erreichen wegen Reisebeschränkungen mutmaßlich weniger Publikum als in der Vergangenheit. Gerade bei kollaborierenden Robotern ist es aber wichtig selbst zu fühlen, wie die Systeme tatsächlich agieren. Wie gehen Sie als Hersteller mit dieser Thematik um?

Schöffler: Unser Qualitätsanspruch in der Kundenbetreuung ist schon immer sehr hoch gewesen – und genauso arbeiten wir heute konsequent mit Onlineplattformen und -medien, bieten den Kunden zum Beispiel Onlineproduktpräsentationen u. a. zu Cobotta und anderen Robotermodellen an. Damit ermöglichen wir den direkten Zugang zu Produktneuheiten sowie Anwendungen und schützen gleichzeitig die Gesundheit von Mitarbeiter/innen wie Kunden.

Anwender wünschen sich durchgängige Prozessketten. Was ist Ihre Strategie dafür? Welche Rolle spielen für Sie dabei Standards wie OPC/UA und ROS?

Schöffler: Wir bieten Industriestandards wie OPC/UA und ROS schon seit langem an. Doch wir tun noch mehr und entwickeln diese und andere Standards kontinuierlich weiter. Dabei haben wir stets den Anwender und seine Anforderungen im Blick.

Ralf Winkelmann, Geschäftsführer von Fanuc Deutschland

Ralf Winkelmann, Geschäftsführer von Fanuc Deutschland. Foto: FANUC

Herr Winkelmann, was hat sich durch die Corona-Krise in ihrem Geschäft bei Fanuc Deutschland am stärksten verändert und wie macht sich das bemerkbar?

Winkelmann: Die gesamte Arbeitsweise der Industrie hat sich verändert – es wird viel remote gearbeitet und es gibt viele Webkonferenzen. Bei den Kundenkontakten hat eine Verlagerung von persönlichen Treffen hin zu virtuellen Meetings stattgefunden. Fanuc ist weltweit präsent, deshalb nutzen wir seit Jahren Videokonferenzen und webbasierte Systeme, um unsere zahlreichen Standorte über Kontinente hinweg zu verbinden. Das hat es uns ermöglicht, uns schnell an die neue Situation anzupassen und auch unseren Kunden virtuell zur Seite zu stehen. Corona hat die Entwicklung noch vorangetrieben, virtuelle Lernmöglichkeiten für den internen und externen Gebrauch zu schaffen, wie etwa Webinare und Onlinetrainings. Diese werden uns und unseren Kunden auch in der Nach-Corona-Zeit zur Verfügung stehen.

Was die wirtschaftliche Situation angeht, sehen wir aktuell, dass viele Automatisierungsprojekte zwar nicht abgesagt, aber in die Zukunft verschoben werden. Die Anzahl der Anfragen und das Interesse der Kunden haben nicht abgenommen, aber der Auftragseingang ist unter Druck geraten.

Wie bewerten Sie ihre wirtschaftliche Situation? Ab wann erwarten Sie, wieder das Geschäftsniveau von vor der Pandemie zu erreichen?

Winkelmann: Das ist branchenabhängig und schwer zu sagen. Wir gehen davon aus, dass wir frühestens in ein bis zwei Jahren damit rechnen können, insbesondere bei der Robotik wieder auf ein Niveau ähnlich des Vor-Corona-Niveaus zu kommen. Im Moment gibt es allerdings zu viele Unbekannte für eine Prognose. Am Markt existiert viel Ungewissheit. Die Politik könnte die Situation verbessern, indem sie nachhaltig verlässliche Rahmenbedingungen zur Sicherung des industriellen Wachstums am Standort Deutschland schafft. Die Rückführung oder Neuansiedlung von Produktionen nach Deutschland und Europa muss durch den Einsatz hochflexibler Automatisierungslösungen mit entsprechend grünem Fußabdruck beschleunigt ermöglicht werden.

Laut IFR prägen die Trends Digitalisierung, einfache Bedienung und Mensch-Roboter-Kollaboration – kurz MRK – die Robotik derzeit am stärksten. Wie differenziert sich Ihr Unternehmen in den Bereichen von Wettbewerbsprodukten?

Winkelmann: Mit unserem neuen kollaborierenden CRX-Leichtbauroboter haben wir ein Produkt geschaffen, das diese Trends aufgreift und in puncto einfache Programmierung, Handhabung und Zuverlässigkeit neue Maßstäbe setzt. Auch die Digitalisierung wird mit unserer industriellen IoT-Plattform „Field system“ weiter vorangetrieben. Mit unserem integrierten Vision-System bieten wir Vorteile in Sachen Zusammenarbeit von Visionsystem und Roboterprozessen.

Messen fallen aus, bzw. erreichen wegen Reisebeschränkungen mutmaßlich weniger Publikum als in der Vergangenheit. Gerade bei kollaborierenden Robotern ist es aber wichtig selbst zu fühlen, wie die Systeme tatsächlich agieren. Wie gehen Sie als Hersteller mit dieser Thematik um?

Winkelmann: Obwohl Webinare und digitale Veranstaltungen keine Präsenzveranstaltungen ersetzen können, haben wir vermehrt auf diese Formate gesetzt. Zudem haben wir in unserem Showroom in Neuhausen für alle Interessenten eine Möglichkeit geschaffen, sich unsere kollaborierenden Roboter, einschließlich des CRX, anzusehen und sie selbst auszutesten – unter Einhaltung eines Hygienekonzepts, das unsere Mitarbeiter und Kunden schützt.

Anwender wünschen sich durchgängige Prozessketten. Was ist Ihre Strategie dafür? Welche Rolle spielen für Sie dabei Standards wie OPC/UA und ROS?

Winkelmann: Der Roboter stellt eine elementare Rolle in der Prozesskette dar. Für uns als Komponentenhersteller ist es sehr wichtig, dass alle unsere Produkte sämtliche technischen und sicherheitsrelevanten Standards erfüllen. Deshalb arbeiten wir auch in den Arbeitskreisen der unterschiedlichen Verbände aktiv mit. Für unsere Produkte ist OPC/UA verfügbar, und wir möchten auch weiter an der Entwicklung der Standards wie zum Beispiel OPC/UA im Rahmen von Umati beitragen.“

Michael Otto, Chief Sales Officer der Robotiksparte von Kuka

Michael Otto, Chief Sales Officer der Robotiksparte von Kuka. Foto: KUKA Group

Herr Otto, was hat sich durch die Corona-Krise in ihrem Geschäft bei Kuka Roboter am stärksten verändert und wie macht sich das bemerkbar?

Otto: Corona hat die Wirtschaft in eine tiefe Krise gestürzt, Produktionen standen still und Kunden halten sich mit Investitionen zurück. Corona hat einen schwierigen Markt noch einmal verschärft. Aber Corona ist nicht die einzige Herausforderung: Auch der Technologiewandel hin zu E-Mobilität verändert den wichtigen Bereich Automotive massiv und langfristig. Generell ist die Strategie von Kuka definitiv richtig: Automatisierung und Robotik sind wichtige Zukunftsthemen, die gerade durch Corona noch einmal an Bedeutung gewinnen werden. Aber das ist ein mittelfristiger Trend. Momentan steht im Fokus, durch diese Krise zu navigieren.

Wie bewerten Sie ihre wirtschaftliche Situation? Ab wann erwarten Sie, wieder das Geschäftsniveau von vor der Pandemie zu erreichen? 

Otto: Die Lage ist nach wie vor sehr dynamisch, Prognosen sind schwierig. Auch wenn mit Hilfsprogrammen den massiven wirtschaftlichen Einbrüchen entgegengesteuert wird, werden die Folgen der Corona-Krise voraussichtlich noch lange zu spüren sein. Zudem gibt es immer wieder neue Entwicklungen. Derzeit sind viele Kunden mit ihren Investitionen zurückhaltend, was auch bei uns zu spüren ist. Das ist den Unsicherheiten rund um die Coronavirus-Pandemie geschuldet. Gleichzeitig nehmen wir aber ein gestiegenes generelles Interesse an Robotik wahr. Es gibt Überlegungen, wieder mehr in Deutschland zu produzieren. Das lässt sich wirtschaftlich nur mit Robotik umsetzen. Dennoch gilt für uns, wie für viele Unternehmen aktuell, auf Sicht zu fahren.

Laut IFR prägen die Trends Digitalisierung, einfache Bedienung und Mensch-Roboter-Kollaboration – kurz MRK – die Robotik derzeit am stärksten. Wie differenziert sich Ihr Unternehmen in den Bereichen von Wettbewerbsprodukten?

Otto: Aktuell geht es darum, das Wissen aus dem Maschinenbau in die digitale Welt zu übertragen. Kuka spricht die Sprache beider Welten. Das ist unser großer Vorteil. Mit dem LBR iiwa haben wir 2013 einen Meilenstein in der Robotergeschichte gesetzt. Wir haben langjährige Erfahrung auf dem Gebiet der direkten Zusammenarbeit zwischen Mensch und Maschine aufgebaut und können sehr gut beurteilen, was für einen erfolgreichen, auch wirtschaftlich erfolgreichen, Einsatz von MRK noch fehlt, um aus der Aufbau- und Lernphase heraus zu kommen. Die Interaktion zwischen Mensch und Maschine ist ein wesentlicher Baustein, der die einfache Bedienung eines Roboters ermöglicht. Easy2Use, also die einfache Bedienung, ebnet auf lange Sicht den Weg für die Robotik im Alltag: schnell zu erlernen, einfach zu verstehen und sofort umzusetzen – was wieder den Menschen als Schlüsselfaktor unterstreicht.

Messen fallen aus, bzw. erreichen wegen Reisebeschränkungen mutmaßlich weniger Publikum als in der Vergangenheit. Gerade bei kollaborierenden Robotern ist es aber wichtig selbst zu fühlen, wie die Systeme tatsächlich agieren. Wie gehen Sie als Hersteller mit dieser Thematik um?

Otto: Schauen wir auf den Verbraucherbereich, sind Vertriebswege bereits sehr stark digitalisiert. Geht es aber um komplexe Investitionsgüter wie Industrieroboter oder sehr spezifische Anforderungen von Firmenkunden, sind Beratung und Verkauf noch sehr stark offline getrieben. Denn dabei geht es in erster Linie um Vertrauen und eine gute Beziehung – und wir alle wissen, dass das immer noch am besten geht, wenn wir uns face-to-face in die Augen sehen können. Deshalb sind wir auch unabhängig von Messen stets im engen Kontakt mit unseren Kunden. Dennoch haben wir natürlich diese Zeit jetzt für die verstärkte Digitalisierung unserer eigenen Vertriebswege genutzt. Mit my.kuka haben wir eine Onlineplattform geschaffen, die unsere Vertriebswege und Kundenbeziehungen digitalisiert. Das funktioniert sehr gut. Die Motivation, sich mit digitalen Angeboten zu beschäftigen, ist aktuell sowohl auf Kunden- als auch auf Mitarbeiterseite unglaublich hoch. Wenn eine Mischung beider Welten möglich ist, wäre das zu befürworten. Aber am Ende steht immer die Gesundheit aller Beteiligten an erster Stelle.

Anwender wünschen sich durchgängige Prozessketten. Was ist Ihre Strategie dafür? Welche Rolle spielen für Sie dabei Standards wie OPC/UA und ROS?

Otto: Industrie 4.0 bietet große Potenziale, die Fertigung auf eine neue Stufe zu heben. Digitalisierung ist dabei schlicht notwendig, um wettbewerbsfähig zu bleiben und Potenziale für neue Geschäftsfelder zu identifizieren. Es gilt, die Akzeptanz für neue Technologien zu erhöhen. Dann können wir auch unsere große Stärke – die Fülle an Prozesswissen – besser ausspielen. Ohne Standards kann das nicht funktionieren. Mit OPC/UA sind wir da auf dem richtigen Weg. ROS ist vor allen Dingen in der Forschung populär, da zu vielen Robotern verschiedener Hersteller Schnittstellen geboten werden, über die die Roboter kommandiert werden können. ROS wird auch von vielen Start-ups und industriellen Forschungslabors genutzt, die über ROS eine gewisse Unabhängigkeit von den proprietären Lösungen der Roboterhersteller erreichen wollen. Im Produktionsalltag hat ROS praktisch keine Bedeutung. Hier dominieren die Steuerungen der Roboterhersteller und industrielle Schnittstellen wie OPC-UA.

Jürgen von Hollen, Präsident von Universal Robots

Jürgen von Hollen, CEO Universal Robots, dänischer Roboterhersteller aus Ondese. Tochterunternehmen von Teradyne. Foto: Universal Robots

Herr von Hollen, was hat sich durch die Corona-Krise im Geschäft von Universal Robots am stärksten verändert und wie macht sich das bemerkbar?

von Hollen: Wie bei den meisten Unternehmen mussten auch wir das Reisen und das Arbeiten aus dem Büro stark einschränken bzw. einstellen. Das bedeutet für mich persönlich, dass ich die Geschäfte größtenteils von Frankfurt aus leite und nur selten in Dänemark im Büro bin. Am Anfang habe ich mir natürlich schon die Frage gestellt, wie das funktionieren soll. Aber es hat sich gezeigt, dass es sehr gut klappt. Vor Corona war ich 75 % meiner Zeit unterwegs. Ich dachte immer, dass der direkte und persönliche Kontakt notwendig ist, um eine Botschaft zu transportieren. Jetzt sehe ich, dass virtuelle Zusammenarbeit sogar oft effektiver und fokussierter abläuft. Zu Beginn mussten wir als Firma, die weltweit agiert, die IT entsprechend umstellen, aber mittlerweile hat sich alles gut eingespielt.

Diese gestiegene Bedeutung von IT-Lösungen nehmen wir auch für unsere Produkte aus der Krise mit. Bisher lag der Anteil von Hard- und Software bei uns etwa bei 50 zu 50, doch das wird sich zukünftig ändern. Systeme müssen auch aus der Remotesteuerung heraus flexibel reagieren können. Zudem werden wir uns verstärkt dem Thema Cloud-Lösungen widmen.

Wie bewerten Sie Ihre wirtschaftliche Situation? Ab wann erwarten Sie, wieder das Geschäftsniveau von vor der Pandemie zu erreichen?

von Hollen: Wir sehen natürlich, dass die Endkunden vorsichtiger geworden sind und das Wachstum aktuell verhalten ist. Wir sehen daher Einbußen, gehen aber davon aus, dass wir die Krise gut überstehen. Wie schnell es wieder aufwärts geht, hängt davon ab, wie rasch sich die Anwenderunternehmen erholen. Das ist momentan nicht absehbar, denn es gibt sehr viele Variablen — beispielsweise die Frage, wie stark die zweite Corona-Welle sich auswirkt und wie Politik, Wirtschaft und Endkunden darauf reagieren werden.

Dennoch werden wir aufgrund der Krise keine Mitarbeiter entlassen, denn unabhängig vom kurzfristigen Umsatz bleiben die Wachstumstreiber für die kollaborative Robotik wie Fachkräftemangel, der Bedarf nach flexiblen Lösungen mit schneller Amortisation sowie steigender Wettbewerbsdruck, bestehen. Gleichzeitig verschärft die Krise den Handlungsdruck angesichts unterbrochener Lieferketten sogar noch, denn Reshoring und die Stabilisierung der Supply Chain haben für viele Unternehmen jetzt oberste Priorität. Auch kleine und mittlere Unternehmen sind gezwungen, über neue Lösungsmöglichkeiten nachzudenken, und zeigen sich offen für kollaborative Technologien.

Hier können Cobots ihre Stärken ausspielen: Zum einen sind sie flexibel und können einfach für verschiedene Aufgaben umprogrammiert werden. SEAT hat beispielsweise im März einen Teil der Produktion mithilfe von Cobots kurzfristig auf die Fertigung von Beatmungsgeräten umgestellt. Zum anderen ermöglichen es die Roboterarme, Abstandsregeln in der Produktion einzuhalten und variablere Produktionszeiten zu fahren, wenn Schichten aufgeteilt werden, damit nicht zu viele Menschen gleichzeitig in der Fertigung arbeiten.

Wir sehen außerdem, dass sich aufgrund von Covid-19 eine Vielzahl an neuen Anwendungsbereichen für unsere Cobots erschließen, etwa in der Pharmazie, in Labors und Krankenhäusern. Sie kommen beispielsweise bei der Raumdesinfektion, der Analyse von Blutproben oder bei Corona-Tests zum Einsatz.

Ich schaue daher mit Universal Robots sehr zuversichtlich in die Zukunft. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis die Nachfrage wieder stark steigen wird – und von diesem Boom werden wir als Weltmarktführer für Cobots profitieren.

Laut IFR prägen die Trends Digitalisierung, einfache Bedienung und Mensch-Roboter-Kollaboration – kurz MRK – die Robotik derzeit am stärksten. Wie differenziert sich Ihr Unternehmen in den Bereichen von Wettbewerbsprodukten?

von Hollen: Wir haben es uns als Marktführer für kollaborierende Roboter zur Aufgabe gemacht, Automatisierung für Unternehmen jeder Größe und Branche zugänglich zu machen. Dazu gehören selbstverständlich die schnelle Einrichtung und Bedienung. Unsere Kunden melden eine durchschnittliche Integrationszeit von nur einem halben Tag. Ein ungeschulter Anwender benötigt gewöhnlich weniger als eine Stunde, um den Cobot auszupacken, aufzustellen und erste einfache Aufgaben zu programmieren. Dank unserer patentierten Technologie sind unsere Cobots mithilfe der intuitiven 3-D-Visualisierung schnell einzurichten und zu bedienen, indem Anwender einfach den Roboterarm von Hand an die gewünschten Wegpunkte führen oder die Pfeiltasten auf dem benutzerfreundlichen Touchscreen-Tablet nutzen. Unterstützung finden sie jederzeit auf unserer Universal Robots Academy, wo sie kostenlos in verschiedenen Onlineschulungsmodulen die Basis der Cobot-Programmierung erlernen können.

Ein wichtiger Pfeiler für die einfache Bedienung unserer Cobots ist unsere UR+-Plattform, das größte und umfassendste Ökosystem der Branche, dessen Produkte für die nahtlose Integration zusammen mit UR-Cobots zertifiziert sind. Dank der zertifizierten „Plug-and-Produce“-Peripherie lassen sich Aufgaben noch einfacher automatisieren. Im Bereich Anwendungskits finden Nutzer zudem verschiedene bewährte Soft- und Hardware-Kits für die gefragtesten Cobot-Anwendungen, die von führenden UR+ Partnern entwickelt wurden. Kunden erhalten mit den Kits ein Set mit den wichtigsten Komponenten für ihre gewünschte Anwendung in Aufgabenbereichen wie Endbearbeitung, Qualitätsprüfung, Montage, Maschinenbeschickung, Materialentfernung, Dispensierung oder Materialumschlag.

Zudem können unsere Cobots, im Gegensatz zu traditionellen Industrierobotern, nach erfolgreich abgeschlossener Risikobeurteilung ohne Schutzumhausung direkt neben oder Hand in Hand mit dem Menschen arbeiten. Rund achtzig Prozent der Tausenden UR-Roboter weltweit sind derart kollaborierend im Einsatz.

Für Analysen, Back-ups und Support kann es sinnvoll sein, Cobots mit der Cloud zu verbinden. Alle unsere Roboter verfügen daher über einen Ethernetanschluss an ihrer Steuerung. Zudem bieten wir über unser Ökosystem verschiedene Optionen für Analysen, den Fernzugriff auf die Roboter für den Support oder Back-ups an.

Messen fallen aus, bzw. erreichen wegen Reisebeschränkungen mutmaßlich weniger Publikum als in der Vergangenheit. Gerade bei kollaborierenden Robotern ist es aber wichtig selbst zu fühlen, wie die Systeme tatsächlich agieren. Wie gehen Sie als Hersteller mit dieser Thematik um?

von Hollen: Es war tatsächlich eine große Herausforderung, plötzlich nicht mehr persönlich und „live“ mit unseren potenziellen Kunden in Kontakt treten zu können: Sämtliche Messen und Veranstaltungen wurden abgesagt, Besuche in Produktionsanlagen für Roboterdemos fielen weg — und damit die Option für Anwender, unsere Cobots direkt in Aktion zu sehen, selbst zu programmieren, etc. Für uns hieß das, schnell umzudenken und verstärkt digitale Kontaktmöglichkeiten zu schaffen. Das haben wir beispielsweise mit unseren virtuellen Cobot-Messen umgesetzt, die wir als erstes im deutschsprachigen Raum und inzwischen auch weltweit sehr erfolgreich durchgeführt haben. Weitere Beispiele sind unsere Webinarreihen oder unsere „Cobot-Vertriebsmitarbeiter“: Unsere Kunden bekamen einen Cobot zugeschickt und konnten diesen, unterstützt von den Kollegen aus dem Vertrieb und dem technischen Support via Live-Video-Chat, kennenlernen.

Diese neuen Angebote ergänzen unsere bestehenden Möglichkeiten, denn glücklicherweise waren wir bereits vor der Corona-Krise online sehr gut aufgestellt, etwa mit unserer Online Academy für Onlineroboterschulungen oder dem Application Builder, mit dem Kunden von zuhause aus unsere Cobots und deren zahlreichen Anwendungsmöglichkeiten ausprobieren können. Dadurch erreichen wir unsere Zielgruppen sehr gut digital und werden auch nach Corona Formate wie die virtuellen Messen beibehalten, um insbesondere gänzlich neuen Interessenten und Anwendern eine Plattform zu bieten.

Anwender wünschen sich durchgängige Prozessketten. Was ist Ihre Strategie dafür? Welche Rolle spielen für Sie dabei Standards wie OPC/UA und ROS?

OPC/UA etabliert sich zunehmend als Voraussetzung für die Realisierung von Industrie 4.0 Projekten sowie als zuverlässiger Standard für die Industriekommunikation. Wir registrieren seit längerem eine wachsende Nachfrage nach einer OPC/UA-Kompatibilität unserer Cobots. Daher unterstützen unsere kollaborierenden Roboter diesen Standard. Unser norwegischer UR+ Partner Rocketfarm hat dafür eine Softwarelösung entwickelt, die Anwender sowohl clientseitig über den Roboter als auch serverseitig konfigurieren können. Die Software kann über unser UR+-Ökosystem bezogen werden. Die Software basiert auf der Schnittstelle URCap und ist leicht zu installieren. Damit sind unsere Cobots mit allen OPC/UA-fähigen Geräten kompatibel – für einen sichereren Datentransfer sowie eine bessere digitale Einbindung in Fertigungsumgebungen.

ROS ist eine ausgezeichnete Software für die Robotikforschung und die Entwicklung neuer Robotertechnologien. Bereits seit der Zeit vor 2010 werden von der Open-Source-Gemeinschaft sogenannte Treiber für Universal Robots entwickelt, die es ermöglichen, unsere Cobots über ROS zu steuern.

Im Jahr 2019 haben wir einen offiziell unterstützten ROS-Treiber für unsere Roboter auf den Markt gebracht, weil die Open-Source-ROS-Treiber in den letzten Jahren leider nicht mehr vollständig gewartet wurden, was zu mangelnder Stabilität und fehlenden Funktionen geführt hat. Für uns ist eine ausgezeichnete Nutzererfahrung sehr wichtig und wir möchten daher sicherstellen, dass der ROS-Gemeinschaft alle Funktionalitäten für die Schaffung der nächsten Generation der Robotikforschung und -technologien zur Verfügung stehen.

Eine bessere Unterstützung für ROS wird den Endanwendern in der Fertigung zunächst keinen unmittelbaren Vorteil bringen, denn die Arbeit an komplexen Robotikanwendungen mit fortgeschrittener Software macht es nicht unbedingt einfacher. Mit unserem neuen ROS-Treiber können Entwickler jedoch neue Lösungen für komplexe Automatisierungsprobleme schaffen und die gesamte Leistung der Roboterplattform der e-Serie nutzen, während sie durch das UR-Sicherheitssystem geschützt sind. Darüber hinaus können sie ihre Lösungen als Komponenten in die Programmierumgebung unserer Cobots integrieren und sie über unser Universal Robots+-Ökosystem auf den Markt bringen. Auf diese Weise stehen Anwendern aus der Industrie am Ende neue, benutzerfreundliche Technologien zur Lösung komplexer Automatisierungsprobleme zur Verfügung. In der Zwischenzeit freuen wir uns, eine erstklassige Plattform für die Robotikforschung bereitzustellen und die Entwicklung von Robotertechnologien der nächsten Generation zu unterstützen.

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