IG-BCE-Chef Vassiliadis zu Corona und zur Transformation der deutschen Industrie 18. Jan 2021 Von Stephan W. Eder Lesezeit: ca. 3 Minuten

Deutsche Industrie: „Insgesamt eine sehr stabile Entwicklung“

Auf seiner Jahrespressekonferenz hat der Vorsitzende der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie und Energie (IG BCE) ein Zwischenfazit der Corona-Krise gezogen. Tenor: Bis auf die Automobilzulieferer hätte sich die deutsche Industrie gut geschlagen. Zudem regte er einen 120 Mrd. € schweren Transformationsfonds für Energiewende und Klimaschutz an und sprach sich für die Erdgaspipeline Nord Stream 2 aus.


Foto: panthermedia.net/TTstudio

Homeoffice-Pflicht? Ein erneuter Lockdown der deutschen Industrie? Michael Vassiliadis, Vorsitzender der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE), hat die Diskussion darüber nach eigenen Worten „nicht wirklich verstanden“. Er hält es für sinnvoll, systematisch auf jene Unternehmen zuzugehen, die kein Homeoffice ermöglichen. Aber in vielen Bereichen jener Branchen, die seine Gewerkschaft vertrete, sei Arbeit von zu Hause schlicht nicht möglich, so der IG-BCE-Chef heute Morgen während der Jahrespressekonferenz seiner Organisation.

„Das ist ein bisschen weltfremd“, kommentierte er eine Homeoffice-Pflicht, unter anderem in Hinblick auf die gerade auch im Fokus der Öffentlichkeit stehende Pharmabranche. „Wir sind gewohnt mit höchsten Sicherheitsstandards zu agieren. Mit Blick auf unsere Branchen sind diese Betriebe Corona-Senken“, sagt er.

Deutsche Industrie kommt in guten Teilen gut durch die Corona-Krise

In jenen Industriebereichen, die die IG BCE betreut, habe man bisher „insgesamt eine sehr stabile Entwicklung“ beobachtet, so Vassiliadis und ergänzte: „Auch die Beschäftigung wird im Großen und Ganzen stabil bleiben.“ Insgesamt habe man über alle Branchen hinweg eine Steigerung der Beschäftigten um 10 000 auf 1,14 Mio. in den Branchen der IG BCE feststellen können, 90 000 Beschäftigte seien in Kurzarbeit. Zu den Branchen, in denen die Gewerkschaft mit Sitz in Hannover ihre Mitglieder betreut, zählen neben den drei namensgebenden – Bergbau, Chemie sowie Energie – die Pharmazie, die Glasherstellung, Leder, Papier, Kautschuk, Keramik und Sanierung.

Der größte Teil dieser Kurzarbeitenden kämen, so der IG-BCE-Chef, aus dem Bereich der Automobilzulieferer. Sie seien die Ausnahme, stünden aber auch ganz unabhängig von der Corona-Krise unter dem Transformationsdruck der Automobilhersteller. „Wie die so sind, drücken die ihre Belastung, ihre Neuaufstellung gerne mehr oder weniger rücksichtsvoll in diese Zulieferkette. Hier geht es aber eher um klassischen Strukturwandel“, so Vassiliadis. Diesen zu bewältigen, das müsse aber mit hoher Geschwindigkeit und hoher Sensibilität angegangen werden, „damit wir dort nicht an Innovations- und Produktionskapazitäten verlieren“.

Michael Vassiliadis, Vorsitzender der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie und Energie (IG BCE). Foto: IG BCE/Stefan Koch

IG BCE fordert Pharma-Pakt für nachhaltige Versorgung

Krisengewinnler innerhalb der IG-BCE-Branchen sind nach Vassiliadis‘ Worten die Pharmaindustrie, die Labore sowie die Hersteller von Hygienepapier und Verpackungsmaterialien. In allen arbeite man mehr oder weniger „am Limit“.

Mit Blick auf die Pharmabranche forderte er erneut einen europäischen Pharma-Pakt. Dies sei ein extrem wichtiger Bereich, in dem man habe zeigen können, dass ein innovatives Deutschland existiert und dass es sinnvoll ist, dass es existiert. „Was es nicht gibt, sind ausreichende Produktionskapazitäten, was nicht überraschend ist.“ Es gelte, für einige strategische Bereiche so etwas wie eine regionale Produktion wieder ins Spiel bringen. Und dies müsse nicht auf deutschen Ebene, sondern müsse europäisch angegangen werden.

Transformationsfonds

Green Deal, Kohleausstieg, die Transformation der Automobilindustrie – diese Bewegungen aber, so Vassiliadis, gingen derzeit unabhängig von der Corona-Krise weiter: „Diejenigen, die es treiben, machen weiter, und diejenigen, die es umsetzen müssen, auch.“

Damit die deutsche Industrie beim klimagerechten Umbau und der Dekarbonisierung schnell und nachhaltig agieren könne, brauche es einen kreditfinanzierten Transformationsfonds mit einem Gesamtvolumen von zunächst 120 Mio. €, so der IG-BCE-Chef. „Man braucht für klimagerechte Investitionen Geld. Dieses muss zielgerichtet sein – und deswegen wollen wir einen Transformationsfonds für den klimagerechten Umbau der Industrie.“ Das Geld dafür solle, so Vassiliadis, wenn irgend möglich, vorrangig aus privaten Quellen kommen.

Hintergrund ist, dass die Gewerkschaft beständig vor Augen hat, was passiert, wenn die heimische Industrie, wie im Chemie- und Pharmabereich in Deutschland, keine global wettbewerbsfähigen Bedingungen vorfindet. Um diese Branchen zu dekarbonisieren, braucht es viel Ökostrom, und den zu wettbewerbsfähigen Preisen. „Wenn wir den Strom nicht kriegen und wenn er nicht zu den Preisen erzeugt wird, dann wird man die ökologische Sensitivität, die da ist, mitnehmen – und modernste Anlagen einfach neu in Asien bauen“, prophezeit Vassiliadis.

Vassiliadis spricht sich für Nord Stream 2 aus

In der jüngsten Debatte um die Fertigstellung der derzeit im Bau befindlichen Erdgaspipeline Nord Stream 2 wirbt der Gewerkschaftschef für die Erdgasversorgung aus Russland. Am Freitag hatte das Hamburger Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) der Nord Stream 2 AG die Genehmigung erteilt, die Rohrleitungen zur Fertigstellung der Nord-Stream-2-Pipeline in der deutschen ausschließlichen Wirtschaftszone auf einer Länge von ca. 16,5 km sowie ca. 13,9 km auch im Zeitraum von Ende September bis Ende Mai zu verlegen. Diese hatte Proteste ausgelöst.

„Wir brauchen nicht diese Pipeline, wir brauchen das Gas. Aber wir brauchen das Gas auch zu einem Preis, der da hinterlegt ist“, sagte er. Denn ohne Gas werde sich die geplante Transformation von Industrie und Mobilität hin zu einer Klimaneutralität im Jahr 2050 nicht vollziehen lassen, machte er deutlich. „Wir brauchen Gas!“, betonte er mehrfach. Es gebe auch andere Quellen, sagte er mit Blick auf US-amerikanisches Schiefergas (Shale Gas) oder Gas aus Norwegen. „Aber nicht so verlässlich und nicht so kontinuierlich und nicht in dem Umfang, wie wir das seit vielen Jahrzehnten mit Russland betreiben.“

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