Igus-Chef Blase hat ein klares Ziel: Alles aus Kunststoff
Fahrräder aus Kunststoff galten lange als instabil. Jetzt gibt es neue Ansätze. Igus-Chef Frank Blase denkt sogar daran, Metallteile komplett zu ersetzen. Wir haben das hinterfragt.

Fahrräder aus Kunststoff: Bei dem igus.bike, das auf der Hannover Messe 2022 erstmals öffentlich präsentiert wurde, werden Metallbauteile weitgehend durch Komponenten aus Kunststoff ersetzt. Zu sehen sind hier zwei Rahmenvarianten. Die vordere besteht aus recyceltem Plastik.
Foto: M. Ciupek
VDI nachrichten: Fokus Ihrer Entwicklung war Rostfreiheit durch Verzicht auf Metallbauteile. Aber wie beständig ist der Kunststoff, wenn er beispielsweise am Strand viel in der Sonne steht?
Blase: Die Igus motion plastics bewähren sich bereits seit Jahrzehnten bei Anwendungen im Sonnenlicht. Dazu betreibt Igus im 3 800 m2 großen Testlabor in Köln UV-Prüfstände, darunter UV-Kammern im Innenbereich und Outdoor-Testanlagen für Versuche unter Realbedingungen. Die Kunststoffe der Rahmen und Räder findet man übrigens auch im Wassersport und Bootsbau. Hier gilt es noch, die Farbveränderungen über die Jahre zu prüfen.
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Bisher werden für Fahrradrahmen weitgehend Faserverbundkunststoffe eingesetzt. Ist das auch bei Ihrem Modell der Fall?
Die Rahmen, Räder und Gabel des Partners mtrl.bike aus den Niederlanden sind „überdimensioniert“, damit sie gerade auch mit nicht verstärkten Kunststoffen sicher funktionieren. Damit steigt die Möglichkeit der Verwendung von Plastikmüll aus Haushalten enorm. Über 400 Fahrräder mit dem Vorgängermodell der Rahmen und Räder sind bereits seit Jahren auf den Straßen der Niederlande unterwegs. Ich selbst fahre auch eines und bin damit bisher etwa 1000 km gut vorangekommen.
Können für die Recyclingvariante auch Kunststoffe mit Faseranteil verwendet werden?
Das ist auf unserem Entwicklungsfahrplan. Ein erster Versuch mit Staub aus unserer Recyclinganlage, in der wir faserverstärkte Thermoplaste regranulieren, verlief gut.
Die Rahmen sind das eine. Ihr Unternehmen entwickelt aber auch für viele typische Metallteile Alternativen aus Kunststoff. Wo sind Kunststoffe für Sie bereits eine echte Alternative und wo werden auf absehbare Zeit eher Metallbauteile eingesetzt?
Unser Ziel ist klar: alles aus Kunststoff. Damit wären alle Fragen zu „Rost“ und auch „Schmierfreiheit“ geklärt. So gingen wir in den letzten Jahrzehnten an jedes Projekt heran. Es mag sein, dass wir Zwischenschritte mit Kompromissen einlegen werden.
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Das Konzept ist auf Wartungsfreiheit ausgelegt. Aber was ist, wenn der Reifen platt ist oder das Fahrrad unglücklich auf eine Kante fällt?
Auf den geraden niederländischen Straßen bewährten sich die Räder bisher sehr gut, auch bei Stürzen und Kontakt mit Kanten. Das gilt es intensiv weiterzuentwickeln und weiter zu testen. Bei Igus errichten wir dafür kontinuierlich neue Prüfstände. Reparaturkits und Serviceangebote sind bei mtrl.bike in Arbeit. Den Schlauch wechseln, das geht natürlich heute schon. Zusätzlich planen wir auch eine Variante mit luftlosen Reifen.