Kreislaufwirtschaft 11. Jan 2023 Von Martin Ciupek Lesezeit: ca. 8 Minuten

Digitale Transformation: CO2-Fußabdruck des einzelnen Produkts ist das nächste Ziel

Deutschland kann Potenziale der Kreislaufwirtschaft nutzen, wenn es gelingt, CO2-Daten in Wertschöpfungsketten transparent zu machen. Wie das gelingen kann, erläutert Wilhelm Otten, Vorsitzender des Interdisziplinären Gremiums Digitale Transformation im VDI.

Zirkuläre Wertschöpfung: Damit sie gelingt, sind Informationen aus vielen Quellen nötig. Nur so wird die CO2-Bilanz in der Wertschöpfungskette transparent.
Foto: PantherMedia / malpetr

VDI nachrichten: Die Industrie ist mit hohen Energiekosten und zusätzlichen bürokratischen Hürden wie Gesetzen zur Lieferkettensorgfaltspflicht in das neue Jahr gestartet. Was bedeutet das für den Industriestandort Deutschland?

Otten: Da bin ich in der Beurteilung zweigeteilt. Die gesamte Industrie ist nicht so energieabhängig, nur 2 % bis 3 % unserer Primärkosten sind Energiekosten. Es gibt natürlich Industriezweige wie die Prozessindustrie, die Chemie, aus der ich komme, wo die hohen Energiekosten richtig weh tun. Aber es ist ein bisschen wie in den 1980er-Jahren mit dem Umweltschutz. Da wurde auch erst geklagt und am Ende war es ein Wettbewerbsvorteil.

Also wenn wir es intelligent managen, führen diese Randbedingungen in eine industrielle Transformation, die uns einen Wettbewerbsvorteil verschafft.

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Wie kann Digitalisierung dabei helfen, dass Industrieunternehmen nachhaltiger werden und damit global auch wettbewerbsfähig produzieren?

Dazu müssen wir uns die verschiedenen Sektoren anschauen. Das ist zunächst der Sektor der Energieerzeugung. Hier geht es darum, die nachhaltigen Ressourcen optimal zu nutzen. Das heißt, wir nutzen das Informationsmanagement, um die Ausbeute aus unseren Windkraft- und Solaranlagen zu maximieren. Es geht weiter mit Smart Grids, also dem Energiemanagement über die Netze. Damit wird der Nutzungsgrad unserer Windräder und Solaranlagen optimiert. Insgesamt kann das intelligente Management der Netze einen erheblichen Beitrag zur verbesserten Nachhaltigkeit leisten.

Ein weiteres Thema ist der Verkehr, die Logistik. Wir alle kennen Verkehrsleitsysteme. Die Systeme und ihre Funktionsfähigkeit müssen wir ausbauen, um auch da die Verluste weiter zu reduzieren. In Zukunft wird es deshalb mehr kombinierte Verkehrssysteme geben. Es geht darum, den lokalen Verkehr auf der Straße z. B. mit der Bahn zu vernetzen und das bei minimierten Fahrzeiten. Auch dazu brauche ich immer ein Datenmanagement. Und dann gibt es noch Heizungen, Klimatisierung, Heizungssteuerungen und -regelungen …

Das sind alles Themen, die nicht industriespezifisch sind. Wo setzt der VDI dort mit seinem „Interdisziplinären Gremium Digitale Transformation“ – kurz IGDT – an?

Der große Sektor, um den wir uns jetzt im VDI-IGDT kümmern, ist der Primärenergiebedarf für Industrie und Gewerbe. Wir sprechen da im Wesentlichen über Rohstoffe und Energie, die fast 45 % des Primärenergiebedarfs in Deutschland ausmachen. Etwa die Hälfte davon geht über Rohstoffe in Produkte ein. Da ist das Metall, das in Minen abgebaut und verarbeitet werden muss. Da sind die Chemikalien, die in Halbzeuge und dann wiederum in andere Produkte einfließen. Sie werden unter Einsatz von Erdöl und Erdgas gewonnen.

Das Problem ist, dass die Endprodukte heute noch nicht oder in geringen Teilen wiederverwendet werden, sondern zu großen Teilen als Müll entsorgt werden. Das ist ein riesengroßer Hebel, um den Energieverbrauch und die CO2-Emissionen zu senken. Da setzen wir an.

Wie die Kreislaufwirtschaft zum Wettbewerbsvorteil für Deutschland werden kann

Sprechen Sie damit die Kreislaufwirtschaft an?

Ja. Gerade ein Land wie Deutschland, das arm an Rohstoffen ist, ist prädestiniert dafür, die Rohstoffe und Energie, die einmal im Wirtschaftskreislauf gesteckt wurden, wieder zu verwenden. Wenn wir es wirklich schaffen, eine Kreislaufwirtschaft aufzubauen, dann kann das ein Wettbewerbsvorteil werden. Und dazu trägt die Digitalisierung dabei. Sie hilft uns, die Prozesse transparent zu machen und effizient zu steuern.

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Nachhaltige Automatisierung: Prozesse nicht nur nach Kosten steuern

Bisher ging es bei der Digitalisierung und Automatisierung vor allem um die Beschleunigung von Prozessen und Kosteneffizienz. Welche zusätzlichen Anforderungen entstehen beim Fokus auf höhere Nachhaltigkeit?

Wenn ich die Prozesse steuere – nicht nur nach Kosten, sondern auch nach Nachhaltigkeit – , brauche ich Transparenz über die Nachhaltigkeit der Produkte und der Einsatzstoffe. Das ist erst mal der CO2-Fußabdruck, im Wesentlichen durch die eingesetzten Rohstoffe und Energie. Damit haben wir einen Steuerungsmechanismus bezüglich der Nachhaltigkeit. Idealerweise bepreise ich das CO2, was ja schon gemacht wird. Aber aus meiner Sicht ist der CO2-Preis immer noch zu niedrig. Daher haben wir immer noch eine Konkurrenz zwischen wirtschaftlichen Interessen und Nachhaltigkeit.

Die höheren Energie- und Rohstoffkosten führen jetzt zu einem Umdenken. Um über den CO2-Fußabdruck der Rohstoffe den Rohstoffmix beim Produkt zu optimieren, fehlt uns aber im Augenblick noch weitgehend die Transparenz.

Mangelt es dazu an Daten oder an der richtigen Verknüpfung der Informationen?

Die Daten gibt es. Ein Beispiel aus der Chemie: Evonik hat den CO2-Fußabdruck für alle ihre großvolumigen Produkte ermittelt. Aber die Information wird in der Prozesskette bisher kaum weiter genutzt. Das heißt, die Digitalisierung schafft hier Transparenz. Und wir brauchen die CO2-Daten über alle Wertschöpfungsketten.

In der Prozessindustrie liegen die Daten in den Unternehmen demnach schon vor. Wie sieht es generell aus?

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