Kreislaufwirtschaft 10. Sep 2024 Von Stefan Asche Lesezeit: ca. 3 Minuten

„Ebay“ für gebrauchte Maschinen und Produktionslinien

Sozusagen als Ebay für Maschinen will das EU-Projekt „Alicia“ eine Kreislaufwirtschaft für Fließbänder, Flurfördergeräte, Roboter und Werkzeugmaschinen schaffen, um deren frühzeitige Verschrottung zu verhindern.

Einzelne Maschinen oder ganze Produktionslinien werden oft eingemottet, obwohl sie noch einwandfrei funktionieren. Der Marktplatz "Alicia" will dieses wenig nachhaltige Vorgehen beenden - mithilfe von KI.
Foto: panthermedia.net/ microgen

Der Großteil der Maschinenteile in der Produktion – wie Roboterarme oder Förderbänder – erreichen nicht ihre maximale Lebensdauer und werden vorzeitig aussortiert. Schätzungen zufolge werden in der Automobilindustrie bis zu 70 % der Produktionsbetriebsmittel vorzeitig außer Betrieb genommen, verschrottet oder bestenfalls als Ersatzteile verkauft. Das ist nicht nur unwirtschaftlich, sondern auch nicht nachhaltig.

Gäbe es eine Kreislaufwirtschaft für Produktionsmittel, ein sogenanntes Circular Manufacturing Ecosystem (CME), könnten Geld und Ressourcen gespart werden. Bisher gibt es jedoch keine effiziente Verbindung einerseits zwischen den Industriebetrieben untereinander und anderseits dieser Betriebe zum Gebrauchtmaschinenmarkt.

Das wird nun im EU-Projekt „Alicia“ geändert. „Alicia“ steht für „assembly lines in circulation“, also Montagelinien im Umlauf. Zwölf Partner aus Forschung und Industrie entwickeln innerhalb von drei Jahren verschiedene smarte, digitale Tools für eine nachhaltige Nutzung von Produktionsressourcen. Koordiniert wird das Projekt von der Technischen Universität München (TUM).

Alicia statt Ebay: Wiederverwendung von Maschinen und Ersatzteilen

Die Vision: In fünf bis zehn Jahren werden ganze Produktionslinien, einzelne Maschinen oder Ersatzteile, so lange unter den einzelnen Fabriken in Europa gehandelt und wiederverwendet, bis ihre Lebensdauer maximal ausgeschöpft wird. Ziel der „Alicia“-Onlineplattform ist es, Käufer von Produktionsmitteln mit Anbietern zusammenzubringen. Darüber hinaus werden Dienstleister integriert, z. B. KMU, die Wiederaufbereitungsdienste offerieren, oder Recyclingunternehmen, die ihre Dienste Fabrikbesitzern anbieten können. Die Plattform wird durch eine Reihe innovativer digitaler Werkzeuge unterstützt. Sie sollen den Prozess der Identifizierung und Auswahl geeigneter gebrauchter Montageanlagen für neue Produktionslinien vereinfachen und die Integration dieser gebrauchten Anlagen in moderne Montagesysteme ermöglichen.

Fallbeispiel: Ein Fabrikbesitzer oder Betriebsleiter braucht eine neue Produktionsanlage. Mithilfe einer maschinenlesbaren Ontologie werden seine Anforderungen an eine Secondhand-Anlage digital abgebildet. Dabei werden neben produktionstechnischen Faktoren auch soziale, wirtschaftliche und Umweltaspekte beachtet. Denn wenn die Mitarbeitenden mit der angeschafften Maschine nicht arbeiten können oder deren verbleibende Lebensdauer nicht wirtschaftlich ist, ist ein Secondhand-Kauf nicht sinnvoll. Durch einen auf den Menschen ausgerichteten Ansatz soll das Projekt die Umschulung und Fortbildung von Arbeitnehmern ermöglichen.

Eine KI bringt Angebot und Nachfrage zusammen

Eine „AI Matchmaking Engine“ vergleicht die Anforderungen des Nutzers dann mit dem Angebot auf dem Marketplace. Mit einbezogen in die Betrachtung werden auch Neumaschinen, um etwaige Lücken im Design der Montagelinie zu schließen, die nicht durch Secondhand-Maschinen abgedeckt werden können. Die KI wählt abschließend die beste Kombination von Ressourcen für die gewünschte Montagelinie aus.

Lesetipp: So werden digitale Zwillinge in der Industrie eingesetzt

Um den Fabrikbesitzer zu überzeugen, wird ein Digital Shadow (DS) der für ihn gematchten Produktionsanlage erstellt. Der DS ist ein Modell einer zukünftigen Secondhand-Linie. „Alicia“ soll die Grenzen des Stands der Technik erweitern, indem es einen „halb automatischen“ DS entwickelt, der Daten über verfügbare Produktionsressourcen, die automatisch vom Marketplace eingespeist werden, mit manuell eingegebenen CAD-Modelldaten kombiniert. Dieses digitale Abbild der potenziellen Secondhand-Linie simuliert die Produktionsleistung, indem es die Daten der einzelnen Maschinen miteinander kombiniert. Sobald die reale Secondhand-Linie gebaut wurde, wird der Digital Shadow zu einem Digital Twin (DT) weiterentwickelt. Der DT wird in Echtzeit mit Produktionsdaten von den Maschinensensoren und anderen Quellen gespeist. Der DT ist also das virtuelle Abbild eines realen Systems, z. B. der Produktionslinie.

Plug & Produce Middleware sorgt für maximale Interoperabilität

Für den reibungslosen Aufbau und die unverzügliche Inbetriebnahme der Secondhand-Linie wird eine Plug & Produce Middleware eingesetzt. Plug-and-Produce-Konzepte beruhen auf der Idee, dass jedes Gerät mit einer Verwaltungsschale (administration shell) ausgestattet ist. Diese enthält alle Maschinendaten wie deren Eigenschaften, Parameter und Schnittstellen. In der Industrie 4.0 müssen alle Produktionskomponenten störungsfrei miteinander kommunizieren können. Dafür bildet die automatisiert lesbare Dokumentation auf der Verwaltungsschale die Grundlage. Da der Fertigungsbetrieb nun aus einer Mischung aus neuen und gebrauchten Maschinen verschiedener Hersteller besteht, wird durch die Plug & Produce Middleware maximale Interoperabilität geschaffen.

Lesetipp: Wie kann KI wertschöpfend in der Produktion eingesetzt werden?

Zum Schutz der Nutzerdaten wird „Alicia“ sowohl Cloud-basierte als auch On-premise-Lösungen für den Betrieb vor Ort anbieten, die den Anwendern die vollständige Kontrolle über die Nutzung ihrer Daten ermöglichen.

Die Kosten für Maschinen lassen sich halbieren

Produktionsverantwortliche können auf dem Marktplatz ihre Bedarfe angeblich bis zu 40 % schneller und mindestens um die Hälfte günstiger befriedigen. Durch die maximale Ausnutzung der Maschinenlebensdauer könne der Material- und Energieverbrauch um bis zu 80 % im Vergleich zur Neumaschine reduziert werden.

„Alicia“ wird von der Europäischen Union mit knapp 5,86 Mio. € unter der Projektnummer 101091577 im Rahmen des Horizon-Programms gefördert. Das Projekt endet im Dezember 2025.

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