Astronomie von Weltrang seit 50 Jahren 12. Mai 2021 Von Stephan W. Eder Lesezeit: ca. 5 Minuten

Das „Weltraumohr“ in der Eifel

Am 12. Mai 1971 weihten Politik und Wissenschaft in der Eifel das Radioteleskop Effelsberg ein. Bis heute ein Forschungsinstrument der internationalen Spitzenklasse.

Radioteleskop Effelsberg. Das zweitgrößte, voll bewegliche Radioteleskop der Welt wurde heute vor 50 Jahren, am 12. Mai 1971, feierlich eingeweiht.
Foto: Peter Steinmüller

Wer es im tiefen Westdeutschland bis ins Tal des Eifelflüsschens Ahr geschafft hat, frönt oft dem Rotwein, nimmt das Gebiet doch für sich in Anspruch, das größte geschlossene Rotweinanbaugebiet in Deutschland zu sein. Wer jenseits der Weinberge an der Höhenburg Kreuzberg weiter gen Westen ins Sahrbachtal vordringt, der gelangt nach gut drei Stunden auf Schusters Rappen nach Kirchsahr. Dort zum Hühnerberg hochgewandert, dann steht auf der anderen Bergseite urplötzlich im Tal eine riesige weiße Schüssel vor einem: das Radioteleskop Effelsberg.

Radioteleskop Effelsberg: Die Schüssel in Weiß im Eifeltal horcht ins All hinaus

Am 12. Mai 1971 waren die Bäume hier noch kleiner und dort unten stand neben dem Teleskop ein riesiges Festzelt. 600 Vertreterinnen und Vertreter aus Politik und Wissenschaft waren zur Einweihung geladen.

Einweihung des Radioteleskops Effelsberg des Max-Planck-Instituts für Radioastronomie (MPIfR). Das Bild zeigt einige der Gäste im Festzelt bei der Eröffnungsfeier auf dem Gelände des Radio-Observatoriums am 12. Mai 1971. In der ersten Reihe von links Reimar Lüst, zu dieser Zeit Vorsitzender des Wissenschaftsrats des Bundesrepublik Deutschland. Rechts neben ihm Otto Hachenberg, Gründungsdirektor des MPIfR. Daneben Richard Langeheine, damals Vorsitzender des Kuratoriums der Stiftung Volkswagenwerk, und damit Vertreter der Geldgeber. Rechts neben ihm der damalige NRW-Wissenschaftsminister Johannes Rau. Rechts davon (neben dem unbesetzten Stuhl) Hans Leussink, der damalige Bundesminister für Bildung und Wissenschaft. Drei Plätze rechts von Herrn Leussink wiederum Richard Wielebinski, ebenfalls Mitglied im Direktorenkollegium des MPIfR.Foto: Max-Planck-Institut für Radioastronomie/MPIfR

Von der anderen Talseite, über eine Kreisstraße, ist diese Außenstelle des Max-Planck-Instituts für Radioastronomie (MPIfR) in Bonn mit dem Auto zu erreichen. Es muss damals eine Menge Verkehr die enge Straße entlang gewesen sein.

Effelsberg: ein eigenes Max-Planck-Institut für ein Messinstrument

Das Tal bei Effelsberg war offiziell einer von 30 möglichen Standorten. Aber das MPIfR in Bonn war ja im September 1966 auch in erster Linie für den Betrieb des Radioteleskops gegründet worden. Es war sogar seinerzeit ein Standort im Gespräch, der nur ein paar Steinwürfe entfernt vom heutigen Institutssitz in Bonn entfernt gelegen war, wie sich vor fünf Jahren Rolf Schwartz, langjähriger Leiter der wissenschaftlichen und allgemeinen Verwaltung des MPIfR, im Gespräch mit VDI nachrichten erinnerte: „Das hätte man von hier aus noch sehen können.“ Heute läge das mitten in der Bundesstadt.

2016 wurde das Institut 50 Jahre alt. Der Bund finanzierte seinerzeit das neue Institut, die Finanzierung für das Bauprojekt Effelsberg, das fünf Jahre später fertig wurde, sicherte hingegen die Stiftung Volkswagenwerk ab. Eine allgemeinnützige Investition mit großer Weitsicht, kann man rückblickend sagen.

Krupp, MAN, Volkswagen – die deutsche Großindustrie baute und finanzierte das Teleskop:

Vor allem in Form von Bildern berichteten die VDI nachrichten vom Baufortschritt des Radioteleskops Effelsberg, so auch

Solobild des Radioteleskops Effelsberg in den VDI Nachrichten vom 12. Mai 1971, dem Tag, an dem im Eifelörtchen Effelsberg das Radioteleskop eingeweiht wurde. Foto: VDI nachrichten

in der Ausgabe vom 12. Mai 1971, jenem Tag, an dem es eingeweiht wurde. Quasi ein Vorab. Es gibt nämlich ein Pressefoto in jener Ausgabe vom 12. Mai 1971 – nein, nicht von der Max-Planck-Gesellschaft, deren Bonner Institut für Radioastronomie das Teleskop betreiben sollte, sondern von Krupp. Der Stahlkonzern baute zusammen mit MAN das damals größte bewegliche Radioteleskop weltweit.

„Zwölf Milliarden Lichtjahre kann das ‚Elektronenohr‘ überbrücken und zum Beispiel die Strahlung, die vom Mondlandeplatz eines Raumschiffs kommt, bestimmen“, wusste die Redaktion damals unter der Rubrik „Datenverarbeitung/Physik“ zu schreiben. Aufgabe werde „die Erforschung der Metrik des Weltraums sein“.

Bildnachrichten zum Bau des Radioteleskops Effelsberg in den VDI nachrichten vom 24. Februar 1971 auf der Bildseite 3. Foto: VDI nachrichten

Schon am 24. Februar 1971 gab es auf der Seite „Technik im Bild“ ein dpa-Foto: „Das ‚Weltraum­ohr‘ in der Eifel … bestand seinen ersten Kipptest“, wurde berichtet. Die technologische Leistung galt als enorm, diese Riesenschüssel um 90° kippen und mehr als 360° um die eigene Vertikale drehen zu können.

Geburtstagskind mit Hang zur Ruhe

Bei aller Feierlichkeit: Dem Geburtstagskind ist es ohnehin am liebsten, wenn es ruhig ist. Strahlungstechnisch ruhig; erschütterungstechnisch ruhig. Wer in den hintersten Winkel des Universums „lauschen“ will – und dafür sind Radioteleskope gedacht –, kann Störquellen nicht gebrauchen. Dagegen kämpfen die Fachleute hier seit Anbeginn, je mehr die Gesellschaft neue Frequenzbereiche intensiv nutzen will.

Als vor 15 Jahren die IT- und Elektronikwelt an einem neuen Funkstandard für ihre Gerätschaften, der Breitbank-Funktechnik UWB, bastelte, schrieb unser Autor Edgar Lange schon damals: „Bei allen Aktivitäten rund um die neue Breitband-Funktechnik gibt es auch hier zu Lande Bedenkenträger: Zu denen zählen die Astronomen des Radio-Teleskops in Effelsberg. Sie befürchten, dass ihr hoch empfindliches Teleskop erblinden könnte, wenn immer mehr UWB-Sender im nahen Umfeld funken.“ Eine Kritik, die bis heute die Umsetzung und Anwendung dieser Funktechnik begleitet. Und die Befürchtungen sind weiterhin gerechtfertigt, wie MPIfR-Direktor Michael Kramer vor fünf Jahren in einem immer noch aktuellen Interview mit VDI nachrichten betonte.

Wer Effelsberg besuchen will, sollte bitte im Umkreis von 800 m alle Smart Phones, Handys, Tablets etc. in den Flugmodus schalten. Die Sternegucker sehen sonst nichts. Also im übertragenen Sinne. Aber selbst die eigenen Computer, die die Daten vor Ort verarbeiten, würden die Messung stören. Also sitzen alle Rechner vor Ort, aber gut geschirmt im sogenannten Faraday-Raum.

Von Beginn an musste man das Teleskop vor sich selbst schützen

100 m Apertur, eine Oberfläche von 7850 m2, 2360 Oberflächenpaneele, dabei ein Gewicht des kippbaren Teils von fast 2000 t. Bei Wellenlängen von 92 cm bis auf 3,5 mm will man beobachten können. An jedem einzelnen der Paneele, die einen Parabolspiegel bilden, zerrt die Schwerkraft – bei jeder Bewegung. Allein das stört die Idealform und damit die Bildqualität. Der Oberflächenfehler eines Paneels darf 0,5 mm nicht überschreiten, es muss auf 0,2 mm justierbar sein.

Das Radioteleskop Effelsberg des Max-Planck-Instituts für Radioastronomie (MPIfR), Bonn, zum Zeitpunkt der Einweihung im Mai 1971. Foto: Max-Planck-Institut für Radioastronomie/MPIfR

Die Gründerväter des Teleskops hatten daher die Konstruktion so berechnet, dass die eintretenden Verformungen des Spiegels immer wieder Paraboleigenschaften ergeben. Daher muss in Effelsberg jeweils nur der Empfänger in den neuen Brennpunkt nachgefahren werden.

Wie groß auch die technologische Weitsicht und Flexibilität gewesen ist, zeigt sich daran, dass bisher nur das 2000 eingeweihte Robert-C.-Byrd-Green-Bank-Teleskop (GBT) im US-Astronomie-Forschungsstützpunkt Green Bank Oberservatory (Virginia) mit 100 m x 110 m als voll bewegliches Radioteleskop eine größere Apertur hat. Beide Teleskopriesen bilden bis heute das Rückgrat der radioastronomischen Forschung. Immer noch.

Effelsberg: Spitzenleistung über 50 Jahre hinweg

Effelsberg war maßgeblich in den letzten fünf Jahrzehnten an einer ganzen Reihe von Entdeckungen beteiligt. So fand man mithilfe der Anlage 1977 erstmals Wassermoleküle außerhalb unserer eigenen Galaxie, der Milchstraße. Zwei Jahre später gelang der Nachweis von Ammoniaklinien. Weniger aufsehenerregend mag aus Sicht der Allgemeinheit dann die Jahrzehnte währende Kleinarbeit sein, die zur grundlegenden radioastronomischen Durchmusterung des Himmels beiträgt. So aber gelang es den Effelsbergern, auch eine Karte unserer Galaxie zu erstellen. Und auch bei der jüngsten Nasa-Mission zum Mars war der Horchposten in der Eifel eingebunden.

„Sogar nach 50 Jahren trumpft das Teleskop noch auf“, freute sich im Januar dementsprechend Alexander Kraus, Abteilungsleiter im Radioteleskop Effelsberg, im Haus-Newsletter. Dabei geht die Arbeit nicht aus. Die Antriebseinheiten der Hauptachsen und deren Kontrollsysteme müssen renoviert werden. „Das wird uns zwei bis drei Jahre beschäftigen“, schreibt Kraus.

Die Jubiläumsveranstaltung haben sie absagen müssen. Stattdessen wurde der vierte astronomische Themen-Wanderweg, der Zeitreiseweg, in der Umgebung eingeweiht. Vielleicht könnte im Herbst eine Jubiläumsfeier stattfinden. Vielleicht. Die große weiße Schüssel aber, so viel ist sicher, wird weiterhin ihren gewaltigen Schirm schwenken und so das All erkunden.

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