Naturkatastrophen 29. Jan 2024 Von Bettina Reckter Lesezeit: ca. 3 Minuten

So klingt ein Vulkan kurz vor dem Ausbruch

Die zerstörerische Kraft von Vulkanen kündigt sich mit einem ganz bestimmten Sound an. Den hat ein Forschungsteam mit Methoden des maschinellen Lernens und der Musikwissenschaft jetzt eingefangen.

Der Geldingadalir-Ausbruch am Fagradalsfjall-Vulkan im Jahr 2021 in Island.
Foto: Eva Eibl, Universität Potsdam

Wenn Vulkane ausbrechen, sind oft Menschen und ihr Hab und Gut in Gefahr. Eine funktionierende Frühwarnung ist deshalb so enorm wichtig. Dabei hilft das typische Rumoren im Untergrund, mit dem sich Eruptionen ankündigen. Die verräterischen Signale, die der Geldingadalir-Vulkan auf der isländischen Halbinsel Reykjanes vor und während seines Ausbruchs im Jahr 2021 ausgesendet hat, hat jetzt ein Forschungsteam um Zahra Zali und Fabrice Cotton vom Deutschen GeoForschungsZentrum (GFZ) und der Universität Potsdam mit Methoden des maschinellen Lernens und der Musikwissenschaft analysiert. Die Wissenschaftler hoffen, mit ihrer Methode die Vorhersage von Vulkanausbrüchen zu verbessern.

Der Geldingadalir-Vulkanausbruch war das erste von mittlerweile fünf vulkanischen Ereignissen in der Region von Reykjanes, ganz in der Nähe der isländischen Hauptstadt Reykjavik. Gemeinsam mit Kollegen der Stanford University (USA) konnten die deutschen Seismologen im „Klang des Vulkans“ verschiedene zuvor verborgene Signaturen identifizieren, die für die jeweiligen Phasen eines Ausbruchs charakteristisch sind. So registrierten sie bereits drei Tage vor dem großen Naturereignis eine Tremorsequenz, die die Eruption ankündigte. Ihre Vermutung: Ein subtiler episodischer Tremor könnte auf den Übergang von kontinuierlichem Lavafluss zu Lavafontänen hinweisen.

Seismische Signale als Indikator für eine bevorstehende Eruption

Wann, wie und wie heftig eine Eruption vonstatten geht, sind die zentralen Fragen der Seismologen. Wenn Gestein aufbricht oder Magma aufsteigt, dann entstehen seismische Signale, die als Datenfutter für das Potsdamer Team dienen. So lassen sich zum Beispiel seismische Schwärme, sich wiederholende Erdbeben und vulkanische Erschütterungen (Tremor) feststellen. Vor allem solch ein Tremor wird als potenzieller geophysikalischer Marker für die Vorhersage von Eruptionen angesehen.

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Solche seismische Daten untersuchte das Team nun mithilfe von sogenanntem „Deep Embedded Clustering“ (DEC) sowie mit musikalischer Signalverarbeitung. „Mit der Methode des Deep Embedded Clusterings konnten wir in unseren seismischen Daten Signale ähnlicher Struktur clustern und so bislang verborgene Muster erkennen. Wir nutzen hier einen Ansatz des sogenannten ‚unüberwachten‘ maschinellen Lernens. Der Vorteil gegenüber anderen ML-Verfahren ist, dass er auf unmarkierte Daten angewendet werden kann und selbstständig, ohne Vorgaben und schnell – nahezu in Echtzeit – Ergebnisse liefert“, erläutert Zahra Zali.

Der wichtige Sound im vulkanischen Grundrauschen

Wie sich wichtige Informationen aus dem vulkanischen Grundrauschen heraushören lassen, erklärt Zali so: „Ich habe mich von der Idee der harmonisch-perkussiven Trennung (HPS) in der musikalischen Signalverarbeitung inspirieren lassen. Denn die Problematik ist bei diesen akustischen Wellen ähnlich: Um in einem Musikstück verschiedene Instrumente zu identifizieren, müssen verschiedene Arten Klänge voneinander getrennt werden, zum Beispiel die harmonischen Klänge melodiöser Violinen von den perkussiven eines Schlagwerks.“

Diese Erkenntnisse übertrug sie auf die vulkanischen Aktivitäten auf der isländischen Halbinsel Reykjanes, übrigens die ersten nach einer 781 Jahre währenden Ruhephase. Die erste Eruption wurde angekündigt durch eine Reihe von seismischen Schwärmen sowie von Intrusionsereignissen, also das Eindringen von Magma in Gestein. Es begann mit einem einwöchigen Erdbebenschwarm im Dezember 2019. Ein gutes Jahr später, am 24. Februar 2021, markierte ein Erdbeben der Stärke 5,7 den Beginn der letzten seismischen Sequenz vor Beginn des Geldingadalir-Ausbruchs. Drei Wochen später erreichte das Magma die Oberfläche, am 19. März 2021 öffnete sich eine Spalte in der Nähe des Fagradalsfjall und die Eruption begann. Es folgte ein kontinuierlicher Magmaausfluss, der ab dem 27. April stärker wurde und am 2. Mai dann in eine Phase mit Lavafontänen überging, die am 13. Juni endete.

Nicht alle Vulkane sind mit ausreichender Messtechnik ausgestattet

Sämtliche Phasen haben die Potsdamer Seismologen aufgezeichnet und mit ihrer neuen Methode erforscht. Dabei identifizierten sie zwei subtile Signale, die für die Frühwarnung und Prognose von Vulkanausbrüchen und vulkanischen Aktivitäten von Bedeutung sein könnten: eine Tremorsequenz, die drei Tage vor der Eruption einsetzte und währenddessen anhielt, und einen subtilen episodischen Tremor im Übergang von stark ausfließender Lava hin zum Beginn von Lavafontänen. Er könnte mit einem Anstieg der Abflussrate kurz zuvor zusammenhängen.

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„Unsere Methode bietet einen schnellen und reproduzierbaren Ansatz, um die zeitliche Entwicklung eines vulkanischen Systems automatisch zu entschlüsseln: Auf Basis seismischer Rohsignale können wir auch ohne vorherige Datenverarbeitung einschlägige Merkmale identifizieren und möglicherweise unerwartete Erkenntnisse gewinnen“, betont Zahra Zali. Nicht alle Vulkane seien mit Messgeräten gut ausgestattet. Doch selbst mit einem begrenzten Datensatz von acht Tagen ist es den Forschern zufolge möglich einen Cluster zu identifizieren, der im Vorfeld eines Ausbruchs steht.

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