Additive Fertigung 21. Mrz 2024 Von Stefan Asche Lesezeit: ca. 4 Minuten

BMW will Serienteile im WAAM-Verfahren herstellen

Das „Wire Arc Additive Manufacturing“ (WAAM) ermöglicht metallische Bauteile mit optimalem Verhältnis zwischen Steifigkeit und Gewicht. Erste Erprobungen in Fahrzeugen plant BMW schon 2025. Das heute vorgestellte Betriebsergebnis markiert ein Rekordniveau.

Beim WAAM-Verfahren wird eine Drahtelektrode im Lichtbogen abgeschmolzen.
Foto: BMW Group

Die BMW Group hat an ihrem „Additive Manufacturing Campus“ in Oberschleißheim einen „heißen Draht“ zu einem innovativen additiven Fertigungsverfahren für metallische Fahrzeugkomponenten und Werkzeuge. Beim „Wire Arc Additive Manufacturing“ (WAAM) wird als Ausgangsmaterial ein Draht („Wire“), etwa aus Aluminium, durch einen Lichtbogen („Arc“) zum Schmelzen gebracht. Ein Roboter legt softwaregesteuert viele Schweißnähte akkurat aufeinander, bis das komplette Bauteil fertiggestellt ist.

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Weil durch den schichtweisen Aufbau nicht auf die Entformbarkeit geachtet werden muss, sind auch hohle Strukturen mit einem optimalen Verhältnis zwischen Steifigkeit und Gewicht möglich. Dadurch können die Komponenten leichter und steifer ausfallen als vergleichbare Teile, die aktuell in der Serie beispielsweise im Druckgussverfahren gefertigt werden. Zudem lassen sie sich laut BMW durch einen geringeren Energiebedarf sowie weniger Materialabfall nachhaltiger produzieren. Perspektivisch sei ein Einsatz von Bauteilen, die im WAAM-Verfahren gefertigt wurden, in Serienfahrzeugen der BMW Group vorgesehen.

BMW erreicht 2023 Rekordwert beim Gewinn

Kleiner Einschub: Wirtschaftlich läuft es bei den Bayern gerade rund: Im Gesamtjahr 2023 lieferten sie weltweit 2,55 Mio. Fahrzeuge aus, 6,4 % mehr als 2022. Ein „deutliches Wachstum“ gab es laut Walter Mertl, Mitglied des Vorstands der BMW AG, auch bei vollelektrischen Fahrzeugen. Die Auslieferungen erreichten nach Angaben des Finanzexperten mehr als 375 000 Einheiten oder ungefähr 15 % des Gesamtabsatzes. Der Umsatz des Unternehmens stieg auf 155 Mrd. €, der Gewinn vor Steuern (Ebit) auf 18,4 Mrd. €. Es ist das höchste Betriebsergebnis in der Geschichte des Autobauers. Das gab der Konzern heute bekannt.

Das WAAM-Verfahren eignet sich besonders für große Komponenten

Durch die große Breite und Höhe einer einzelnen Schweißnaht können Bauteile durch WAAM besonders schnell hergestellt werden. Im Unterschied zu dem in der BMW Group bereits in der Prototypen- und Kleinserienfertigung verwendeten Laserstrahlschmelzen eignet sich WAAM besonders für größere Komponenten. Die typischen Wandstärken passen gut zu Komponenten in den Bereichen Karosserie, Antrieb und Fahrwerk. Aber auch Werkzeuge und Vorrichtungen lassen sich in diesem Verfahren herstellen, das auch in der Luftfahrtindustrie eingesetzt wird.

Lesetipp: 3D-Druck mit heißem Draht

Die BMW Group erprobt dieses Verfahren am „Additive Manufacturing Campus“ in Oberschleißheim, wo sie die Produktion, Forschung und Weiterbildung in diesem Bereich unter einem Dach gebündelt hat. Das Unternehmen ist mit mehr als 30 Jahren Erfahrung ein Vorreiter im Bereich des Additive Manufacturing. Seit 2015 beschäftigen sich Mitarbeitende der BMW Group mit dem WAAM-Verfahren, das auf dem Auftragsschweißen basiert. Seit 2021 wird dort eine WAAM-Zelle für die Fertigung von Erprobungsbauteilen genutzt.

Eine dieser Beispielanwendungen ist eine Federbeinstütze, die in ausgiebigen Testläufen auf dem Prüfstand mit dem Serienbauteil aus Aluminiumdruckguss verglichen wird. „Bereits in dieser frühen Phase der Technologiebefähigung steht fest, dass das WAAM-Verfahren zu geringeren Emissionen im Produktionsprozess führen kann. Die Bauteile können durch ihr geringeres Gewicht, ihre günstige Materialeinsatzquote und die Möglichkeit, Grünstrom zu verwenden, effizienter produziert werden“, berichtet Jens Ertel, Leiter BMW Additive Manufacturing. Der nächste Entwicklungsschritt auf dem Weg zur Serienreife sind Erprobungen von Bauteilen im Fahrzeug, diese werden bereits in absehbarer Zeit beginnen.

Die Schweißnähte im WAAM-Verfahren sorgen zwar dafür, dass die Oberflächen der Bauteile nicht glatt, sondern leicht wellig ausfallen und in entscheidenden Bereichen fertigbearbeitet werden müssen. Die Ingenieurinnen und Ingenieure der BMW Group konnten aber zeigen, dass WAAM-Bauteile auch ohne Nachbehandlung der Oberfläche für hohe, auch zyklische Belastungen eingesetzt werden können. Um die Haltbarkeit direkt aus der Fertigung heraus zu gewährleisten, sind optimierte Prozessparameter entscheidend: Die Kombination aus Schweißprozess und Roboterbahnplanung muss optimal aufeinander abgestimmt werden.

Gestaltung mit Generative Design und Algorithmen

Um das Potenzial von im WAAM-Verfahren gefertigten Bauteilen optimal nutzen zu können, ist die geschickte Kombination aus Herstellungsverfahren und Gestaltung/Konstruktion des Bauteils entscheidend. Dafür wird in der BMW Group die Nutzung von Generative Design weiter vorangetrieben. Hierbei gestaltet der Computer mithilfe von Algorithmen basierend auf den benötigten Anforderungen optimierte Bauteile. Diese Algorithmen werden in enger Zusammenarbeit interdisziplinärer Teams entwickelt und sind unter anderem von evolutionären Prozessen der Natur inspiriert: Wie bei bionischen Strukturen wird in einem ersten Schritt für die Topologie des Bauteils nur das Material verwendet, das wirklich benötigt wird. Und bei der Feinoptimierung im zweiten Schritt wird das Bauteil nur an solchen Stellen verstärkt, wo es notwendig ist. Das führt am Ende zu leichteren und steiferen Komponenten sowie einer höheren Effizienz und einer gesteigerten Fahrdynamik des Fahrzeugs.

Detailaufnahme eines partiell nachbearbeiteten Bauteils.

Foto: BMW Group

Dank Roboterarm und Dreh-Schwenktisch lassen sich die Schweißnähte weitgehend frei auf dem Substrat deponieren.

Foto: BMW Group

In Teilbereichen lassen sich problemlos Aussparungen integrieren – zum Zwecke der Gewichtsreduktion.

Foto: BMW Group

So könnte die gedruckte Federbeinstütze ins Fahrzeug integriert werden.

Foto: BMW Group

Die Roboterzelle mit Dreh-Schwenktisch bietet Platz für große Bauteile.

Foto: BMW Group

Der Auftragskopf am Werkstück, gerade inaktiv.

Foto: BMW Group

Jens Ertel (li.), Leiter BMW Additive Manufacturing, und Karol Virsik, Leiter BMW Group Forschung Fahrzeug, mit einer im WAAM-Verfahren hergestellten Federbeinstütze.

Foto: BMW Group

Lesetipp: Pulver und Draht im Laserfokus

„Es ist beeindruckend zu sehen, wie sich die WAAM-Technologie aus der Forschung heraus zu einem flexiblen Werkzeug nicht nur für Versuchs-, sondern auch für Serienbauteile entwickelt hat. Der Einsatz von Generative-Design-Methoden ermöglicht uns, die Gestaltungsfreiheit und damit auch das Potenzial der Technologie vollständig zu nutzen. Das war vor wenigen Jahren noch undenkbar“, so Karol Virsik, Leiter BMW Group Forschung Fahrzeug.

3D-Druck-Verfahren können sich ergänzen

Dabei stehen verschiedene additive Fertigungsverfahren nicht zwangsläufig miteinander im Wettbewerb, sondern sind als Ergänzung zueinander zu sehen. Für höchste Detailauflösung wird etwa das Laserstrahlschmelzen im Pulverbett auch künftig Vorzüge gegenüber dem WAAM-Verfahren bieten. In Bezug auf die mögliche Größe des Bauteils und die Auftragsrate ist dagegen das Wire Arc Additive Manufacturing überlegen. Zunächst plant die BMW Group mit einer zentralen WAAM-Fertigung von Bauteilen in Oberschleißheim, perspektivisch ist aber auch eine Produktion an anderen Standorten und der Einsatz der Technologie bei Zulieferern möglich. Denkbar wäre in den Augen von BMW, zukünftig sogar einzelne Bauteile mit diesem Verfahren direkt am Montageband zu produzieren und ohne neue Werkzeuge allein durch Änderungen der Software verschiedene Teile zu fertigen. Zudem lässt sich auch die Nachhaltigkeit durch vermehrten Einsatz von recycelten Metallen noch weiter steigern.

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