Luftfahrtgeschichte 17. Mrz 2023 Von Wolfgang Heumer Lesezeit: ca. 5 Minuten

Wie der Jagdbomber F-4 F Phantom der Luftwaffe den bundesdeutschen Luftraum schützte

1973 stellte die Luftwaffe ihre erste McDonnell Douglas F-4 F Phantom in Dienst. Als Lückenfüller für den Tornado angeschafft, übertraf sie die Erwartungen.

Im Kalten Krieg bildeten die Jagdbomber und Jagdflugzeuge vom Typ Phantom das Rückgrat der Lutfwaffe. Das Foto zeigt den damaligen Verteidigungsminister Georg Leber vor einer Phantom des Jagdgeschwaders 71 Richthofen bei seinem Abschiedsbesuch im Jahr 1978.
Foto: dpa Picture-Alliance / Werner Schilling

Die Szenerie am 29. Juni 2013 hätte „Top-Gun-Star“ Tom Cruise zur Ehre gereicht. Vor rund 100 000 Zuschauern rollte die in Blaumetallic und Gold lackierte Phantom II F-4 F gemeinsam mit drei weiteren Flugzeugen dieses Typs über die „Flight“ des Fliegerhorstes Wittmundhafen. Während sich die Piloten auf den Start konzentrierten, intonierte die ostfriesische Band „Rockhofener“ im Hintergrund ihr selbst komponiertes Stück „Take off and rock the sky for the last time“. Das war der Moment, in dem für das „Taktische Jagdgeschwader 71 Richthofen“ der deutschen Luftwaffe eine Ära zu Ende ging.

Mit der F-4 F Phantom mit der Kennung 37+01 hatte 1973 die Ära dieses Kampfflugzeugs bei der Luftwaffe begonnen, mit ihr endete sie 40 Jahre später. Beim Abschiedsflug 2013 präsentierte sie sich mit dieser Sonderlackierung. Foto: Bundeswehr

Nach 40 Jahren und 279 000 Flugstunden ging zum offiziell letzten Mal ein „Luftverteidigungsdiesel“ an den Start, wie die zweistrahlige Phantom wegen ihrer dunklen Abgasfahne von Piloten und Bodenmannschaften genannt wurde. Die auffällige Lackierung der fliegenden Hauptdarstellerin hatte einen Grund: Mit derselben Maschine mit der Kennung 37+01 hatte am 18. März 1973 das längste Kapitel in der Flugzeuggeschichte der Luftwaffe begonnen.

Einen Eindruck von der Verabschiedung der letzten Phantom der Luftwaffe gibt dieses Bundeswehrvideo:

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Die ersten Phantoms flogen bereits 1971 als Aufklärer bei der Luftwaffe

Als die Flieger in Ostfriesland ihre erste Phantom-Rotte bekamen, war dieser Flugzeugtyp kein Neuling am Himmel. Die Ursprünge des von dem US-amerikanischen Hersteller McDonnell Douglas entwickelten Kampfflugzeuges reichen bis 1958 zurück. Im Januar 1971 bekam das „Aufklärungsgeschwader 51 Immelmann“ die ersten zehn Maschinen des Typs RF-4E. Anders als die von den USA eingesetzten Flugzeuge trugen diese ersten Phantoms der Luftwaffe keine schwere Bombenlast, sondern Aufklärungsinstrumente. Das entsprach den ersten Aufgaben der schnellen Flieger mit einer Reichweite von bis zu 2800 km: Die „Immelmänner“ aus Bremgarten im Breisgau patrouillierten entlang der deutsch-deutschen Grenze, um in der Zeit des Kalten Krieges möglichst weit in den damaligen Ostblock spähen zu können.

Die McDonnell Douglas F-4 Phantom ist eines der bedeutendsten Flugzeuge des Kalten Krieges. Erfahren Sie mehr über ihre ereignisreiche Geschichte in dieser Bildergalerie:

Die F-4 B Phantom für die U. S. Navy war die erste der sieben Versionen der Phantom, von der ab 1961 knapp 3600 gebaut wurden. Hier begleitet am Anfang der 1970er-Jahre eine F-4 B einen sowjetischen Marineaufklärer vom Typ Tu-95.

Foto: Lt. Morris/public domain

Dieser Prototyp der F-4 stellte 1959 einen Höhenrekord auf, als er rund 30 000 m erreichte. Ursprünglich war die Phantom als reines Jagdflugzeug konzipiert. Erst später wurde ihre Leistungsfähigkeit als Jagdbomber und Aufklärer entdeckt.

Foto: public domain

Die Phantom wurde auch bei den U. S. Marines geflogen, die den Typ im Vietnamkrieg für die Luftnahunterstützung ihrer Marineinfanteristen einsetzte. Hier wird eine F-4 J der Marines von einer A-4 Skyhawk der U. S. Navy im Flug betankt.

Foto: Lt. Morris/public domain

Der damalige Verteidigungsminister Robert McNamara setzte Anfang der 1960er-Jahre darauf, aus Kostengründen einheitliche Flugzeugmuster für U. S. Air Force und U. S. Navy anzuschaffen. Entsprechend stellte die U. S. Air Force mit der F-4 C im Jahr 1963 ebenfalls die Phantom in Dienst. Das Foto zeigt eine F-4 C über Südvietnam. In der Technologiegläubigkeit der 1950er-Jahre stattete man die Phantom nur mit Lenkwaffen aus, nicht mit einer Bordkanone. In den Luftkämpfen des Vietnamkrieges erwiesen sich diese als unzuverlässig.

Foto: US Air Force, public domain

Die Hauptaufgabe der F-4 Phantom im Vietnamkrieg bestand in Bombenangriffen gegen feindliche Bodentruppen in Südvietnam und die Infrastruktur in Nordvietnam. Hier werfen drei Phantoms und drei Bomber des Typs Corsair im Jahr 1973 ab.

Foto: Fred P. Leonard, public domain.

Als die Luftwaffe die Phantoms Anfang der 1970er-Jahre in Dienst stellte, trugen sie eine auf den Tiefflug abgestimmte Tarnung. Zudem war die Jagdbomberversion mit einer Bordkanone ausgestattet – eine der Lektionen aus dem Vietnamkrieg. Diese Maschine des Jagdgeschwaders 71 Richthofen wurde extra für den Abschiedsflug im Jahr 2013 in der ursprünglichen Bemalung lackiert.

Foto: C.J. van de Burgt, CC0 1.0

Auch die israelischen Luftstreitkräfte flogen ab Ende der 1960er-Jahre die Phantom. Hatten Israels Piloten sich jahrelang ihren arabischen Feinden weit überlegen gezeigt, mussten sie unmittelbar nach Einführung der Phantom lernen, dass die Ausstattung Ägyptens mit modernen Flugabwehrraketen ihre Vorteile zunichtemachte. Im Jom-Kippur-Krieg von 1973 wurden viele Phantoms abgeschossen.

Foto: Milner Moshe/Government Press Office

Auch die britischen Streitkräfte schafften die Phantom an, nachdem ein eigenes Flugzeugprojekt gescheitert war. Aus industriepolitischen Gründen wurden die Flugzeuge für Luftstreitkräfte und Marine mit einheimischen Triebwerken, Elektronik und Lenkwaffen ausgestattet, was die Anschaffung erheblich verteuerte. Hier wird eine Phantom der Royal Air Force im Flug betankt.

Foto: Major Dennis A. Guyitt, USAF, public domain

Eine Phantom der Royal Navy startet von einem US-Flugzeugträger. Die beiden Marinen übten immer wieder sogenannte Cross-Deck-Operationen. Der Einbau britischer Triebwerke war notwendig geworden, weil die US-Triebwerke nicht ausgereicht hätten, um die Phantom von den wesentlich kleineren Decks der britischen Träger zu starten.

Foto: public domain

Zur 200-Jahr-Feier der USA im Jahr 1976 versahen die US-Streitkräfte etliche ihrer Maschinen mit farbenfrohen Sonderlackierungen. Diese F-4 J gehörte zum Pacific Missile Test Center in Point Mugu, Kalifornien.

Foto: U.S. Navy Photograph, public domain

Die Türkei gehört zu den letzten Luftstreitkräften, die noch die Phantom einsetzen. Mit israelischer Unterstützung wurde in der Version F-4 E Terminator die Elektronik modernisiert.

Foto: MoD Crown Copyright

Sonderlackierungen an der Phantom gab es in ihrer Geschichte viele. Hier ist eine F-4 F zu sehen, die zum Jubiläum des Jagdgeschwaders 72 Westfalen in Schwarz-Rot-Gold lackiert wurde.

Foto: Bundeswehr/Grenzmeier

Bye-bye Phantom! Zum Abschiedsflug am 29. Juni 2013 versammelten sich in Wittmundhafen rund 100 000 Menschen.

Foto: C.J. van de Burgt, CC0 1.0

Der für die Luftwaffe prägende Typ war jedoch Version F-4 F, von der das Verteidigungsministerium an der Bonner Hardthöhe insgesamt 175 Exemplare zum Stückpreis von 12 Mio. DM bis 15 Mio. DM als Jagdflugzeuge und als Jagdbomber anschaffte. Zu diesen Jagdflugzeugen gehörte auch die Maschine mit der Kennung 37+01.

Die Phantom der Luftwaffe waren sparsamer ausgestattet als die Versionen der U. S. Air Force

Grundsätzlich hatten die für Deutschland produzierten Maschinen weniger Ausrüstung an Bord als etwa die für den Kampfeinsatz ausgestatteten US-Versionen. Vor allem konnten sie keine Luft-Luft-Raketen größerer Reichweite, Luft-Boden-Lenkwaffen oder gar Atomwaffen tragen. Im Vergleich zu den mit einer Spitzengeschwindigkeit von 2390 km/h gleich schnellen Aufklärungsvarianten hatten die Jagdflugzeuge auch weniger Elektronik an Bord.

Paywall

Die Alarmrotten aus Ostfriesland sollten feindliche Flugzeuge schon im Anflug auf den Nato-Luftraum frühzeitig abdrängen. Gegebenenfalls konnten sie dafür lange in der Luft bleiben. Ihr immer wieder erweiterter Zuständigkeitsbereich erstreckte sich zuletzt von Island bis tief ins Baltikum. Alle Phantom-Typen konnten in der Luft betankt werden. Das hatte es der Luftwaffe ermöglicht, die neuen Flugzeuge direkt auf dem Luftweg aus den USA zu holen.

Die Wartung und Technik der Aufklärerversion RF-4E zeigt dieser Film der Bundeswehr aus dem Jahr 1972:

Dass sie bis zu 40 Jahre in Dienst blieben, ahnte beim Ankauf der ersten Exemplare allerdings niemand. Der damalige Inspekteur der Luftwaffe, Günther Rall, hatte bei der Indienststellung der ersten Phantoms nur eine Verweildauer von 15 Jahren angekündigt. Anschließend sollten sie durch die europäischen Mehrzweck-Kampfflugzeuge (Multi-Role Combat Aircraft MRCA) Panavia Tornado und Eurofighter ersetzt werden.

Die Einführung des Hightech-Kampfflugzeugs MRCA Tornado (hier ein Prototyp) verzögerte sich um Jahre. Die Phantom sollte die Fähigkeitslücke füllen. Foto: Panavia Aircraft

Als die Phantom nach Deutschland kam, hatte die Entwicklung des Tornados schon begonnen. Nach dem Ausstieg von Kanada, Frankreich und Belgien blieben von den am Entwicklungsprozess interessierten Ländern aber nur Großbritannien, Italien und Deutschland übrig. 1980 wurde der erste Tornado ausgeliefert. Statt der ursprünglich geplanten 1500 Flugzeuge wurden nur 992 Exemplare hergestellt. Als die Produktion 1998 eingestellt wurde, flog die F-4 F Phantom immer noch.

Um den Phantom-Nachfolger Eurofighter gab es starke politische Querelen in Europa

Noch massiver waren die Querelen um eine ähnliche Kooperation für den Eurofighter. Innerhalb Europas war es schwierig, sich auf ein gemeinsames Anforderungsprofil für ein solches Flugzeug zu verständigen. Zudem beharrte Frankreich auf einen hohen eigenen Anteil an der Wertschöpfung bei Entwicklung und Bau. Alternativ überlegte Kooperationen zwischen einzelnen europäischen Ländern und amerikanischen Flugzeugherstellern scheiterten unter anderem an Kostenaspekten. Deutschland konnte sich nicht mit dem Wunsch nach einem kleineren und kostengünstigeren Flugzeug durchsetzen. Am Ende blieb ein Kompromiss, an dem sich neben den Tornado-Partnern nur noch Spanien beteiligte.

In den ersten Entwicklungsphasen Anfang/Mitte der 1980er-Jahre gab es neue technologische Konzepte wie den Einsatz von Carbonfaser-Verbundstoffen in den Tragflächen. Doch wenig später überholte die politische Realität die technischen Planungen – mit der als Ende des Kalten Krieges gefeierten Entspannungsphase Ende der 1980er-Jahre ging das Interesse der beteiligten Länder am Eurofighter rapide zurück. Erst 1997 konnten sie sich auf einen Vertrag über die Produktion von 392 Flugzeugen einigen. Weitere Verzögerungen entstanden durch technische Probleme, die während der Erprobungsphase mit ersten Prototypen aufgetaucht waren. Am Ende konnte die deutsche Luftwaffe erst 2004 die ersten sieben Eurofighter übernehmen. Die F-4 F Phantom flog derweil unbeirrt schon seit mehr als 30 Jahren.

Auch der Phantom-Nachfolger Eurofighter bereitete Probleme und sorgte dafür, dass die Phantom länger ihren Dienst leistete als geplant. Dieser Eurofighter präsentierte sich 2021 anlässlich einer Übung in Israel mit dieser auffälligen Sonderfolierung. Foto: Bundeswehr

Die letzte F-4 F Phantom soll zum Denkmal vor dem Fliegerhorst des Jagdgeschwaders Richthofen werden

Dass es am Ende tatsächlich genau 40 Jahre waren, die das erste Exemplar im Einsatz sein würde, ahnte selbst da noch niemand. Erst seit 2011 wurde den Piloten am Fliegerhorst Wittmundhafen klar, dass die erste Maschine 37+01 auch das letzte Flugzeug sein würde. Um diesen Kreis vom Anfang bis zum Ende der Phantom-Fliegerei hinzubekommen, wurden die Flug- und Wartungszyklen für das besondere Exemplar gestreckt. Noch steht „37+01“ in einem Hangar auf dem Fliegerhorst in Wittmund. So wie sich Tom Cruise mit dem neuen Top-Gun-Movie ein Denkmal setzte, soll die erste F-4 F Phantom in absehbarer Zeit auf einen Sockel am Eingang zum Jagdgeschwader Richthofen gehoben werden.

In ihrer Dienstzeit hatte die erste F-4 F Phantom der Luftwaffe mit der Kennung 37+01 unauffällige Tarnfarben getragen, wie dieses Foto aus ihren letzten Jahren zeigt. Foto: Bundeswehr

Neben der wehmütigen Erinnerung an den legendären „Luftverteidigungsdiesel“ hat die neue Position einen pragmatischen Hintergrund: In den Hallen des inzwischen mit 28 Eurofightern ausgestatteten Geschwaders wird der Platz Mangelware. Die modernen Maschinen sind zwar etwa 20-mal so teuer wie die Phantom, absolvieren aber auch aus Kostengründen deutlich weniger Flugstunden. Wie lange sie noch im Einsatz bleiben, ist zudem offen. Zunächst wird die Luftwaffe ihre Tornados ersetzen. Anders als geplant geht mit der F-35 wieder eine amerikanische Entwicklung an den Start.

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