Automatisierung in der Pandemie 17. Dez 2021 Von Martin Ciupek Lesezeit: ca. 3 Minuten

Roboter putzen gegen Corona an

Desinfektionsroboter, die mit UV-Strahlen oder Sprühaufsätzen arbeiten, haben einen Nachteil: Sie sollten nur in menschenleeren Umgebungen zum Einsatz kommen. Mehrere Fraunhofer-Institute haben deshalb nun gemeinsam eine andere Lösung entwickelt.

Beim Praxistest in einem Bürogebäude konnten Reinigungskräfte den Roboter über ein Tablet einlernen.
Foto: Rainer Bez / Fraunhofer IPA

Auch wenn viele Büros momentan nur spärlich besetzt sind, Putzkräfte haben weiterhin gut zu tun. Sie sorgen dafür, dass Kontaktflächen wie Türgriffe und Lichtschalter teilweise mehrmals täglich gereinigt werden. Damit wird verhindert, dass Viren über die Hände der Beschäftigten weitergetragen werden. Das muss auch anders gehen, haben sich Forschende der Fraunhofer-Gesellschaft schon vor über einem Jahr gedacht.

Mit seinem flexiblen Reinigungswerkzeug kann DeKonBot 2 unterschiedliche Oberflächen desinfizieren. Foto: Rainer Bez / Fraunhofer IPA

Forschung schnell umgesetzt

Wie schnell Forschungsförderung konkrete Ergebnisse hervorbringen kann, zeigt nun das Verbundprojekt „MobDi – Mobile Desinfektion“, das im Rahmen eines Aktionsprogramms der Fraunhofer-Gesellschaften gegen Corona im Oktober 2020 gestartet und vor wenigen Tagen abgeschlossen wurde. Insgesamt zwölf Einrichtungen der Fraunhofer-Gesellschaft entwickelten dafür unter Leitung des Fraunhofer-Instituts für Produktionstechnik und Automatisierung (IPA) neue Lösungen für die roboterbasierte mobile Reinigung und Desinfektion in Gebäuden.

Ihr mobiler Reinigungsroboter DeKonBot 2 wischt Oberflächen ab. Denn bisher verfügbare Automatisierungslösungen wie UV-basierte Desinfektionsroboter oder Roboter für die Sprühdesinfektion können aus Sicherheitsgründen nur Räume desinfizieren, wenn diese menschenleer sind. Die oft erforderliche Wischdesinfektion von Oberflächen – z. B. in Krankenzimmern oder an technischer Ausstattung und Infrastruktur wie Lichtschaltern oder Aufzugknöpfen – führt deshalb bis heute noch das Reinigungspersonal aus.

Weiterentwicklung mit Praxisbezug

Der DeKonBot 2 ist die Weiterentwicklung des gleichnamigen Desinfektionsroboters, den das Fraunhofer IPA im Jahr 2020 erstmals vorgestellt hatte. Die Robotikexperten haben die Hardwarekomponenten jetzt auf Basis der bisherigen Erfahrungen hinsichtlich der Bauweise, der Kosten und der Funktionalität verbessert. „Herausfordernd war zudem, das Reinigungswerkzeug flexibel, raumsparend und zugleich so zu gestalten, dass es unterschiedlichste Objekte effektiv desinfizieren kann“, erklärt dazu Simon Baumgarten, Wissenschaftler am Fraunhofer IPA und verantwortlich für den Aufbau des Roboters.

Im Regelbetrieb wird einTablet am Roboter befestigt. Der Roboter soll dann selbstständig von einem Objekt zum nächsten fahren. Foto: Rainer Bez / Fraunhofer IPA

Anstelle der vorher genutzten omnidirektionalen Plattform kommt als mobile Basis jetzt der Scitos X3 der Firma MetraLabs zum Einsatz. Dieser ist durch seinen Differenzialantrieb kostengünstiger und bietet mehr Platz für alle nötigen Aufbauten. Auf dem Mobilteil sitzt nun ein kollaborativer Sechsachs-Knickarm-Roboter der Firma Universal Robots, mit dem alle relevanten Kontaktflächen erreicht werden können. Statt des vormals gewählten Mikrofaserschwamms nutzt DeKonBot 2 nun ein Bürstensystem. Damit wird verhindert, dass Keime verschleppt werden. Denn die Bürsten werden mit Desinfektionsmittel komplett desinfiziert.

Der Roboter kann mit unterschiedlichen Desinfektionswerkzeugen ausgestattet werden. Hier ist es ein UVC-Desinfektionswerkzeug des Fraunhofer IOSB. Foto: Rainer Bez / Fraunhofer IPA

Software hilft bei Orientierung

Damit die Roboter die zu desinfizierenden Objekte erkennen können, hilft ihnen Software. Dazu wurden die Algorithmen durch maschinelle Lernverfahren so trainiert, dass sie bei unterschiedlichen Umgebungsbedingungen, z. B. variierenden Beleuchtungsverhältnissen, zuverlässig funktionieren. Schließlich müssen sie Türklinken, Türknäufe, Lichtschalter und Aufzugknöpfe in verschiedenen Formen und Ausprägungen im Raum lokalisieren. Durch das maschinelle Lernverfahren erkennt der Roboter Objekte nun anhand zweidimensionaler Kamerabilder und klassifiziert sie in verschiedene Objekttypen. Daran passt der Automat seine Reinigungsbewegung an. Um die exakte Position und Kontur des zu reinigenden Objekts zu ermitteln, wird zudem ein neu entwickeltes Sensorsystem eingesetzt. Dieses nutzt einen Zeilenlaserscanner, der auch spiegelnde Oberflächen zuverlässig erfasst.

Um die Praxistauglichkeit zu überprüfen, haben die Forschenden des Fraunhofer IPA und des Fraunhofer-Zentrums für Internationales Management und Wissensökonomie (IMW) eine Woche lang Tests auf einer Etage in einem Bürogebäude des Energieversorgers EnBW durchgeführt. Baumgarten bilanziert: „Mit der technischen Zuverlässigkeit und den erzielten Leistungsdaten sind wir sehr zufrieden.“ Die autonome Navigation des Roboters in der Einsatzumgebung habe fehlerfrei funktioniert. Türklinken und Lichtschalter wurden dabei laut Baumgarten ebenfalls erfolgreich erkannt und desinfiziert. Nur bei den Türknäufen habe es gelegentlich Schwierigkeiten gegeben. Der Roboter stieß bei den Menschen dabei auf eine hohe Akzeptanz.

Das sagt die Wirtschaftlichkeitsanalyse

Bisher kann der Roboter unter Gegebenheiten wie im Test 30 Objekte pro Stunde reinigen. Berechnungen des Fraunhofer IMW zeigten, dass ein wirtschaftlicher Einsatz ab einer Leistung von 45 Objekten pro Stunde gegeben sei. Im wirtschaftlichen Szenario arbeitet der Roboter dann inklusive der Ladezeiten 24 Stunden. Die Abschreibungsdauer liege bei dieser Rechnung bei acht Jahren. Im kommenden Jahr möchte das Fraunhofer IPA den Roboter gemeinsam mit der Firma MetraLabs zur Produktreife zu bringen. Anfang 2023 könnte er dann ausgeliefert werden.

Hier ist der Roboter mit einem Plasma-Desinfektionswerkzeug des Fraunhofer-Instituts für Schicht- und Oberflächentechnik (IST) ausgestattet. Foto: Rainer Bez / Fraunhofer IPA

Mit ihrem Wischroboter sind die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen aus Deutschland aber nicht allein. Erst vor wenigen Tagen hatte auch das Entwicklungsteam von Alphabet eine Lösung vorgestellt, die jetzt in einigen Büros von von Google eingesetzt werden soll. VDI nachrichten berichteten unter Titel „Roboter übernehmen Alltagsaufgaben im Büro“.

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