Faktencheck zu Batteriefahrzeugen 23. Jan 2020 Von Stefan Asche Lesezeit: ca. 5 Minuten

Die Wahrheit über Elektroautos

Fragen und Antworten zu Ökologie, Wirtschaftlichkeit, Reichweite, Ladeinfrastruktur ...


Foto: panthermedia.net/Andrea Lehmkuhl

Das Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung (ISI) hat in einem jetzt veröffentlichten Dossier die Zukunft von Elektroautos unter die Lupe genommen. Zentrales Ergebnis: Einer breiten Marktdiffusion zwischen 2020 und 2030 plus steht nichts im Wege, jedoch sind noch zahlreiche Herausforderungen anzugehen.

Die technologische Reife von Batterien für E-Pkw und deren Sinnhaftigkeit wird von Kritikern auch heute noch infrage gestellt, obwohl die Elektromobilität längst voranschreitet. Seit Anfang 2020 befinden sich weltweit über 7,5 Mio. E-Pkw auf den Straßen und ihr Anteil an den globalen Pkw-Verkäufen wird je nach Marktstudie ab 2030 auf 25 % bis 75 % geschätzt. Dies hat große Auswirkungen auf die globale Nachfrage nach und die Kapazität von Lithium-Ionen-Batterien, die von 500 GWh bis 1500 GWh (um 2025) auf 1000 GWh bis 6000 GWh (ab 2030) ansteigen dürfte.

In Europa sind bis 2030 fast 600 GWh Zellproduktionskapazitäten angekündigt. Alleine in Deutschland soll die Kapazität bei 236 GWh liegen. Zur Einordnung: Das ist etwa das Siebenfache dessen, was die Tesla-Gigafactory in Brandenburg im Endausbau pro Jahr liefern soll. Und es entspricht laut ISI einem Anteil von durchschnittlich 20 % des globalen Batteriezellbedarfs.

Vor dem Hintergrund der zwischen 2020 und 2030 entscheidenden Markthochlaufphase liefert der Faktencheck des Fraunhofer ISI einen Überblick zu kontrovers diskutierten Fragen entlang der Batterie-Wertschöpfungskette und formuliert den bestehenden Handlungsbedarf in diesem Zeitraum. Die Autorinnen und Autoren haben hierzu in einer Meta-Literaturanalyse Fremd- und Eigenstudien analysiert, um zwölf zentrale Fragen zu beantworten:

Ist die Umweltbilanz von E-Pkw besser als bei konventionellen Pkw?

Heute in Deutschland gekaufte E-Pkw weisen über ihre Nutzungsdauer eine deutlich positive Treibhausgasbilanz gegenüber konventionellen Pkw auf, wenn die Energiewende wie geplant voranschreitet. Eine energieeffiziente und auf erneuerbare Energiequellen fokussierte Batterieproduktion, mehr erneuerbarer Fahrstrom und ein geschlossener Ressourcenkreislauf verbessern die Klima- und Umweltbilanz von E-Pkw weiter. Wie alle Pkw haben auch E-Pkw negative ökologische Auswirkungen, so dass eine Verkehrswende auch ein verändertes Mobilitätsverhalten (weniger und kleinere Fahrzeuge, weniger Fahrten) beinhalten muss.

Welche Maßnahmen können die sozialen und ökologischen Auswirkungen verbessern?

Die Gewinnung von Rohstoffen und die Herstellung von technischen Komponenten sind unabhängig von der Antriebstechnologie mit ökologischen und sozialen Risiken behaftet, die umso gravierender ausfallen, je schwächer die Gesetzgebung und staatliche Institutionen in den jeweiligen Ländern sind. In der Wertschöpfungskette der E-Pkw stellen die Auswirkungen von Batterieproduktion und Ressourcengewinnung ökologische Schwerpunkte dar. Internationale Initiativen zur unternehmerischen Sorgfaltspflicht, inklusive ihrer gesetzlichen Verankerung, sind sinnvolle Ansatzpunkte. Verbesserte Bedingungen lassen sich durch Unterstützung und Kontrolle und nicht durch eine Verlagerung der Produktion erreichen.

Reichen die Rohstoffe global aus?

Benötigte Batterierohstoffe wie Lithium, Kobalt, Nickel, Mangan und Grafit sind global gesehen ausreichend vorhanden. Durch die Entwicklung hin zu Kobalt-reduzierten und Nickel-reichen Hochenergiebatterien wird sich die Rohstoffsituation für Kobalt weiter entschärfen. Bei Lithium dürfte sie unkritisch bleiben, bei Nickel existieren noch Unsicherheiten. Für einzelne Rohstoffe sind temporäre Verknappungen bzw. Lieferengpässe oder Preissteigerungen kurz-/mittelfristig nicht auszuschließen. Für Lithium werden ausgereifte Recyclingverfahren im industriellen Maßstab künftig wichtiger.

Welche Faktoren sind für eine wettbewerbsfähige Zellfertigung wichtig?

Der Zugriff auf kostengünstige Batterierohstoffe und -komponenten wird auch künftig für den Wettbewerb entscheidend sein. Zudem müssen Kosten sinken, etwa bei Anlagen und Lohnkosten – was mit Skaleneffekten zu erreichen ist – sowie durch eine energieeffiziente und automatisierte Produktion (zum Beispiel durch intelligente Steuerung). Produktionserfahrung ist ein klarer Vorteil asiatischer Hersteller, die ein europäischer bzw. deutscher Produzent durch Lerneffekte und zwischenzeitliche Mehrkosten ausgleichen müsste. Wettbewerbsentscheidende Alleinstellungsmerkmale könnten künftig durch höhere Energiedichten, Schnellladefähigkeit, geringere Kosten und eine nachhaltige Produktion (zum Beispiel Einsatz von erneuerbaren Energien bei der Produktion) geschaffen werden.

Führt der Ausbau der Elektromobilität zu Arbeitsplatzverlusten?

Trotz unterschiedlicher Beurteilungen der Beschäftigungseffekte in der Automobil- und Zulieferindustrie wird in Deutschland überwiegend ein nennenswerter Beschäftigungsrückgang erwartet. Die Batteriezellproduktion selbst ist hochautomatisiert, weshalb die Arbeitsplatzeffekte limitiert sind. In Bezug auf die vor- und nachgelagerten Wertschöpfungsketten sind die sich daraus ergebenden Arbeitsplatzeffekte jedoch relevant. In anderen Bereichen wie der Stromerzeugung oder dem Aufbau der Ladeinfrastruktur dürfte es zudem positive Arbeitsplatzeffekte geben. Vom Strukturwandel betroffene Regionen und Unternehmen, die im Kontext des verbrennungsmotorischen Antriebsstrangs aktiv sind, müssen ein nachhaltiges Geschäfts- und Beschäftigungsmodell entwickeln. Gegebenenfalls müssen sie dabei durch aktive industrie- und arbeitsmarktpolitische Maßnahmen unterstützt werden, damit – im Verbund mit natürlicher Altersfluktuation – der Strukturwandel sozialpolitisch verträglich gestaltet werden kann.

Gibt es Lieferengpässe entlang der Wertschöpfungskette?

Entlang der Wertschöpfungskette bestehen auch heute noch vereinzelt temporäre Lieferengpässe, denen unterschiedliche Ursachen zugrunde liegen können. Beispiele hierfür finden sich bei Batterierohstoffen und der Zellproduktion sowie bei der Produktion und Auslieferung von E-Pkw. Die Unternehmen sind sich dessen bewusst und begegnen diesem Risiko zum Beispiel durch Diversifikation der Lieferanten, strategische Industriekooperationen entlang der Wertschöpfungskette, Forschungskooperationen, Joint Ventures und Eigenfertigung. Diese Bemühungen werden von der Politik unterstützt und das koordinierte Vorgehen hierbei sollte in Zukunft beibehalten werden, um Lieferabhängigkeiten der Industrie zu reduzieren.

Wie entwickeln sich Batterien und welche Reichweiten sind zu erwarten?

In den letzten zehn Jahren hat sich die Energiedichte großformatiger, in E-Pkw eingesetzter Lithium-Ionen-Batteriezellen fast verdoppelt – auf heute durchschnittlich 200 Wh/kg bzw. 400 Wh/l. Bis 2030 könnte die (insbesondere volumetrische) Energiedichte nochmals maximal verdoppelt werden, sofern die damit einhergehenden großen FuEHerausforderungen erfolgreich umgesetzt werden. Andere Batterieparameter müssen dabei weiterhin die anwendungsspezifischen Mindestanforderungen erfüllen. Für E-Pkw wird sich damit deren Reichweite und die Akzeptanz der Nutzer vergrößern. Um diese Verdopplung aber bis auf Batteriesystemebene umzusetzen und reale Reichweiten der meisten E-Pkw-Modelle jenseits von 600 km zu erreichen, sind zudem raum- und gewichteinsparende Innovationen in der Modul-/Packherstellung und Fahrzeugintegration nötig. Auch sind weitere Strategien zum verringerten Energieverbrauch von E-Pkw (zum Beispiel Isolation und Verringerung des Heizaufwands und Energieverbrauchs durch Elektronik, Leichtbau etc.) erforderlich.

Wie entwickelt sich die Ladeinfrastruktur?

Für das Laden von E-Pkw ist heute und in Zukunft vor allem Ladeinfrastruktur zu Hause oder am Arbeitsplatz wichtig. Für den heutigen Bedarf ist das öffentliche Schnellladenetz bereits gut ausgebaut, muss aber künftig erweitert werden. Eine finanzielle Förderung privater Ladeinfrastruktur sollte mit einer verpflichtenden Teilnahme zum Lademanagement verbunden werden, um Verteilnetz-Ausbaukosten zu vermeiden und die Integration erneuerbarer Energien zu unterstützen. Handlungsbedarf besteht bei Nutzern ohne private Lademöglichkeit sowie bei gesetzlichen Maßnahmen zum Ausbau der Ladeinfrastruktur in Mietshäusern und Wohneigentümer-Gemeinschaften. Der derzeit sehr dynamische Aufbau von Schnelllade-Infrastruktur dürfte den Bedarf an Schnellladeleistung in der kommenden Dekade decken. Die aktuellen Entwicklungen hin zu Ladeleistungen bis 100 kW für Mittelklasse-Pkw und deutlich darüber hinaus für Oberklasse-Pkw bis zu 350 kW reduzieren die künftigen Ladezeiten für E-Pkw deutlich.

Sind E-Fahrzeuge wirtschaftlich?

In der Anschaffung sind E-Fahrzeuge heute ohne Förderung noch teurer als konventionelle Fahrzeuge. Allerdings haben sich die Anschaffungskosten aufgrund sinkender Batteriepreise in den letzten Jahren stark reduziert. Dieser Trend dürfte sich fortsetzen und bis etwa 2025 könnten die Anschaffungspreise auf einem ähnlichen Niveau liegen. Aufgrund geringerer Nutzungskosten schneiden E-Fahrzeuge teilweise schon heute bei den Gesamtkosten (Total Cost of Ownership, TCO) besser ab. Zudem helfen Kaufprämien, die Kostendifferenz bei der Anschaffung zu reduzieren. Bei den Wiederverkaufswerten existieren noch Unsicherheiten. Die Vorteilhaftigkeit bei den TCO sollte dem Endkunden verdeutlicht werden, da heute bei Kaufentscheidungen oft der Anschaffungspreis im Vordergrund steht.

Reicht die Strommenge und sind die Stromnetze für die E-Mobilität gerüstet?

Die verfügbaren Strommengen in Deutschland reichen in den nächsten Jahren für E-Fahrzeuge aus und sind für den Ausbau der E-Mobilität kein Hindernis. Die Stromnetze müssen nur partiell für E-Fahrzeuge ausgebaut werden, da sich das Laden von E-Fahrzeugen oft zeitlich entzerrt. Lademanagement vermindert weiterhin einen Netzausbau und sollte deshalb gefördert werden. Der Ausbau der Netze finanziert sich über die bestehenden Netznutzungsentgelte für Strom.

Welche Rolle spielt die Zweitnutzung von Fahrzeugbatterien?

Konzepte zur Zweitnutzung von Traktionsbatterien befinden sich momentan in der Erprobung und könnten ab circa 2030 relevant werden – wenn mit einem nennenswerten Rücklauf ausgedienter Fahrzeugbatterien zu rechnen ist. Heute ist noch nicht absehbar, welcher Anteil dieser gebrauchten Batterien sich noch als stationäre Speichersysteme oder in anderen Anwendungen nutzen lassen wird. Für tragfähige Geschäftsmodelle müssten Second-Life-Batterien zu entsprechend niedrigen Kosten und mit noch ausreichender Restperformance vorhanden und neu integrierbar sein. Fragen der Standardisierung und Gewährleistung (zum Beispiel durch entsprechende Betreiber- und Besitzermodelle) müssen in einem wirtschaftlichen Geschäftsmodell berücksichtigt werden. Ob sich dies umsetzen lässt, wird heute noch kontrovers diskutiert und erfordert weitere techno-ökonomische Forschung.

Was passiert mit den Altbatterien?

Das Recycling von Fahrzeugbatterien gilt mittlerweile als technisch machbar und wird industriell in Pilotanlagen umgesetzt. Die Forschungsarbeit hin zu wirtschaftlichen sowie energie- und materialeffizienten Recyclingprozessen ist jedoch vor dem Hintergrund der sich ändernden Zellchemien nicht abgeschlossen. Die aktuelle Gesetzeslage zum Batterierecycling wird dem für die nächsten Jahre erwarteten deutlichen Anstieg im Altbatterieaufkommen in Europa nicht gerecht und wird daher derzeit überarbeitet.

Das gesamte Dossier ist online verfügbar.

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