Konjunktur 29. Sep. 2025 Von Volker M. Banholzer Lesezeit: ca. 5 Minuten

Defence als neue Markthoffnung?

Die Konjunktur schwächelt, Zollstreitigkeiten, Handelshemmnisse und Unsicherheiten lassen Marktzugänge für deutsche Unternehmen schwieriger werden. Da erscheint der Defence-Bereich als neue Option und Hoffnungsschimmer für Maschinenbau und Elektrotechnik.

Auf dem Podium des VDMA Maschinenbau-Gipfels 2025 (v.l.n.r): Britta Jacob von ARX Robotics; MdB Vivian Tauschwitz, CDU-Verteidigungspolitikerin und Soldatin ; Andreas Evertz, CEO des Getriebe- und Antriebsherstellers Flender; Jakob Stöber, Partner beim Beratungsunternehmen McKinsey; Thomas Schiemann, Geschäftsführer des VDMA-Bereichs Sicherheitssysteme.
Foto: Banholzer

Stellte sich die Gretchenfrage „Wie hältst du es mit der Rüstung?“ vergangenes Jahr noch einigermaßen offen, so hat inzwischen zumindest der deutsche Maschinenbau sie für sich scheinbar eindeutig beantwortet. Nämlich so: Ja, es ist notwendig, Verteidigungsfähigkeit herzustellen, und ja, der Maschinenbau kann und will seinen Beitrag dazu leisten. Auf dem Maschinenbau-Gipfel 2025 des VDMA wurde in der vergangenen Woche dem Thema Defence viel Zeit eingeräumt. Der VDMA will sich des Themas für seine Mitgliedsfirmen annehmen und Handreichungen entwickeln, so Thomas Schiemann, Geschäftsführer des Verbandsbereiches Sicherheitssysteme. Klingt eindeutig und einfach. Der Schritt muss von Unternehmen aber gut überlegt sein und hat einige Voraussetzungen, die den Markt an sich, die regulatorischen Rahmenbedingungen und die Produktionsweisen sowie auch die Anwendbarkeit der Angebote für Militär oder Zivilschutz betreffen.

Der Defence-Markt ist mehrfach besonders

Die Aussichten klingen sehr gut. Jakob Stöber, Partner beim Beratungsunternehmen McKinsey, analysiert das Verteidigungsbudget und stellt fest, dass sich die Gesamtausgaben verdoppeln und der darin enthaltene Anteil für Ausrüstung sich verdreifacht. Und letzteres sei die Größe, die für die Industrie relevant sei. Stöber prognostiziert, über die Jahre hinweg würde das europäische Volumen eine ähnliche Größe erreichen wie in den USA. Auch der Projektträger VDI/VDE-IT schreibt in einem Positionspapier zu New Defence über Chancen gerade für den Mittelstand. Deutschland verfüge mit einer hoch entwickelten industriellen Basis „über enorme Potenziale, um durch eine enge Verzahnung von zivilen und militärischen Technologieentwicklungen die nationale Sicherheit zu stärken“, so die Autoren Marc Bovenschulte und Michael Preuß-Eisele.

Aber der Defence-Markt ist kein Markt wie jeder andere. Das Wort von der Friedensdividende bringt ein Grundphänomen auf den Punkt. Christian Mölling, Forscher beim European Policy Centre, unterstreicht nachdrücklich: „Rüstung und Verteidigung sind ein politischer Markt.“ Das bedeute, abhängig von der geopolitischen Lage sind die Investitionen der Politik mehr oder eben weniger stabil. Eine zweite Besonderheit sind die Fertigungsweisen. Gerade bei der militärischen Ausrüstung bewege man sich im Bereich der Manufaktur, die Prinzipien der Serienfertigung, wie sie in der Automotive-Industrie üblich seien, wären kaum übertragbar, so Unternehmensberater Stöber. Hinzu käme die besondere Regulatorik, die einzelne Anforderungen an Komponenten, geforderte Dokumentationen oder auch schlicht die Sicherheitsüberprüfung von Personal beträfe. Da müssten sich viele Unternehmen erst einarbeiten.

Problem Beschaffungswesen und die Kapazitäten

Und dann ist da noch die andere Seite: Das schon oft kritisierte Beschaffungswesen der Bundeswehr. „Die Beschaffung hält mit der technischen Entwicklung nicht Schritt.“ So fasst es Britta Jacob von ARX Robotics zusammen. Dem stimmt auch Andreas Evertz, CEO des Getriebe- und Antriebsherstellers Flender, zu. Neben der dringenden Reform des Beschaffungswesens müsse aber noch ein weiterer Umstand gelöst werden. „Der Bedarf ist groß, und um ihn zu bedienen müssen Unternehmen kooperieren, es muss europäisch gedacht werden“, so Evertz. Die Kapazitäten und die Struktur der Branche machen auch Mannheimer Volkswirtschaftlern Sorgen. Tom Krebs und Patrick Kaczmarczyk kritisieren in einer Studie die Strukturen der Rüstungsindustrie als nicht effizient. Die bestehenden Rüstungsunternehmen seien schon stark ausgelastet und die Vergabeverfahren eher intransparent. Ohne Reform würden die höheren Verteidigungsausgaben ohne positiven volkswirtschaftlichen Effekt verpuffen. Britta Jacob fordert denn auch auf dem Maschinenbaugipfel, es brauche eine Umorientierung vom Kauf von fertigen Produkten hin zu ständig aktualisierbaren Fähigkeiten. Es brauche agile Verträge, die beinhalten, dass Produkte Feedback und Iteration benötigten. Hier sehen die Experten von VDI/VDE-IT noch ein zu bearbeitendes Problem. Während die zivile F&E Innovationen im Jahrestakt entwickle, wären Innovationszyklen bislang in der Rüstungsindustrie eher auf Jahrzehnte angelegt.

Und dann kommt noch die Finanzierung hinzu. McKinsey-Berater Stöber hatte im Sommer bereits gegenüber Table Briefings auf diese Faktoren hingewiesen. Gerade die Zulieferer aus dem Maschinenbau seien zu klein für den Kapitalmarkt und sähen sich zudem Banken gegenüber, die zumindest bislang nur sehr zurückhaltend Rüstungsbetriebe finanzierten. Zudem stelle sich die Frage der Zeit, die vergeht, bis die erhöhte Nachfrage wirklich im Maschinenbau ankommt und die angesichts der anderen eher schwachen Branchenkonjunkturen zu überbrücken sei. Aber auch die Frage, ob ein Unternehmen Verteidigungsgüter produzieren kann, müsste, trotz Euphorie mancherorts, für die einzelne Fertigung erst geklärt werden. Und das stehe bei vielen Unternehmen noch aus, so kann man zumindest Unternehmensberater Stöber verstehen, wenn er in Berlin eine „ehrliche Selbstanalyse im Maschinenbau“ fordert.

Hoffnung auf Innovation

Britta Jacob, Leiterin Government Relations beim Start-up ARX Robotics, sowie Soldatin und MdB Vivian Tauschwitz, die für die CDU im Verteidigungsausschuss des Deutschen Bundestages sitzt. Foto: Banholzer

Auch bei der Frage nach Innovation regt Britta Jacob Kooperationen an, vor allem mit ukrainischen Unternehmen. „Dort passiert technische Innovation“. Parallel zum Maschinenbaugipfel fand im ukrainischen Lwiw die Rüstungsmesse Defense Tech Valley statt, die auch der EU-Kommissar für Verteidigung und Raumfahrt Andrius Kubilius besuchte. Auf der Plattform X postete er: „Es ist an der Zeit, dass Europa die Ukraine nicht nur unterstützt, sondern auch von ihr lernt. Die Frage ist nicht nur, wie man eine bestimmte Technologie entwickelt, sondern wie man ein ganzes Ökosystem schafft.“ Auch Bovenschulte und Preuß-Eisele setzen auf ein Innovationsökosystem, haben da allerdings eher den Blick auf den Standort Deutschland gerichtet. Sie fordern eine stärkere Vernetzung zwischen den unterschiedlichen Akteuren, zwischen Forschung, Hochschulen und der Verteidigungsindustrie sowie eine intensivere Zusammenarbeit mit Start-ups. Es existierten auf europäischer Ebene bereits Förderprogramme wie der Hub for European Defence Innovation (HEDI), die genutzt werden könnten, um auch die Finanzierung zu ermöglichen. Auch eine „reziproke Konversion“, die Übertragung ziviler Entwicklungen auf Rüstungs-F&E sei wichtig. Dazu zählen sie Autonome Systeme und Robotik, Cybersicherheit und Quantentechnologien, Materialwissenschaften und additive Fertigung. Zudem müsse die Nutzung von Dual-Use-Gütern ausgebaut werden. Hier mahnt die CDU-Verteidigungspolitikerin und Soldatin Vivian Tauschwitz: Unternehmen müssten bei Produkten nicht nur in Digitalstrategien denken, sondern auch berücksichtigen, dass Lösungen auch funktionieren müssten, wenn Satellitenverbindung oder Strom ausfallen. Das sei gerade ein Problem bei Dual-Use-Produkten, die ja vornehmlich für einen zivilen Einsatz entwickelt werden, aber meist stabile Rahmenbedingungen voraussetzen.

Fazit: Ehrliche Analyse, europäische Kooperation und Dialog

Die Verbesserung der Verteidigungsfähigkeit ist notwendig, dringend. Zahlreiche Unternehmen haben bereits ihr Engagement im Verteidigungssektor erweitert. Für viele, gerade mittelständische Unternehmen steht aber zunächst eine ehrliche Analyse der eigenen Fähigkeiten und Kapazitäten sowie die Suche nach Kooperationspartnern an. Dann kann der Markt Defence auch Ausfälle an anderer Stelle der Maschinenbaukonjunktur kompensieren.

Auf der anderen Seite sind Anstrengungen im Beschaffungswesen, im Bürokratieabbau und bei der Finanzierung ebenso dringlich. All dies muss allerdings unter dem zeitlichen Druck wachsender Bedrohungen geschehen und kann nur durch europäische Kooperation, durch Lernen von der Ukraine und durch Dialog der einzelnen Akteure miteinander geschehen. Die Bundestagsabgeordnete Vivian Tauschwitz unterstreicht: „Ich wünsche mir von der Industrie, dass sie auch im Austausch mit den Soldatinnen und Soldaten Fragen an die Politik stellen, wir brauchen das Feedback der Industrie, um in der Politik besser zu werden.“ Der VDMA hat sich als Dialogpartner angeboten.

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