Elektrische Antriebstechnik 06. Feb 2024 Von Martin Ciupek Lesezeit: ca. 5 Minuten

Wie Synapticon den Maschinenbau mit integrierten Antrieben verändern will

Mit Roboterantrieben hat sich Synapticon weltweit einen Namen gemacht. Jetzt will das Unternehmen klassische Maschinen revolutionieren. Firmenchef Ensslen erklärt, wie das zusammenhängt und warum er die deutsche Dominanz in der Mechatronik zunehmend gefährdet sieht.

In der Anlage kaum zu erkennen: Die integrierten Antriebsregler von Synapticon werden einfach an Servomotoren angeflanscht. Auf der Messe SPS 2023 in Nürnberg stellte das Unternehmen erstmals die neuen Komponenten für den Maschinenbau vor.
Foto: Synapticon

Stolz ist Nikolai Ensslen derzeit auf den neuesten Antrieb, den sein in Schönaich ansässiges Unternehmen Synapticon kürzlich auf der Branchenmesse SPS in Nürnberg erstmals vorstellte. Auch wenn dieses Produkt den klassischen Maschinenbau adressiert, gilt Ensslen bisher vor allem als Kenner der Robotikbranche. Wer ihn fragt, erfährt deshalb auch viel über internationale Trends aus der Robotik und Unterschiede bei der internationalen Softwareentwicklung. Aber eins nach dem anderen.

Antriebsregelung für Roboter, E-Bikes und jetzt auch für den Maschinenbau

Bekannt ist das 2012 gegründete Unternehmen vor allem durch kompakte Antriebe für die Robotik, wo sie in den Antriebsachsen für eine integrierte Regelung sorgen. Weniger bekannt sind Anwendungen in E-Bike-Antrieben, wo die Hersteller Fazua und Pinion auf Komponenten der Schwaben setzen. Während der Fahrradmarkt aber eher eine historisch bedingte Nische für Synapticon ist, liegt der Fokus neben der Robotik künftig verstärkt im allgemeinen Maschinenbau, wo es zahlreiche Servoantriebe zu koordinieren gilt.

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Ensslen spricht von „Integrated Motion“ ‒ also Sensorik und Mikroelektronik, die direkt am Antrieb angebracht wird, um Prozesse präzise steuern zu können. „Das bringen wir jetzt in den Maschinenbau, wo es noch mal ganz andere Anforderungen gibt als in der Robotik“, erklärt der Firmengründer. Gegenüber der Robotik mit ihren zyklischen Achsbelastungen gebe es im Maschinenbau für die Antriebe viel mehr Dauerlast. „Das heißt: Da muss ein 1-kW-Motor auch dauerhaft 1 kW bringen. Bei der Integration in eine miniaturisierte Einheit ergeben sich damit ganz andere Anforderungen“, hebt er hervor. Er meint damit insbesondere thermische Belastungen.

Kompakte Antriebe: Raumfahrttechnologie und Software reduzieren Wärme in den Maschinen

Laut dem Synapticon-Geschäftsführer hat sein Unternehmen dafür bei der Halbleiter- und Platinentechnik im wahrsten Sinne des Wortes auf Raumfahrttechnologie zugreifen müssen. Details nennt er allerdings nicht. Daneben sei es vor allem ein Softwarethema gewesen, die Schaltverluste in der neuen Komponente namens Integro so zu verringern, dass das Gerät möglichst kühl bleibe. Das Ergebnis ist eine kleine Box im typischen Rotton des Unternehmens, die nun direkt an Servomotoren angeflanscht werden kann.

Für den Maschinenbau ergeben sich daraus laut Ensslen Vorteile: „Wir glauben, dass wir die Schaltschränke in vielen Bereichen des Maschinenbaus eliminieren und ansonsten zumindest reduzieren können.“ Dann sei neben der Antriebskomponente nur noch ein Netzteil und irgendwo ein zentraler Steuerungscomputer nötig. Gerade in der Fabrik der Zukunft sieht Ensslen große Potenziale: „Überall, wo es eine zentrale Stromversorgung gibt, das Netz überall DC (Gleichstrom, Anm. d. Red.) bietet und es auch einen DC-Bus sowie ein zentrales Datenzentrum gibt, schaffen dezentrale Antriebe in den Maschinen auch einen minimalen CO2-Footprint“, zeigt er sich überzeugt.

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Ensslen spielt damit auch auf die Initiative an, die sich unter Leitung des Elektrotechnikverbands ZVEI und dem Namen Open DC Alliance für Gleichstromnetze in den Fabriken einsetzt. Damit sollen u. a. Wandlungsverluste zwischen Wechsel- und Gleichstrom reduziert werden sowie erneuerbare Energien einfacher in Netze eingebunden werden können. Ensslen hebt aus Sicht seines Unternehmens und den Erfahrungen in der Robotik hervor: „Man kann sehr viel mit 60 V DC machen und das sehr effizient und sehr kompakt.“

Erfolge von Synapticon in der Robotik wecken Begehrlichkeiten

Ohne Zweifel hat das schwäbische Unternehmen damit inzwischen viel Kompetenz in der feinfühligen Antriebsregelung aufgebaut. Wird das Unternehmen damit am Ende vielleicht selbst zum Übernahmekandidat für finanzkräftige Konzerne mit Ambitionen in der Robotik? Ensslen räumt ein, dass sein Unternehmen seit 2017 in mehreren Finanzierungsrunden über Venturecapital-Investoren gewachsen ist. Insbesondere seien „Family-Offices“ beteiligt wie Henrik Schunk, die Familie Vaillant und die Familie Wertheimer aus Israel. Darüber hinaus gebe es Beteiligungen von klassischen Venturecapital-Fonds wie dem High-Tech Gründerfonds oder Light Ray Ventures als auch von den Corporate Investoren SE Ventures von Schneider Electric und dem Automobilzulieferer Stabilus.

„Asiatische Unternehmen sind inzwischen schnell darin, Qualität zu verbessern“, sagt Synapticon-Geschäftsführer Nikolai Ensslen mit Blick auf die weltweiten Fortschritte bei der Entwicklung von Elektromechanik und Mechatroniklösungen. Foto: Synapticon

„Die haben strategisches Interesse an uns, aber bisher keinen Einfluss auf unser Geschäft“, sagt er. Die Anteile seien jeweils so klein, dass sie weder zusätzliche Informationsrechte noch zusätzliche Stimmrechte haben. „Wir sind komplett unabhängig und haben halt Aktionäre – nur machen wir das nicht an der Börse!“ Durch den Erfolg von Synapticon in der boomenden Robotik und bei den Automationsplattformanbietern gehe er auch nicht davon aus, dass die Investoren ihre Anteile verkaufen wollten. Angst um das Firmenwissen hat er deshalb nicht.

Wichtigstes Mittel zum Schutz des Firmenwissens sind für ihn neben der breiten Investorenstruktur ohnehin zufriedene und glückliche Mitarbeitende. „Natürlich kann man das auch über Patente machen, aber die bieten nur einen begrenzten Schutz“, so Ensslen. Man müsse dafür die Intellectual Property (IP) offenlegen. „Wenn z. B. Apple irgendwas Neues patentieren lässt, dann finden die Leute schon raus, was als Nächstes kommt, und vielleicht auch ein bisschen, wie man es macht.“ Deshalb ist er stolz auf die freundschaftliche Zusammenarbeit im Unternehmen. Er sagt: „Selbst wenn es Gründe gibt zu wechseln, ist da nach meiner Erfahrung die Loyalität sehr stark. Einem Unternehmen, bei dem man gerne gearbeitet hat und dem man sich verbunden fühlt, will man nichts Böses.“

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Ensslen sieht deutsch-europäische Robotikdominanz in Gefahr

Und wie bewertet Ensslen aufgrund seiner internationalen Geschäftskontakte die globalen Entwicklungen in der Robotik? In Sachen Mechatronik, Elektromechanik und qualitative Elektronik, mit der alles zusammenwirken müsse, sei Europa und insbesondere Deutschland nach wie vor stark. In diesem Bereich komme aber inzwischen verstärkt Konkurrenz aus Asien. Insbesondere aus den Bereichen Elektronik und Software wachse da die Bedrohung für die deutsch-europäische Dominanz. Ein Eindruck des Brancheninsiders: „Asiatische Unternehmen sind inzwischen schnell darin, Qualität zu verbessern.“

Bei den US-Firmen lägen die Stärken dagegen eher in der Software. „In der Mechanik arbeiten sie sehr viel mit Europäern und Japanern zusammen, auch wenn sich dort durch das Reshoring im Rahmen von ‚Bring back manufacturing‘ wieder mehr Produktion in die USA bewegt“, so der Synapticon-Chef. Es gebe nun viel mehr Investment in die Robotik und auch wieder mehr Aufmerksamkeit für die Hardware als noch vor drei Jahren. Zur Softwarestärke der Unternehmen in Nordamerika sagt er: „Man sieht da sehr viele Automatisierungs- und Robotik-Start-ups, die keine eigenen Roboterarme bauen. Die konzentrieren sich nur auf Softwarelösungen, die sich mit Venturecapital besonders gut finanzieren lassen.“ Bei der Hardware liefen die Geschäfte aber auch dort träger. „Die zu entwickeln ist immer schwieriger und dauert immer länger. Das erleben wir auch. Denn obwohl unsere Produkte von unserer Softwaretechnologie ermöglicht werden, ist es am Ende trotzdem Hardware, die wir verkaufen“, hebt der Synapticon-Gründer hervor.

Auch in Sachen künstlicher Intelligenz (KI) seien die USA weltweit führend. Ensslen sagt: „Auch wenn man das Silicon Valley zwischenzeitlich fast schon so ein bisschen abgeschrieben hatte: Mit Open AI ist wieder ein führendes Unternehmen in San Francisco ansässig, wodurch dort ein neues Ökosystem entsteht.“ Mit Blick auf die Investments in Deutschland sagt er: „Natürlich können wir in Deutschland auf ein Unternehmen wie Aleph Alpha stolz sein. Die Finanzierungsrunde mit einer halben Milliarde Euro ist auch etwas Besonderes. Gegenüber Open AI, wo viele Milliarden Dollar investiert werden, ist das aber dennoch einfach sehr viel kleiner, obwohl es für uns ein Riesending ist.“

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