Depolymerisation von Kunststoffen 27. Sep 2021 Von Bettina Reckter

Kreislaufwirtschaft: Plastikmüll durch chemisches Recycling zurück bis zum Molekül

Chemisches Recycling könnte für gemischte Kunststoffe eine Lösung sein. Die Verfahren sind allerdings erst im Pilotstatus.

Andreas Kicherer, Sustainability Strategy, mit einer Flasche Pyrolyseöl, das aus Kunststoffabfällen zurückgewonnen wurde. Das ChemCycling-Projekt von BASF legt seinen Fokus darauf, Kunststoffabfälle in der chemischen Produktion wiederzuverwenden statt sie zu entsorgen.
Foto: BASF SE

Plastikmüll wird großenteils thermisch verwertet, also in Müllverbrennungsanlagen mitverbrannt. Denn für eine stoffliche Verwertung müsste er sortenrein vorliegen. Wird der Abfall über duale Systeme einer Sortieranlage zugeführt, lassen sich einzelne Kunststofffraktionen abtrennen, mechanisch zerkleinern und so aufschmelzen, dass daraus erneut Kunststoffprodukte entstehen können. Oft geht dies allerdings mit einem erheblichen Qualitätsverlust einher.

Nun bietet das chemische Recycling eine Alternative. Der Vorteil: Auch gemischte und verunreinigte Kunststoffe lassen sich verwerten. Daraus wird durch Pyrolyse ein Öl oder durch Vergasung Synthesegas gewonnen. Beides kann als Ausgangsprodukt für die chemische Industrie dienen.

Verfahren des chemischen Recyclings – Kunststoff grob zerlegen und unter Pyrolyse aufspalten

Im Prinzip funktioniert das Verfahren so: Zunächst werden gebrauchte Verpackungen und Gegenstände, die nicht unbedingt aus den dualen Systemen stammen müssen, grob in ihre chemischen Bestandteile zerlegt. Das kann mechanisch oder enzymatisch geschehen. Anschließend erfolgt etwa die Pyrolyse, während der bei Temperaturen über 500 °C das Material in seine Moleküle aufgespalten wird.

Das Umweltbundesamt (UBA) fasst unter dem Begriff des chemischen Recyclings alle Verfahren zur Depolymerisation von Kunststoffen zusammen. Was herauskommt, lässt sich direkt in der chemischen Industrie bzw. in der Kunststoffherstellung einsetzen. Zwar wäre zudem der Einsatz der Produkte als Kraftstoff denkbar, doch widerspricht dies laut UBA dem Gedanken der stofflichen Verwertung und sollte deshalb außen vor bleiben.

BASF ist Vorreiter für chemisches Recycling in Deutschland

Dr. Michael Bachtler (rechts), der am ChemCyclingTM -Projekt der BASF arbeitet, und Rasmus Kærsgaard (links), Betriebsleiter bei Quantafuel, auf einem Rundgang durch der Pyrolyse- und Aufreinigungsanlage von Quantafuel in Skive, Dänemark.
Foto: BASF SE

Einer der Vorreiter in Deutschland ist die BASF in Ludwigshafen. „Mit chemischem Recycling wollen wir einen signifikanten Beitrag leisten, die Menge des Kunststoffmülls zu reduzieren“, sagt Martin Brudermüller, Vorsitzender des Vorstands der BASF SE. Gemeinsam mit Industriepartnern entwickelt das Unternehmen bereits verschiedenste Produkte aus Pyrolyseöl, etwa Lebensmittelverpackungen, Dämmplatten und Kühlschrankelemente.

Dafür gewinnt die Recenso GmbH im Auftrag des Chemiekonzerns durch Verölung von Kunststoffabfällen oder auch von Altreifen Pyrolyseöl. In seinen Steamcrackern spaltet die BASF dieses bei ca. 850 °C in Ethylen und Propylen auf.

Diese Basischemikalien, die sich nicht von aus Erdöl hergestellten Rohstoffen unterscheiden, dienen dann als Ausgangspunkt für zahlreiche neue Kunststoffprodukte. Allerdings sind noch einige technologische und regulatorische Hürden zu nehmen, bevor das Verfahren Marktreife erlangt. Vor allem beim Anspruch, gleichbleibend hohe Qualität zu liefern, hapere es laut BASF derzeit noch.

Seit April setzt die BSH Hausgeräte GmbH erstmals Styropur als Verpackungsmaterial für bestimmte Großgeräte ein, das auf chemisches Recycling zurückgeht. Nach der Testphase am Produktionsstandort Dillingen will BSH die ressourcensparenden Verpackungen bei allen Großgeräten weltweit einsetzen. Ab März 2022 will zudem das Sportbekleidungsunternehmen Vaude Outdoorhosen auf den Markt bringen, die mit dem BASF-Verfahren aus Altreifen produziert werden.

Covestro gewinnt beide Kernrohstoffe des Polyurethans vollständig zurück

Auch Covestro betreibt bereits chemisches Recycling. Das Leverkusener Chemieunternehmen hat zahlreiche Forschungsprojekte aufgesetzt, um die Kreislaufwirtschaft voranzubringen. So gelingt es, ausgediente Polyurethanschaumstoffe, etwa aus Matratzen, wieder in seine ursprünglichen Bestandteile zu zerlegen und beide Kernrohstoffe des Polyurethans vollständig zurückzugewinnen. Seit Anfang dieses Jahres ist am Standort Leverkusen eine Pilotanlage in Betrieb, um das Verfahren weiter voranzutreiben.

Das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) wiederum setzt in einem Projekt mit dem Autohersteller Audi auf chemisches Recycling, um Kunststoffmischfraktionen wiederzuverwerten. „Automobile Kunststoffe zu recyceln, ist bisher für viele Bauteile nicht möglich, deshalb leisten wir hier mit Audi Pionierarbeit“, sagt Dieter Stapf, Leiter des Instituts für Technische Chemie am KIT.

Alte Kraftstofftanks, Radzierblenden und Kühlerschutzgitter werden ebenfalls zu Pyrolyseöl verarbeitet, aus dem erneut Kfz-Bauteile entstehen. Aktuell läuft eine Machbarkeitsstudie, die zeigen soll, dass sich daraus Kunststoffbauteile ohne Qualitätsverlust fertigen lassen – ein wichtiger Schritt mit Blick auf das geforderte stärkere Verwerten von Altfahrzeugen. Chemisches Recycling sei bisher die einzige Methode, mit der gemischte Kunststoffabfälle wieder in Produkte mit Neuwarenqualität umzuwandeln seien, meint Stapf. Dadurch könne eine größere Bandbreite an Kunststoffen wiedergewonnen werden.

Verfahren noch nicht ausgereift – Kritik vor allem am hohen Energieverbrauch für die Depolymerisation

Noch sind die Verfahren zum chemischen Recycling alles andere als ausgereift. In der Kritik steht vor allem deren hoher Energieverbrauch für die Depolymerisation der Kunststoffe. Laut Umweltbundesamt fallen zudem große Mengen nicht verwertbarer Rest- oder gar Schadstoffe an, deren weitere Behandlung nicht geklärt ist. Dennoch sei laut UBA das chemische Recycling nach Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG) und Abfallrahmenrichtlinie (ARRL) dem Recycling zuzuordnen und damit der energetischen Verwertung grundsätzlich vorzuziehen.

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