Ernährung 25. Sep 2024 Von Bettina Reckter Lesezeit: ca. 6 Minuten

Fleischersatz aus Pflanzen, Pilzen und dem Bioreaktor

Der hohe Fleischkonsum schadet dem Klima, der Umwelt und dem Tierwohl. Dabei gibt es genügend Alternativen. Immer mehr Produkte erobern die Regale im Supermarkt.

Vegan oder nicht? Bei vielen Lebensmitteln lässt sich gar optisch nicht so einfach sagen, ob noch Fleisch drinsteckt oder nicht.
Foto: Redefine Meat

Wer Teenager im Haus hat, wird sicher früher oder später der Frage stellen müssen, ob der Konsum von tierischem Protein denn wirklich noch nötig sei. Meist sind es junge Leute auf der Suche nach einer guten Ernährung oder schlicht Menschen, denen Gesundheit und die Umwelt am Herzen liegen. Und so machen sich mittlerweile selbst eingefleischte Steakliebhaber zuweilen Gedanken darüber, ob und wie sie ihre Ernährung eventuell umstellen oder ergänzen könnten. Denn fleischlose Proteinquellen können durchaus den Speiseplan bereichern.

Das unterstreicht auch Jan Philipp Hartmann. „Alternative Proteine sind kein kurzlebiger Trend, sondern die Zukunft der Ernährung“, ist der Direktor der Anuga überzeugt und will für die Koelnmesse GmbH mit der Anuga Alternatives im kommenden Jahr sogar eine eigene Fachmesse für pflanzliche Proteinquellen veranstalten. Denn: Mehr als 1400 Unternehmen weltweit, darunter etwa 70 in Deutschland, bieten pflanzliche Alternativen zu Fleischprodukten an.

27 % mehr Produkte als Fleischersatz auf dem Markt als vor einem Jahr

Das wachsende Interesse in der Bevölkerung und eine zunehmende Vielfalt im Angebot der Lebensmittelindustrie lassen die Branche aufblühen. So wurden allein im April 2024 27 % mehr Fleischersatzprodukte auf den Markt gebracht als im Vorjahreszeitraum. Technologische Innovationen bei der Erschließung und Verarbeitung der pflanzlichen Eiweiß­quellen, aber auch von kultiviertem Fisch und Fleisch stehen dabei im Fokus.

Fakt ist, dass die Fleischproduktion Klima, Artenvielfalt, Böden und Gewässer stark belastet. Und: Die mehr als 33 Mrd. Hühner, 1,6 Mrd. Rinder und je knapp 1 Mrd. Schweine und Schafe, die laut Welternährungsorganisation (FAO) derzeit weltweit gehalten werden, benötigen Futter, Stallfläche und Weideland. So gehen allein 80 % der ca 5 Mrd. ha landwirtschaftlicher Nutzfläche weltweit auf das Konto der Tierzucht.

Können pflanzliche Proteine Fleisch ersetzen?

Ja, sie können. So liefern Pflanzen wie Soja, Erbse und Weizen sehr wertvolle Proteine. Aber auch Algen und Pilze oder – wenns doch möglichst nah am Original sein soll – aus dem Tier gewonnene und dann im Labor kultivierte Zellen sind gute Proteinquellen. Dabei werden einzelne tierische Zellen im Bioreaktor mit Methoden des Tissue Engineering auf Fleisch oder Fisch getrimmt (s. Beispiele weiter unten).

Ein Umdenken ist spürbar: Die Nachfrage nach vegetarischem und veganem Fleischersatz steigt stetig. So produzierten im Jahr 2023 deutsche Unternehmen laut Statistischem Bundesamt (Destatis) 16,6 % mehr Fleischersatzprodukte als im Vorjahr, im Vergleich zu 2019 sogar mehr als doppelt so viel. 2023 kamen rund 121.600 t fleischähnlicher Pflanzenprodukte in die Supermärkte. Auch die Zahl der Unternehmen, die solche Lebensmittel in Deutschland herstellen, wächst kontinuierlich.

Mit alternativen Proteinquellen Geld zu verdienen, ist trotzdem nicht so einfach wie mit Fleisch. So lag laut Destatis hierzulande der Wert von Fleisch und Fleischerzeugnissen im Jahr 2023 bei 44,8 Mrd. € – und betrug damit fast das 80-Fache des Werts von Fleischersatzprodukten. Dennoch: Der Fleischkonsum geht zurück. Die Bundes­anstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) bezifferte ihn für 2023 auf 51,6 kg pro Kopf. Das sind knapp 12 % weniger als im Jahr 2019.

Ein Umdenken findet statt. Fleisch wird bewusster konsumiert, gegebenenfalls dafür auch tiefer in die Tasche gegriffen. Das hat jetzt auch eine Erhebung des Meinungsforschungsinstituts Infas im Auftrag der Wochenzeitung „Die Zeit“ gezeigt. Demnach findet fast jeder dritte Deutsche, dass auf Fleisch eine höhere Mehrwertsteuer als die bisher üblichen 7 % erhoben werden sollte. Der Befragung zufolge sind Wohlhabendere und Personen mit höherem Bildungsgrad sowie Menschen in Großstädten grundsätzlich eher bereit, für Fleisch mehr zu bezahlen.

Wie gesund ist Fleischersatz wirklich?

Bleibt die Frage, ob vegane oder vegetarische Fleischalternativen gesund sind. Oft heißt es, die Produkte seien randvoll mit Hilfsstoffen, die dort nicht hineingehörten. Ein Blick auf die Zutatenliste ist also beim Einkauf allemal ratsam. Darüber hinaus fiel kürzlich der Startschuss für die größte Umfrage zu pflanzenbasierter Ernährung im deutschsprachigen Raum. Im Rahmen der Studie Coplant wird untersucht, wie sich diese auf Körperzusammensetzung und Knochengesundheit auswirkt, ob ausreichend Vitamine und Mineralstoffe aufgenommen werden und was im Stoffwechsel passiert, wenn vollständig auf tierische Lebensmittel verzichtet wird. Die Ergebnisse dürften auch bei künftigen Grillpartys für genügend Diskussionsstoff sorgen.

Welche Arten von Fleischersatz gibt es?

Gerade Hülsenfrüchte wie Erbsen und Soja, aber auch Getreidesorten wie Weizen bieten sich als pflanzliche Eiweißquelle für eine ausgewogene Ernährung an. Foto: [M] PantherMedia / anaumenko / VDIn
Klassiker sind sicher die Sojaproteine Tofu und Tempeh. Sojabohnen werden in Asien seit rund 5000 Jahren angebaut. Mit diversen Tofuvariationen begann zweifellos auch in westlichen Küchen der Hochlauf von pflanzlichen Proteinprodukten. Die Vielfalt von Lebensmitteln auf Sojabasis ist enorm: ob Schnitzel, Bratwurst und Hack für den klassischen Fleisch­ersatz, ob Seidentofu zart wie Quark für Süßspeisen oder Räuchertofu mit rauchigem Schinkenaroma für Herzhaftes. Tempeh aus gekochten Sojabohnen erhält durch Beimpfen mit Schimmelpilzsporen einen mild-nussigen Geschmack und bereichert so den Speisezettel von veganen oder vegetarischen Menschen. Sojaprodukte gelten allgemein als fett- und kalorienarme Sattmacher, sie sind reich an hochwertigem Eiweiß, Kalium, Magnesium und B-Vitaminen. Laut der US-Lebensmittelbehörde FDA gilt der Verzehr von bis zu 300 g Tofu pro Tag als gesundheitlich unbedenklich. Laut Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung dienen 80 % der weltweiten Sojaernte als Tierfutter, gehen also in die Produktion von Fleisch, Eiern und Milchprodukten. Nur rund 2 % bis 5 % hingegen werden vom Menschen direkt konsumiert.

Wo ist viel pflanzliches Protein enthalten?

Um erbsenbasiert Weißwürste oder Fleisch herzustellen, verwendet etwa die Greenforce Future Food AG aus München gelbe Schälerbsen. Foto: Greenforce

Hier sei die Erbse erwähnt, eine der ältesten Kulturpflanzen überhaupt. Sie galt lange als Arme-Leute-Essen, doch dieses Image hat sie zu Unrecht. Denn sie ist proteinreich und hat viel Eisen, B-Vitamine, Beta-Karotin sowie Kalzium, Magnesium und Zink. Um erbsenbasiertes Fleisch herzustellen, verwendet etwa die Greenforce Future Food AG aus München gelbe Schälerbsen. Diese werden aus der Schote gelöst und gemahlen, anschließend entfernt man Ballaststoffe und Stärke aus dem Erbsenmehl. Übrig bleibt ein reines Erbsenprotein, das in einem eigenen Verfahren gekocht wird, wodurch es eine fleischähnliche Faserstruktur erhält. Zusammen mit Wasser, Kartoffelstärke, Hafer, Gewürzen und Rapsöl entsteht ein veganer Fleischersatz, der etwa zu Weißwürsten verarbeitet wird (Foto). Wobei der Münchner Hersteller nach eigenen Angaben vollständig auf Zucker, Farbstoffe und Konservierungsstoffe verzichtet.

Ist pflanzliches Protein gesund?

Nicht immer. Denn beispielsweise für Menschen mit Glutenunverträglichkeit oder gar Zöliakie, einer speziellen Art von Darmentzündung, ist Weizenprotein nicht empfehlenswert. Für alle anderen aber ist das auch als Seitan im Handel bekannte Weizenprotein eine echte Bereicherung des Speisezettels und wichtiger Bestandteil der traditionellen japanischen Tempura-Küche.

Seitan ist der sogenannte Kleber im Weizen, das Gluten. Man gewinnt ihn, indem man Weizenmehl mit Wasser zu einem Teig knetet und dann so lange mit Wasser die Stärke auswäscht, bis nur noch die Proteinfraktion übrig bleibt. So einfach, wie das klingt, ist es auch. Man kann Seitan also bequem auch zu Hause herstellen. Es empfiehlt sich übrigens nicht, Seitan roh zu essen – allein schon aus geschmacklichen Gründen. Denn seine fleischartige Konsistenz und vor allem den Geschmack erhält das Produkt vor allem durch das Kochen oder Dampfgaren der Rohmasse in einer Marinade.

Der Handel bietet mittlerweile viele vegane oder vegetarische Fleischersatzprodukte auf Basis von Weizenprotein an. Je nach Herstellung enthalten 100 g Seitan bis zu 25 g Eiweiß sowie bis zu 40 g Kohlenhydrate.

Welcher Fleischersatz schmeckt wirklich nach Fleisch?

Dieser Bioreaktor liefert Proteine aus Pilzmyzel unter anderem für Burgerpattys. Foto: Roman Pawlowski

Haben Sie schon einmal Burgerpattys aus Pilzen probiert? Sie stammen aus dem Fermenter und ihr Geschmack kommt ziemlich nah an das tierische Vorbild. Doch wie wird dieser Fleischersatz hergestellt? Man nehme die Wurzeln von Pilzen, Myzel genannt, stecke sie in einen Bioreaktor und füttere sie mit Abfällen aus der Pflanzenzucht. So entsteht in nur zwei Tagen ein Mykoprotein, das reich an Ballaststoffen und Proteinen ist und sich zur Herstellung von Burgerpattys und anderer Fleischersatzprodukte eignet. Den Fermentationsprozess dafür hat die Kynda Biotech GmbH in Jelmstorf nahe Lüneburg selbst entwickelt. Nach eigenen Angaben könne ein einzelner 10.000-l-Bioreaktor innerhalb von 48 Stunden das Fleischäquivalent von 380 Hühnern produzieren, wobei es nur einen Bruchteil der Ressourcen und vergleichsweise wenig Wasser und Energie benötigt. Ganz so weit sind die Jelmstorfer allerdings noch nicht: Gerade wird von noch kleineren Behältern auf zunächst 5500 l hochskaliert.

Das fertige Produkt hat eine fleischähnliche Textur mit einem kräftigen Umami-Geschmack und ist reich an Proteinen, Ballaststoffen und Aminosäuren. Die Vorteile, die die Jelmstorfer versprechen: konstante Qualität und Versorgungssicherheit, dezentrale Produktion und keine Trocknungs- und Transportkosten. Es hat zudem einen geringen ökologischen Fußabdruck und ist nicht von einer bestimmten Rohstoffquelle abhängig.

Fleisch und Fisch aus der Retorte durch In-vitro-Kultivierung

Größere Anlagen zum Tissue Engineering von tierischen Muskel-, Fett- und Gewebezellen und Gewebe betreibt zum Beispiel das US-Unternehmen Upside Foods. Foto: UPSIDE Food/TIMGMENA.COM

Und schließlich sei noch kultiviertes, sprich: in der Retorte gezüchtetes Fleisch erwähnt. Es ist weder vegan noch vegetarisch. Denn als Basis für die Gewebezüchtung braucht es immer noch einzelne tierische Zellen. Dennoch könnte es eine Alternative zur üblichen Tierzucht sein, da der „Verbrauch“ von Tieren nur einen Bruchteil ausmacht. Größere Anlagen zum Tissue Engineering von tierischen Muskel-, Fett- und Gewebezellen und Gewebe betreibt etwa Upside Foods (s. Foto) in den USA. In Hamburg fährt Bluu Seafood gerade die Produktion von kultiviertem Fisch hoch. In den neuen Fermentern mit 65 l Gesamtkapazität soll Zellmasse von Atlantischem Lachs und Regenbogenforelle entstehen. Daraus werden Fischstäbchen oder Fischbällchen hergestellt. Diese sind gentechnikfrei und sollen konventionellen Produkten sowohl in Geschmack und Nährstoffgehalt als auch im Kochverhalten gleichen.

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