Automation 10. Jun 2021 Tobias Meyer Lesezeit: ca. 4 Minuten

Messen mit dem Sensor ersetzt den Fußtritt

Gestrickte Leckagemelder, Bauteilidentifikation anhand von Oberflächenstruktur und Füllstandsensoren, die einen Fußtritt ersetzen – innovative Ansätze sorgen für frischen Wind in der Sensorik.

Für die Tonne: Die Sensorbox am Container erkennt anhand der Vibration den Füllstand. So werden unnötige Fahrten zu halbleeren Recyclingcontainern vermieden.
Foto: Zolitron

Wenn ein Schreiner mit der Hand über ein Stück Holz streicht, kann er durch Tasten, Sehen und Riechen sehr schnell feststellen, um welche Baumart es sich handelt, allein aufgrund seiner Erfahrung“, erklärt Arndt-Hendrik Zinn, Geschäftsführer von Zolitron. Das gleiche gelte für Sensoren, die quasi Sinnesorgane der Technikwelt seien. Zinn verschafft ihnen durch Algorithmen die nötige Erfahrung. Seine Firma – eine Ausgründung der Ruhr-Universität Bochum – hat einen Füllstandssensor für Recyclingcontainer entwickelt, der Vibrationen analysiert: Wird eine Flasche eingeworfen, erkennt das System damit, wie voll der Container ist.

Vom Menschen abgeschaut

„Die Lkw-Fahrer der Entsorgungsbetriebe machen es nicht anders: Sie treten einmal gegen den Container und wissen allein durch ihr Gefühl im Fuß, wie voll der Container ist und ob er geleert werden muss“, weiß Zinn. Bisher wurden Container auf Verdacht angefahren und waren im Schnitt nur zu 55 % gefüllt. Durch den Sensor kann die Effizienz in der Logistik nun verbessert werden. Eine Solarzelle versorgt das System namens Z-Node dazu mit Strom. In Kombination mit einer Batterie habe man den Wirkungsgrad von anfangs 30 % auf knapp 90 % verbessern können. Damit sei der Sensor nun über zehn Jahre wartungsfrei an einem Container einsetzbar.

Die Auswertung erfolgt in einer eigenen Cloud, die Datenübertragung dorthin erfolgt über den Funkstandard Narrowband-IoT. Dieser wurde erst vor wenigen Jahren speziell für das Internet der Dinge entwickelt, er ist preiswert und stromsparend. Hierzulande baut etwa die Telekom ein entsprechendes Netz auf. Die Entsorgungsbetriebe der Stadt Bochum sind mit im Boot – an fast allen 856 Glascontainern klebt bereits eine Z-Node. Die Container des Kreises Minden-Lübbecke gingen kürzlich ebenfalls online. „Ein Vorteil ist dabei, dass wir nicht in den Container müssen, die Installation dauert weniger als eine Minute“, versichert Zinn. Bei Tausenden Containern sei das erstmals eine praktikable Lösung.

Finanziert wird das Modell via Abo, ein Sensor kostet 5,95 € pro Monat und spart laut Zinn im Vergleich zu unnötigen Fahrten sehr viel Geld und verbessert die CO2-Bilanz. Denn nun werden die Container erst bei 90 % Füllstand geleert. Zolitron möchte noch weiter gehen und experimentiert aktuell z. B. mit Ölfässern. Dabei reichen auch andere Vibrationen in der Umgebung, die nichts mit dem Tank zu tun haben, etwa ein vorbeifahrendes Fahrzeug oder das Öffnen des Entnahmeventils als Messimpuls für den Sensor.

Verstrickt in Metall

Genau das Gegenteil eines Start-ups ist die Firma Knitronix aus Italien, die unternehmerische Geschichte begann im Jahr 1951. Bis um die Jahrtausendwende wurden dort Textilmaschinen produziert. Dann kam der Boom asiatischer Hersteller. Daher wurde entschieden, von Maschinen auf die Strickware selbst umzustellen und dabei Produkte zu fertigen, die nicht so schnell von asiatischen Wettbewerbern hergestellt werden können: Metallgewebe, das vor allem als Abschirmung gegen elektromagnetische Interferenzen (EMI) eingesetzt wird.

Riccardo Marchesi stieg nach seinem Master als Elektroingenieur direkt in die Firma Scomar seiner Familie ein. Nach der Umstellung auf die leitfähigen Gewebe namens Texe fragte er sich, ob diese nicht auch anders eingesetzt werden könnten: „Vor etwa zehn Jahren hörte ich immer mehr von Smart Fabrics (schlauen Stoffen, Anm. d. Red.), was mich auf die Idee mit Sensoren aus gestricktem Metall brachte.“ Die ersten Versuche zusammen mit seinem Bruder Lorenzo waren vielversprechend, 2016 ging man mit dem neuen Geschäftsbereich Knitronix auf den Markt.

Gewebe erkennt Druck: Die Firma Knitronix webt leitfähige Drähte in Stoffe ein und verleiht ihnen damit Sensoreigenschaften. Foto: Knitronix

Zwei Sensortypen sind bereits fertig entwickelt, für Druck und Temperatur. Nun folgt ein Lackagesensor für das Erkennen von Flüssigkeit. Der Einsatz ist sehr stark in der Industrie verortet, weniger bei sogenannten Wearables: „Die etwas dicken Gewebe sind geeignet für die Schutzanzüge von Feuerwehrmännern, nicht aber für dünne Sport- oder Freizeitkleidung“, sagt Marchesi. Das Grundprinzip der gestrickten Sensoren basiert auf elektrischem Widerstand. Der Lecksensor könne z. B. beliebig feinfühlig ausgelegt werden und so neben dem generellen Vorhandensein von Flüssigkeiten auch den Austrittsort etwa an einer Rohrleitung oder einem Dach angeben. Damit dazu nicht mehr Kabel als nötig aus dem Gewebe führen, wird im Vorfeld genau bestimmt, wie exakt der Sensor detektieren muss.

„Durch unsere Erfahrung mit Textilmaschinen konnten wir die Fertigung immer weiter optimieren. Aktuell löten wir elektronische Komponenten beispielsweise schon direkt in der Strickmaschine mit ein“, erklärt Marchesi. Dabei kann der Temperatursensor auch mit jeweils einem anderen Typ kombiniert werden. Druck, Temperatur und Leckage zusammen zu erfassen, das funktioniere jedoch noch nicht. Auch Temperaturen über 300 °C halte z. B. das Material des Drucksensors nicht aus. Künftig wolle man durch neue Stricktechnik und passendes Material aber möglichst alle Kombinationen realisieren.

Tracking bis zur letzten Schraube

Am Fraunhofer-Institut für Physikalische Messtechnik IPM hat man bereits vor über zehn Jahren damit begonnen, Mikrostrukturen von Oberflächen als eine Art Fingerabdruck der Gegenstände zu erforschen. Damals ging es um die Fälschungssicherheit von Medizinprodukten. Dabei stellte man fest, dass Industrieprodukte ebenfalls ein Markt sind. „In einer heute sehr verzweigten Produktion mit diversen Batchprozessen ist es schwer nachvollziehbar, aus welcher Charge welches Halbzeug in das finale Produkt gewandert ist“, erklärt Tobias Schmid-Schirling, Gruppenleiter Inline Vision Systeme am Fraunhofer IPM. Die meisten Kleinteile – etwa die Welle eine Lüfters – würden nicht mit Matrixcodes versehen, das passiert erst beim Endprodukt.

Wie ein individueller Fingerabdruck sind die Oberflächen, die bei der Herstellung unterschiedlicher Produkte entstehen. Ein Sensor stellt die Rückverfolgbarkeit sicher. Foto: Fraunhofer IPM

„Wir wollen also nicht den QR-Code oder andere Verfahren ersetzen, sondern ein neues etablieren, das so schnell und günstig ist, dass damit auch sehr viele kleine Einzelteile während der Produktion sekundenschnell inline getrackt werden können“, sagt Schmid-Schirling. Das kamerabasierte Verfahren funktioniere auf Kunststoff, Aluminium, Eisenguss aber auch lackierten Oberflächen sowie bei Losgrößen von mehreren 100 000 Stück. Ein Pilotprojekt wurde bereits beim Automobilzulieferer Brose etabliert, der das Fraunhofer IPM unterstützte.

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