Arbeitsmarkt 22. Mrz 2024 Von Wolfgang Schmitz Lesezeit: ca. 4 Minuten

Management: Das Recruiting übersieht häufig die Quereinsteiger

Auf der DRX, dem „Klassentreffen“ der Recruiting-Branche in Düsseldorf, bemängelten Fachleute die einseitige Suche der Unternehmen nach akademischen Überfliegern. Wer sich Mühe mache, finde auch andere Talente.

Die Digital Recruiting Conference & Expo in Düsseldorf ist das Klassentreffen der Recruiting-Branche.
Foto: Alexandra Ilina

Cawa Younosi erinnert sich mit gemischten Gefühlen an den Anfang seiner Karriere. Der spätere Personalchef von SAP wollte eigentlich Philosophie studieren, landete aber gegen seinen ursprünglichen Willen bei Jura. Er zog das Studium erfolgreich durch. Bei seinem ersten Vorstellungsgespräch in einem Konzern fragte der Personalverantwortliche: „Warum ausgerechnet Jura?“ Younosi war nicht nach Heucheln zumute und erzählte die wahre Geschichte. Die Folge: Der Konzern winkte ab. Der Gescheiterte hakte bei dem Personalchef nach. Über die Begründung seiner Ablehnung kann Younosi heute bestenfalls lächeln: „Ich hätte mit so was wie ,Ich komme aus Afghanistan und will Gerechtigkeit …‘ antworten sollen.“ Die Wahrheit passte offenbar nicht ins Schema erwünschter Antworten.

Diversity im Unternehmen: Neurodiversität erkennen und fürs Team nutzen

Bei solch einer Herangehensweise sollten sich Unternehmen nicht wundern, wenn sie eine gefühlte Ewigkeit nach geeigneten Bewerbern und Bewerberinnen suchten, sagte Cawa Younosi auf der „DRX – Digital Recruiting Conference & Expo“ in Düsseldorf, dem nach eigener Aussage größten Event für digitales Recruiting in Deutschland, dem „Klassentreffen der Branche“. Wenn Arbeitgeber die Eier legende Wollmilchsau mit lauter guten Noten, 20 Jahren Berufserfahrung und bescheidenen Gehaltswünschen nicht fänden, liege das weder an den sich Bewerbenden noch an den Recruitern, sondern an den uneinlösbaren Vorstellungen. „Ich sehe den großen Fachkräftemangel in vielen Branchen noch nicht. Was ich hingegen sehe, ist eine große Potenzialverschwendung.“

Das Recruiting übersieht die Talente ohne Hochschulabschluss, meint der Personalexperte

Die Zauberworte seien Diversity, Inklusion und Chancengerechtigkeit. „Nehmen wir die Automotive Industrie. Die sucht in der Regel nach Superstars mit etlichen Jahren Berufserfahrung und schließt Frauen, die in der Branche meist noch nicht lange unterwegs sind, damit quasi aus.“ Der Grad der Geschlechtergerechtigkeit sei in Deutschland auf einem „jämmerlichen“ Niveau, Gender-Care-Gap und Gender-Pay-Gap seien dafür Belege.

Statt sich aber mit den Überfliegern zu schmücken, die ihren Zenit womöglich schon erreicht haben, sollten Arbeitgeber über die „Rising Stars“ nachdenken, die hungrig und entwicklungsfähig sind. Und dazu gehören für den Personalexperten nicht zwangsläufig diejenigen mit den besten Noten, sondern diejenigen, die für die Sache brennen. Und sei es ohne Hochschulabschluss. „Seid mutig!“, wandte sich Younosi an das Fachpublikum. Wer nur auf Zeugnisse achte, grenze Talente aus, von denen viele aus Nicht-Akademikerfamilien kämen und in einem ungerechten Bildungssystem nie die Chance gehabt hätten, ihre Begabungen unter Beweis zu stellen.

Mehrheit der Unternehmen setzt auf Bewerbung wie vor 20 Jahren

Wer sich den unerkannten Talenten widme, müsse ihnen einen Vertrauensvorschuss geben. „Diese Menschen haben es verdient, sie sind meist hoch motiviert.“ Ein Beispiel kommt aus Schweden. „Ein 17-Jähriger hatte sein Studium abgebrochen und sich bei einem Holzunternehmen mit den Worten vorgestellt: ,Ich bin ein begnadeter Holzverkäufer. Ich beweise euch das!‘“ Es handelte sich um Ikea-Gründer Ingvar Kamprad.

Training in enger Kooperation mit den Arbeitgebern, von der Bedarfsermittlung bis zur Implementierung im Unternehmen

Wie Cawa Younosi ist auch Dalia Das überzeugt, dass hierzulande viele Talente übersehen werden. Ein naheliegender Weg, Fachkräfte zu gewinnen, sei der Quereinstieg. Die Gründerin von „Neue Fische – School and Pool for Digital Talent“ regt speziell Technikunternehmen an, nach denen zu angeln, die sich bereits im Personalteich befinden, seien es Absolventinnen, Studienabbrecher, Karrierewechslerinnen oder Beschäftigte im Unternehmen, die nicht mehr in die bislang ausgeübten Jobprofile passen. „Wir haben Führungskräfte gefragt: Was müssen eure Teammitglieder können? Habt ihr Lust, mit uns Trainingsprogramme zu entwickeln, um euch eure neuen Mitarbeitenden zu ,bauen‘?“ Das daraus konzipierte Curriculum übernehmen die für „Neue Fische“ arbeitenden Trainer und Trainerinnen, um die Bewerberinnen und Bewerber innerhalb von drei bis sechs Monaten in „Bootcamps“ auf die neuen Aufgaben vorzubereiten. Entscheidend sei die enge Kooperation mit den Arbeitgebern, von der Bedarfsermittlung bis zur Implementierung im Unternehmen.

In der IT-Landschaft sei die Bereitschaft immer schon hoch gewesen, Quereinsteiger ins Unternehmen zu integrieren, sagt Dalia Das. Wichtiger als der Abschluss sei das „Mindset“, so die Firmenchefin. Ihr Team baue auf Motivation, Erfahrungen und Begeisterung der Bootcamp-Teilnehmenden. „Wir fügen die technischen Skills hinzu.“ Dalia Das ist wichtig: Die Menschen sollten heute so lernen, wie sie morgen arbeiten, also immer nahe am Projekt, meist in kleinen Gruppen. Keine Frage sei „doof“.

Die Erfolgsgeschichten bleiben laut Dalia Das nicht aus. In einem Unternehmen der Automotive Branche hätten 15 Ingenieure kein Projekt mehr gehabt. Sie seien von Kündigung bedroht gewesen. „Unser projektspezifisches Reskilling hat ihnen den Arbeitsplatz gerettet.“ Und dem Unternehmen 15 gut geschulte Ingenieure beschert.

Rund 70 % derjenigen Mitarbeitenden, die ein schlechtes Onboarding erlebt haben, kündigen nach kurzer Zeit

Haben Kandidatinnen und Kandidaten den Bewerbungsprozess erfolgreich hinter sich, geht es ins „Onboarding“, ein Prozess, dessen Bedeutung vielfach unterschätzt werde, so Fritz Lanbin, Wirtschaftsingenieur und Gründer der E-Learning-Plattform Memberspot. Die wenigsten Arbeitgeber würden auf die Idee kommen, die Neuen im Unternehmen mit digitalen Hilfsmitteln einzuarbeiten. „Stattdessen wird ihnen immer noch eine Arbeitsmappe in die Hand gedrückt, mit der sie allein gelassen werden.“ Alternativ müssten sie mit erfahrenen Mitarbeitenden durch den Betrieb laufen. Die Routiniers „wissen aber häufig nicht, auf welchem Kompetenzniveau die Einzuarbeitenden sind und welches Wissen sie noch benötigen“. Zudem hätten die Alteingesessenen in personell eng aufgestellten Unternehmen weder die Zeit noch die Ruhe, sich um die Neuen zu kümmern. Und manchmal nicht den Willen, das über lange Zeit angeeignete Wissen preiszugeben.

So klappt es mit dem Vorstellungsgespräch

Laut einer Studie, so Lanbin, kündigten rund 70 % derjenigen, die ein schlechtes Onboarding erlebt hätten, innerhalb des ersten Jahres im Betrieb.

Videokurse hätten zahlreiche Vorteile. Sie seien mehrfach einsetzbar, Einarbeitungszeiten und -kosten würden reduziert, sie könnten nicht nur Einblicke in die Unternehmenspraxis geben, sondern auch in die Firmenkultur (Wofür steht das Unternehmen?). Letztlich sei die digitale Lösung keine Hexerei. Lanbin: „Die Technik ist keine Hürde. Die Videos müssen nicht professionell sein, meist ist keine externe Software vonnöten.“

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