FFP2- und FFP3-Schutz 02. Dez 2022 von Martin Ciupek Lesezeit: ca. 3 Minuten

Masken: Digitale Zwillinge reduzieren Energie- und Materialbedarf in der Produktion

Dank eines neuen Verfahrens soll die Produktion von Vliesstoffen weniger Material und weniger Energie benötigen. Forschende vom Fraunhofer ITWM steuern dazu wichtige Parameter per mathematischer Modellierung mit einem digitalen Zwilling. Davon profitiert nicht nur die Maskenproduktion.

Hohe Qualitätsanforderungen: Mindestens 94 % der Aerosole, Partikel oder Viren müssen beispielsweise Vliesstoffe für FFP-2-Masken nach DIN filtern.
Foto: Freudenberg Performance Materials

Zwar gibt es aktuell keine Engpässe mehr bei der Versorgung mit FFP2-Schutzmasken gegen Corona, dennoch lohnt es sich für Forschende, deren Produktion näher zu betrachten. Denn die Herstellung ist noch immer material- und energieintensiv. Gleichzeitig gilt es die hohen Schutzanforderungen durch gleichbleibende Qualität zu gewährleisten. So muss der Vliesstoff bei der FFP-2-Maske nach DIN mindestens 94 %, bei der FFP-3-Variante sogar 99 % der Aerosole herausfiltern.

Das Fraunhofer-Institut für Techno- und Wirtschaftsmathematik ITWM in Kaiserslautern hat dafür im Projekt ProQuIV nun eine Lösung gefunden, die gleichzeitig eine höhere Flexibilität in der Produktion verspricht. Das Kürzel ProQuIV steht für „Produktions- und Qualitätsoptimierung von Infektionsschutzkleidung aus Vliesstoffen“. Dazu werden Prozessparameter der Herstellung zunächst bezüglich ihrer Auswirkungen auf die Gleichmäßigkeit des Vliesstoffs charakterisiert. Diese werden dann mit Eigenschaften des Endprodukts, beispielsweise einer Schutzmaske, verknüpft. Die Modellkette umfasst schließlich alle relevanten Parameter und bildet mit einer Bildanalyse einen digitalen Zwilling der Produktion. Darüber lässt sich die Vliesstoffherstellung in Echtzeit überwachen, automatisch steuern und somit das Optimierungspotenzial nutzen.

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Ralf Kirsch aus der Abteilung Strömungs- und Materialsimulation und Teamleiter Filtration und Separation am Fraunhofer ITWM zum Ergebnis: „Mit ProQuIV benötigen die Hersteller insgesamt weniger Material und sparen Energie. Dabei ist die Qualität des Endprodukts jederzeit gewährleistet.“

Wolkigkeit der Schutzmasken ist entscheidend für die Qualität

Die Fasern der Vliesstoffe für Filtrationsanwendungen werden aus Kunststoffen wie Polypropylen erzeugt. Das Material wird aufgeschmolzen und in Fadenform – man spricht auch von Filamenten – ausgebracht. Anschließend werden die dünnen Fasern mit annähernd Schallgeschwindigkeit in Luftströmen verwirbelt und fallen auf ein Ablageband. Die Dicke der Filamente liegt im Mikrometer- oder sogar Sub-Mikrometer-Bereich. Durch Zugabe von Bindestoffen und die Abkühlung entsteht das Vlies. Das Verfahren wird als Meltblown-Prozess bezeichnet.

Die Simulation verdeutlicht den Zusammenhang zwischen der Steuerung des Produktionsprozesses im Meltblown-Verfahren und der Gleichmäßigkeit des Vliesstoffs. Foto: Fraunhofer ITWM

Ziel ist es, das Material möglichst gleichmäßig auszubringen. Dabei gilt es Temperaturen, Luftströmungen und Bandgeschwindigkeit aufeinander abzustimmen. Üblicherweise lassen sich nämlich bei der Qualitätsprüfung unter dem Durchlichtmikroskop hellere und dunklere Stellen ausmachen. Fachleute sprechen von Wolkigkeit. Die hellen Stellen besitzen einen niedrigen Faservolumenanteil, sind also weniger dicht und weisen eine niedrigere Filtrationsrate auf. Dunklere Stellen haben ein höheres Faservolumen und somit eine höhere Filtrationsrate. Allerdings steigt mit der Dichte auch der Luftwiderstand an einzelnen Stellen, wodurch die fertigen Masken wiederum einen geringeren Anteil der Atemluft filtern. Denn der größere Anteil strömt dann durch die offeneren Bereiche, die eine geringere Filterwirkung haben. Die vom Fraunhofer-Team entwickelte Methode misst den Wolkigkeits-Index anhand der Bilddaten aus der Produktion.

Die Durchlichtaufnahmen aus dem Mikroskop dienen bei ProQuIV für die Kalibrierung der Modelle vor dem Einsatz. Damit können Fachleute den Ist-Zustand der Textilprobe analysieren und daraus Rückschlüsse ziehen, wie die Anlage optimiert werden kann.

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„Ein wesentliches Ziel unseres Forschungsprojekts war, zentrale Parameter wie Filtrationsrate, Strömungswiderstand und Wolkigkeit eines Materials miteinander zu verknüpfen und darauf basierend eine Methode zu generieren, die alle Variablen im Produktionsprozess mathematisch modelliert“, erläutert Kirsch. Ein digitaler Zwilling überwacht und steuert damit die laufende Produktion in Echtzeit. Kleine Abweichungen der Anlage, wie etwa eine zu hohe Temperatur, werden laut dem Fraunhofer ITWM in Sekunden automatisch korrigiert.

Probenentnahme entfällt – Maskenproduktion wird schneller und effizienter

Fraunhofer-Forscher Kirsch hebt wesentliche Vorteile der Methode hervor: „Es ist dann nicht notwendig, die Produktion zu unterbrechen, Materialproben zu nehmen und die Maschinen neu einzustellen.“ Wenn die Modelle kalibriert seien, könne sich der Hersteller darauf verlassen, dass der Vliesstoff, der vom Band läuft, die Spezifikationen und Qualitätsnormen einhalte. Somit werde die Produktion durch ProQuIV deutlich effizienter. Konkret werde Ausschuss beim Material vermieden und der Energieverbrauch sinke ebenfalls. Ein weiterer Vorteil besteht darin, dass Hersteller dank der digitalen Zwillinge schneller neue Produkte auf Vliesbasis entwickeln können. Dazu werden lediglich die Zielvorgaben in der Modellierung geändert und die Parameter angepasst.

Nicht nur Luftfilter: Methode kann auch für andere Vliesanwendungen eingesetzt werden

Das Fraunhofer-Team hat schon weitere Anwendungen im Blick. Es möchte mit der Methode z. B. den Atemwiderstand der Vliesstoffe für den Menschen bei gleicher Schutzwirkung weiter reduzieren. Möglich wird dies durch die elektrische Aufladung der Fasern. Ähnlich wie ein Staubwedel zieht das Textilgewebe dabei durch die elektrische Ladung winzigste Partikel an, die andernfalls durch die Poren schlüpfen könnten. Die Stärke der elektrostatischen Ladung wird hierfür als Parameter in die Modellierung integriert.

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Die Fraunhofer-Forschenden beschränken sich bei der Anwendung der Methode aber keineswegs nur auf Masken und Luftfilter. Ihre Technologie lässt sich ganz allgemein in der Produktion von Vliesstoffen einsetzen, beispielsweise auch bei Stoffen für die Filtration von Flüssigkeiten. Auch die Herstellung von schalldämmenden Vliesstoffen lasse sich demnach mit ProQuIV-Methoden optimieren.

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