Datenschutz 04. Sep 2024 Von Christiane Schulzki-Haddouti Lesezeit: ca. 3 Minuten

Expertin für Datenhandel wird neue Bundesdatenschutzbeauftragte

Louisa Specht-Riemenschneider wurde nun offiziell zur neuen Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit. Die Professorin tritt die Nachfolge von Ulrich Kelber an und bringt frischen Wind in die Datenschutzdebatte.

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Für die Datenschutzbeauftragte Louisa Specht-Riemenschneider steht die Datennutzung im Vordergrund.
Foto: IMAGO/IPON

Die Rechtswissenschaftlerin Louisa Specht-Riemenschneider wurde am 3. September 2024 zur neuen Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI) ernannt. Ihre Wahl durch den Bundestag erfolgte bereits am 16. Mai. Seit Mitte April stand fest, dass sie als einzige Kandidatin der Ampel-Koalition die Nachfolge von Ulrich Kelber antreten würde.

Hohe Expertise im Bereich Datenschutz

FDP-Bundesjustizminister Marco Buschmann begrüßte die Einigung als „exzellenten Vorschlag“. Sie sei eine „herausragende Expertin auf dem Gebiet des Datenschutzes und der Rechtsinformatik“. Die in Berlin gut vernetzte Digitalexpertin Ann Cathrin Riedel sieht darin eine „großartige Entscheidung“. Specht-Riemenschneider sei eine „vor allem kompetente und pragmatische Frau“ und werde „dem Standort Deutschland guttun“.

Louisa Specht-Riemenschneider ist Professorin für Bürgerliches Recht sowie Informations- und Datenrecht an der Universität Bonn. Ihr Arbeitsschwerpunkt im Rahmen der Forschungsstelle Datenrecht liegt auf Fragen der Datennutzung und eines verbesserten Datenzugangs für Unternehmen und Organisationen im Sinne einer sogenannten Datenrealpolitik. In ihrer Promotion hatte sie sich mit Datenhandel befasst.

Seit Jahren berät die Professorin Bundesministerien und Parteien in Digitalfragen. Sie gilt als gut vernetzt und fachlich kompetent. Einer Partei gehört sie nicht an. Sie ist Vorsitzende des Sachverständigenrats für Verbraucherfragen beim Grünen-geführten Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz. Sie war Vorsitzende des Digitalbeirats der Bundesregierung beim FDP-geführten Bundesministerium für Digitales und Verkehr. Überdies war Specht-Riemenschneider Mitglied der Gründungskommission für das geplante Dateninstitut des Bundes. Es soll bei einem hohen Schutzstandard „die Datennutzbarkeit insgesamt verbessern“.

Datennutzung im Fokus: Specht-Riemenschneiders Ansatz und Vision

Die Datennutzung steht bei Louisa Specht-Riemenschneider eindeutig im Vordergrund – Datenschutz mit seinem Prinzip der Datenminimierung nimmt sie als Hindernis wahr. Im Tagesspiegel schrieb sie in einem Gastbeitrag: „Datensicherheit, Datenschutz, Datenhandel und Datenzugang sind nicht als Maximalforderungen zu realisieren, sondern zusammenzudenken, auszutarieren und nicht eines dem anderen unterzuordnen.“ Hierfür seien „harte politische Entscheidungen notwendig“, ein „pauschaler Vorrang des Datenschutzrechts“ existiere nicht. Es gelte, Freiheitsgrade bei der Datennutzung festzulegen.

Dabei adressiert Specht-Riemenschneider mit Blick auf den Aufbau europäischer Datenräume bekannte Unzulänglichkeiten des bestehenden Datenschutzrechts. Unter anderem stellt sie das Standardinstrument des Datenschutzes, die freiwillige informierte Einwilligung, infrage – die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) basiert allerdings weitestgehend auf der Einwilligung.

Eine Lösung sieht die Rechtswissenschaftlerin in Personal Information Management Systemen (PIMS), in der Ausgestaltung von Betroffenenrechten, im Verbot besonders gefährlicher Datenverarbeitungen sowie der Formulierung von Erlaubnistatbeständen für Datenverarbeitung im Interesse des Gemeinwohls.

Kontroverse Positionen: Ausbalancierung von Datenschutz und Datennutzung

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in der Position des Datenschutzbeauftragten sind nicht neu – und auch nicht unumstritten. Aktuell sind dies Tobias Keber in Baden-Württemberg, Alexander Roßnagel in Hessen und Dieter Kugelmann in Rheinland-Pfalz. Von Alexander Roßnagel ist bekannt, dass er die Datennutzung von Gesundheitsdaten durch die Wissenschaft im Rahmen des Forschungsprivilegs abgedeckt sah, für das weder die Zustimmung noch der Widerspruch der Betroffenen nötig sei.

Diese Position, die die EU-Kommission in ihrem Entwurf für den Europäischen Gesundheitsdatenraum einnahm, stieß bei ihm auf keine Kritik. Im Zuge einer langen Debatte, in der sich auch der bayerische Landesdatenschutzbeauftragte Thomas Petri einschaltete, korrigierte das europäische Parlament diese Position.

Inwieweit Louisa Specht-Riemenschneider als Bundesdatenschutzbeauftragte ihre wissenschaftlich vorgetragene Position von einer Ausbalancierung verschiedener Interessen vertreten wird, wird spannend. Traditionell wird das Selbstverständnis der Datenschutzbeauftragten davon geprägt, dass sie sich um die Beschwerden von Betroffenen kümmern, denen sie Recht gegenüber Organisationen, Behörden und Unternehmen verschaffen sollen.

Dabei agieren sie nicht als Richter, die gegenläufige Interessen von Datennutzenden und in ihren Grundrechten Betroffenen ausbalancieren, sondern als Verteidiger der informationellen Selbstbestimmung der Betroffenen. Aus dieser Erfahrung heraus gestalten sie das Datenschutzrecht mit, indem sie „die Entwicklung beobachten, kritisch analysieren und Vorschläge machen, wie man weiterkommt“ – so sagte einmal Spiros Simitis, Jurist und prominenter Entwickler des Datenschutzrechts.

Ernennung nach monatelangen Verhandlungen

Der Entscheidung ging ein monatelanges Tauziehen der Parteien voran. Laut dem Koalitionsvertrag lag das Vorschlagsrecht bei der SPD, nachdem diese aber den Polizeibeauftragten ernennen konnte, ging es auf FDP und Grüne über. Prominente Digital- und Datenschutzexpertinnen und -experten riefen in einem offenen Brief die Politik dazu auf, Ulrich Kelber in eine zweite Amtszeit zu schicken. Der Bürgerrechtsverein Digitalcourage ließ Aufkleber, Postkarten Tassen und T-Shirts mit der Aufschrift „Kelber Ultras“ drucken.

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